Hamburg/Hannover. Massiver Protest gegen Lärm in Lüneburg und Umgebung. Ausbau soll Züge elf Minuten schneller machen. Werden alle Pläne umgeworfen?
Kaum ist der jahrzehntelange Streit um den Bahnausbau von Hannover Richtung Hamburg und Bremen geschlichtet, bricht er schon wieder aus. Nachdem ein Dialogforum mit Anliegern und Bürgerinitiativen die Y-Neubautrasse vor gut einem Jahr in den Papierkorb verwies und ein Ausbau bestehender Strecken festgezurrt wurde, regt sich dagegen massiver Protest in Lüneburg und Umgebung. Die Forderung: Weil 400 Güterzüge täglich die Anwohner künftig im Lärm erstickten, müsse eine Neubautrasse her. Verkehrsministerium und Bahn laden ein zu dem bevorstehenden Dialog für die konkrete Umsetzung des Ausbaus, für den auch Ortsumfahrungen vorgesehen sind.
„Der Schienenlärm liegt bereits jetzt für Wohngebiete an der Strecke im gesundheitsgefährdenden Bereich“, empört sich Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD). Mit dem Bau eines dritten Gleises werde sich dieser Zustand noch dramatisch verschlechtern. „Auf lange Sicht können wir auf eine lärmgeschützte Neubaustrecke entlang der A7 für den Güterverkehr nicht verzichten.“ Und ohnehin seien die von dem Dialogforum 2015 ausgearbeiteten Pläne demokratisch nicht legitimiert, legt er nach.
Verkehrsminister über Lüneburg verwundert
Durchaus verstimmt reagiert Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) auf den Protest. „Ich kann nicht nachvollziehen, wieso Lüneburg einen Prozess, an dem es ein Jahr lang aktiv mitgewirkt hat und den es auch weiter begleitet, jetzt als ,nicht demokratisch legitimiert' bezeichnet.“ Außerdem habe der Bundestag kürzlich die Ausbaupläne für den Verkehrswegeplan demokratisch beschlossen. „Wir werden jetzt ganz bestimmt nicht wieder von vorne anfangen“, so Lies. Der Prozess der Bürgerbeteiligung gehe weiter. „Aber jetzt reden wir nur noch über das Wie und nicht mehr über das Ob.“
Dabei steht das „Wie" - anders als bei früheren Bauvorhaben und auch damals bei der Y-Trasse - noch gar nicht genau fest, wie Großprojektleiter Matthias Hudaff von der Deutschen Bahn erklärt. Fertige Pläne habe die Bahn noch nicht in der Schublade. Vielmehr solle in einem transparenten, direkten Dialog mit den Betroffenen ausgearbeitet werden, wie der Ausbau am Besten vorgenommen wird. „Überlegt euch etwas“, laute die Aufforderung an Kommunen und Anlieger.
Elf Minuten schneller zwischen Hamburg und Hannover
Grob umrissen ist der Ausbau durch den neuen Bundesverkehrswegeplan. Und dieser geht über den im Dialogforum gefundenen Kompromiss - ein drittes Gleis zwischen Lüneburg und Uelzen und Ausbauten auf anderen Strecken - deutlich hinaus. Von Ashausen über Lüneburg und Celle bis nach Hannover-Vinnhorst reichen die Planungen zur Verbesserung der Strecke.
Und sie haben anders als das Dialogforum nicht nur den wachsenden Güterverkehr von den Seehäfen ins Hinterland im Blick, sondern wie einst die Y-Trasse auch den schnellen ICE-Verkehr: Mit Tempo 230 bis 250 möglichst ohne lästiges Abbremsen wie bisher in Lüneburg und Uelzen sollen die Schnellzüge zwischen Hannover und Hamburg elf Minuten Fahrzeit einsparen, schreibt der Verkehrswegeplan fest.
Lüneburg und andere Orte sollen umfahren werden
Damit dies gelingt, sind vier Ortsumfahrungen für Lüneburg, Deutsch Evern, Bad Bevensen und Uelzen geplant, mit deren Vorplanung die Bahn im Dialog mit den Betroffenen in diesem Jahr beginnen möchte. De facto ergeben sich damit längere Neubauabschnitte, wenn auch nicht die von Lüneburg geforderte und dem Dialogforum 2015 verworfene Neubaustrecke. Statt über Einzelheiten zu streiten, müsse die Umsetzung an einem Runden Tisch in der Region in Angriff genommen werden, forderte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg. „Die Wirtschaft braucht dringend die zusätzlichen Kapazitäten“, sagt IHK-Präsident Olaf Kahle.
Um die Wogen zu glätten, wird Lüneburgs Oberbürgermeister an diesem Montag im Verkehrsministerium in Hannover erwartet. Am kommenden Donnerstag dann organisiert die Deutsche Bahn in Lüneburg eine erste Informationsveranstaltung für Vertreter der Region, um in den Dialog über den konkreten Ausbau einzusteigen. Transparenz statt Streit lautet die Devise.