Hildesheim/Goslar. Angespannte Lage etwa in Braunschweig und Hildesheim. Im Harz droht ein Hang mit Wohnhäusern abzurutschen. Wetter beruhigt sich.
Braunschweig, Hildesheim und der Harz: In zahlreichen Städten müssen die Menschen auch am Donnerstag mit weiteren Überschwemmungen rechnen. Die Regenmassen der vergangenen Tage haben die Flüsse vor allem in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt über die Ufer treten lassen, auch in Teilen des Harzes kann noch keine Entwarnung gegeben werden. Gesperrte Straßen, überflutete Innenstädte und vollaufende Keller halten die Feuerwehr weiter in Atem.
Jörg Kachelmann indes findet den zurzeit regenreichen Sommer durchaus normal. „Es ist normal, insofern, dass der Sommer natürlich nie normal ist, nämlich genau im Durchschnitt“, sagte der Wetterunternehmer im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Juni und auch weite Teile des Julis seien in weiten Teilen Deutschlands bei Temperaturen und Sonnenscheindauer deutlich überdurchschnittlich gewesen. „Die groteske Wahrnehmung bei vielen Menschen im Lande ist, dass es normal wäre, wenn es jetzt wochenlang Sonne und Hitze gäbe.“ Doch Juni und Juli seien „in Deutschland die Monate mit dem meisten Regen im Durchschnitt“.
Vorbereitungen in Braunschweig
Mit rund hundert freiwilligen zusätzlichen Einsatzkräften bereiten sich die Einsatzkräfte derzeit in Braunschweig auf die Ankunft der Wassermassen aus dem Harz vor. Die Oker soll der Vorhersage nach am Mittag ihren Höchststand im Landkreis Wolfenbüttel erreichen.
Am Nachmittag wurden dann sehr hohe Pegelstände in Braunschweig erwartet. Die Feuerwehr stellt sich darauf ein, dass die Oker so hoch steigen könnte wie in den vergangenen 20 Jahren nicht mehr.
Bedrohliche Lage in Hildesheim
Auch im von Überschwemmungen bedrohten Hildesheim in Niedersachsen hat sich die Lage in der Nacht wieder zugespitzt. Vormittags gab es Wassereinbrüche, das Grundwasser stieg und die Kanäle seien randvoll, sagte ein Feuerwehrsprecher am Donnerstag. Dazu laufe das Wasser an einer Stelle über einen Deich in den Stadtteil Itzum. „Dort war zuvor nichts absehbar, jetzt ist dort Land unter“, sagte der Sprecher.
An der Oker stieg das Wasser im Landkreis Wolfenbüttel noch weiter, im Laufe des Tages sollte es den vorläufigen Spitzenwert erreichen. Im Landkreis Gifhorn sei der Höchststand erst am Freitag zu erwarten. Auch in Hannover bereiten die Wassermassen den Anwohnern Probleme.
Züge fallen aus
Wegen des Hochwassers müssen Bahnpendler im Süden Niedersachsens noch bis Freitag mit erheblichen Behinderungen rechnen. Mehrere Regionalverbindungen blieben wegen Hochwasserschäden gesperrt, teilte der Bahnbetreiber Erixx am Donnerstag mit. Die Strecken Braunschweig-Uelzen und Braunschweig-Gifhorn sind demnach gesperrt. Auch auf den Verbindungen Hildesheim-Salzgitter-Ringelheim, Wolfenbüttel-Vienenburg und Vienenburg-Bad Harzburg führen keine Züge. Teilweise werde ein Busnotverkehr eingerichtet, einige Haltestellen könnten nicht bedient werden.
In Goslar fallen die Pegelstände
In Goslar entspannte sich die Lage dagegen. Feuerwehrleute pumpen rund um die Marktkirche in der Altstadt das Wasser aus mehreren Kellern. In der Nacht zu Donnerstag hatte der Landkreis den ausgerufenen Katastrophenalarm aufgehoben. Wo in der Altstadt vor rund 24 Stunden noch reißende Wassermassen über die Straßen liefen, gingen am Donnerstagmittag schon wieder Touristen in Sandalen vorbei.
Auch die Pizzeria „Amaretto“, dessen Besitzer am Mittwoch knietief im Wasser in seinem Keller stand, hat wieder geöffnet. Draußen sitzen hungrige Gäste. „Nur Schlamm“, beschreibt der Gastronom den Blick ins mittlerweile ausgepumpte Untergeschoss. Dort gelagerte Nudeln und Mehl waren durch das Wasser verdorben. „Ich war heute Morgen erstmal einkaufen“, berichtet Inhaber Michele Pantaleo. Seine Versicherung habe er noch nicht erreicht, vermutlich riefen im Moment viele Betroffene wegen der Schäden dort an.
Auch die Stadt Goslar dürften die Folgen des Hochwassers noch länger beschäftigen. Schon am Mittwochabend sagte Bürgermeister Olaf Junk, es seien auch viele Straßen und Brücken beschädigt worden. Insgesamt rechnet der Stadtchef mit Millionenschäden.
Harz: Aufräumarbeiten und neue Gefahr
Neben der Harzgemeinde Harsleben in Sachsen-Anhalt gefährden Fluten des übergelaufenen Goldbachs am Donnerstagmittag auch das nur wenige Kilometer entfernte Langenstein. Hier droht ein durchweichter Hang abzurutschen und womöglich Wohnhäuser mitzureißen. In der Nacht hatte der Goldbach die Straße überspült und stundengelang gegen die Böschung gedrückt, wie Einsatzleiter Thomas Dittmer erläuterte. Zur Stabilisierung bauten Rettungskräfte mittlerweile Vliesmatten ein.
In Wernigerode in Sachsen-Anhalt stehen am Donnerstag zugleich die Aufräumarbeiten an. „Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen“, sagte der Oberbürgermeister der Stadt. Von der seit Dienstag an dem Hochwasser-Fluss Holtemme vermissten Seniorin fehlt weiter jede Spur. Nach der 69-Jährigen aus Wernigerode werde weiter gesucht, hieß es am Donnerstag im Polizeirevier Harz. Bisher sei die Suche mit Hunden und per Hubschrauber ergebnislos verlaufen. Die Frau wohnt direkt neben der Holtemme.
Tief "Alfred" zieht nach Osten ab
Enorme Regenmengen hatten kleine Bäche in der Harzregion zu reißenden Fluten werden lassen. In den kommenden Tagen sind in dem Gebiet jedoch keine weiteren schweren Regenfälle in Sicht. „Zeitweise Niederschläge halten sich arg in Grenzen, sie sind nicht in dem Rahmen, dass es wieder zu einem Hochwasser kommen könnte“, sagte der Meteorologe Florian Engelmann vom Deutschen Wetterdienst am Donnerstag in Leipzig. Es gebe nur vereinzelt leichte örtliche Schauer.
In den nächsten Tagen werde es sommerlicher. Schon am Freitag könnten die Temperaturen auf bis zu 25 Grad Celsius klettern. Am Sonntag kletterten sie sogar auf nahe 30 Grad, sagte der Meteorologe.