Es ist wieder so weit: Die Ferienregion südlich von Hamburg erstrahlt in ihrer vollen Pracht. Naturkundliche Führungen auch nachts.
Sie gilt als absolutes Klischee. Aber wenn die Region von Anfang August bis Mitte September in voller Blüte steht, übertrifft die Schönheit der Natur alle Vorstellungskraft: Weite, lila blühende Landschaften, aus denen vereinzelt Birken und viele dunkelgrüne Wacholder aufragen. Jedes Jahr aufs Neue lockt das Spektakel zahlreiche Hamburger aus der Stadt in die Natur. Nur wenige Kilometer südlich der Hansestadt liegt Deutschlands ältestes und für viele auch schönstes Naturschutzgebiet: die Lüneburger Heide.
Während der Ärger über den diesjährigen Dauerregen in der Stadt groß ist, freut sich die Ferienregion. „Durch den vielen Regen im Vorfeld erwarten wir dieses Jahr eine besonders gute Heideblüte“, sagt Heide-Ranger Jan Brockmann. Besucher können sich auf Hügelwellen im violetten Farbenrausch freuen. Als Startpunkt für Wanderungen bietet sich besonders Bispingen an. Vom Urlaubsort fahren Shuttlebusse und Kutschen in die angrenzende Heide. Aber auch mit dem Fahrrad oder zu Fuß ist es nicht weit ins bienenumschwirrte Blütenmeer. Der kleine Ort Wilsede im autofreien Naturschutzgebiet lädt zu einer gemütlichen Rast ein.
Heidschnuckenweg ist vielfach ausgezeichnet
„Unglaublich schön ist auch der Heidschnuckenweg“, schwärmt Brockmann. Der vielfach ausgezeichnete Fernwanderweg gehört zu den schönsten in Deutschland. Auf 223 Kilometern reiht er die Heideflächen zwischen Hamburg und Celle wie eine Perlenkette aneinander. Dabei können natürlich auch einzelne Tagesetappen bewandert werden. Ein Höhepunkt der Strecke ist der 169 Meter hohe Wilseder Berg. „Vom Gipfel kann man bei guter Sicht sogar die Kirchtürme Hamburgs sehen“, sagt Brockmann.
Zum Aufgabengebiet des Heide-Rangers gehören neben naturkundlichen Führungen auch die Pflege von rund 1000 Kilometer Wanderrouten sowie die Beobachtung und Dokumentation des Tier- und Pflanzenbestands in der Heide. „Das Besondere an der Region ist der Wechsel von Landschaftsräumen.“
Moor, Wiesen, Wälder und natürlich Heide bilden ein Mosaik, das in Deutschland einmalig ist und zu einem Artenreichtum führt, der seinesgleichen sucht. Tiere wie Rebhühner – andernorts fast ausgestorben – sind hier noch zahlreich vorhanden. Und auch vom großen Bienensterben blieb die Heide bisher verschont. In dieser Jahreszeit bekommen die zahlreichen Wildbienen sogar noch Gesellschaft. Imker aus ganz Norddeutschland mieten die altertümlich anmutenden, hölzernen Bienenzäune, um ihren Völkern ein besonderes Festessen zu bieten. Den Heidehonig kauft man am besten direkt in den Hofläden entlang einer Wanderung.
Goldgrube für den Tourismus
Das Blütenmeer verdanken Honigproduzenten und Besucher einem tierischen Landschaftspfleger: Die Heidschnucken, eine alte Landschafrasse, sind wesentlich für das Fortbestehen der Heide verantwortlich. „Sie fressen frische Triebe und verhindern dadurch ein Verwalden der Heide“, erklärt Schäfer Carl Kuhlmann, dessen Urgroßeltern die genügsamen Tiere schon gehalten haben. Um 1850 hatte hier praktisch jeder Hof eine eigene Schnuckenherde. Es gab etwa 800.000 Tiere, die als Lieferanten von Wolle, Fleisch und Dünger dienten. Heute gibt es nur noch rund 15.000 Tiere – im Wesentlichen zum Erhalt der verbliebenen Heideflächen.
„Früher hat es deutlich mehr Heide gegeben“, sagt Kuhlmann. Sie sei entstanden durch Abrodung der Wälder, unter anderem für die Salinen Lüneburgs, und durch das sogenannte Plaggen, die regelmäßige Abtragung des Oberbodens zur Düngergewinnung. Was zunächst ein Problem war, wurde im Zuge des Romantizismus zu einer Goldgrube für den Tourismus. Als Dichter und Maler in ihren Werken von der Schönheit der Heide berichteten, zog es immer mehr Städter in ihrer Freizeit aufs Land, um sich selbst ein Bild zu machen.
Nachtwanderungen mit besonderem Flair
Und auch heute ist die malerische Schönheit der Heide ein Magnet für Menschen, die dem Großstadtdschungel entfliehen wollen. Für die hat Ranger Brockmann noch einen Geheimtipp: „Der Totengrund ist eines der schönsten Täler der Region.“
Der Blick in dieses Tal südöstlich von Wilsede ist atemberaubend. Im Jahr 1906 hat der Heidepastor Wilhelm Bode erkannt, dass die Landschaft rund um den Totengrund für die Nachwelt erhalten bleiben soll. Sein Verdienst war es, dass die Heideflächen um den Totengrund von geplanten Baumaßnahmen verschont blieben und im Jahr 1909 zum ersten Naturschutzgebiet Deutschlands wurden. Davon profitieren Besucher noch heute. Und das nicht nur am Tag.
„Bei Vollmond ist eine Nachtwanderung ein ganz besonderes Erlebnis“, sagt Brockmann. Taschenlampen sind dabei überflüssig. In der fast baumlosen Landschaft fällt kein Schatten und während Eulen und Fledermäuse umherfliegen, zeigt der Mond die Heide nochmal in einem ganz anderen Licht.
Nachtwanderungen und Führungen vom Heide-Ranger können per Email gebucht werden: info@heide-ranger.deHeidehonig und Heidschnucken-Fleischwaren gibt es im Hofladen von Schäfer Kuhlmann: Niederohe 5, 29328 Faßberg