Die Folgen könnten dramatisch sein und Niedersachsen hart treffen. In Nordfriesland drohen Zwangsschlachtungen.

Peine. Die Vogelgrippe breitet sich immer weiter aus. Auch in Niedersachsen ist jetzt bei einer toten Wildente die hoch ansteckende Variante der Krankheit entdeckt worden. Das meldet das niedersächsische Landwirtschaftsministerium. Zweite Nachricht des Tages: Im Kreis Nordfriesland (Schleswig-Holstein) lassen rund 20 Hobby-Geflügelhalter ihre Tiere weiterhin ins Freie – trotz der vom Landwirtschaftsministerium angeordneten Stallhaltungspflicht. Der Kreisveterinär Dieter Schulze sprach von „bodenlosem Leichtsinn“ und kündigte an, die Tiere zwangsweise schlachten zu lassen.

Die Folgen des aktuellen Fundes in der Geflügelzüchter-Hochburg Niedersachsen könnten dramatisch sein. Das Tier wurde in Peine gefunden. In einem Radius von zehn Kilometern um den Fundort befinden sich 360 Betriebe mit 120.000 Stück Geflügel. Niedersachsen sagte landesweit alle Geflügelschauen ab. In der betroffenen Region rund um Peine wurde ein Sperrbezirk eingerichtet.

Wie schwer sind die Folgen für Niedersachsen?

Niedersachsen ist das Bundesland mit dem größten Geflügelbestand. Rund 88 Millionen Lege- und Masthühner gibt es dort. Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein sind es nur 1,5 Millionen Hühner. Friedrich-Otto Ripke, Vorsitzender der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft (NGW), hatte bereits am vergangenen Freitag die Landesregierung angesichts der Vogelgrippe-Fälle in Schleswig-Holstein aufgefordert, endlich aktiv zu werden.

„Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo Landwirtschaftsminister Meyer nun endlich handeln und landesweit eine präventive Stallpflicht erlassen müsste“, so Ripke. „Nur so können die konventionellen Freilandhaltungen und Biohaltungen vor einem Kontakt mit dem stark krankmachenden Vogelgrippevirus geschützt werden.“ Der Minister dürfe nicht erst abwarten, bis es zu einem Viruseintrag komme.

"Vogelgrippe macht keinen Halt vor Landesgrenzen"

Auch der agrarpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Helmut Dammann-Tamke, zeigt sich angesichts des ersten offiziell bestätigten Vogelgrippefalls in Niedersachsen alarmiert: „Die Vogelgrippe macht keinen Halt vor Landesgrenzen. Landwirtschaftsminister Meyer muss endlich aufwachen und die notwendigen Maßnahmen einleiten.“ Andere Bundesländer, darunter die Nachbarn in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, seien Niedersachsen im Umgang mit dem gefährlichen H5N8-Virus meilenweit voraus.

In der Tat gibt es in Schleswig-Holstein schon seit Dienstag vergangener Woche eine landesweite Stallpflicht. In Niedersachsen gilt sie bis heute nur in einzelnen Kreisen, nach dem aktuellen Fund wurde sie auf den Landkreis Peine (liegt zwischen Hannover und Braunschweig) ausgeweitet.

Epidemie fing in Schleswig-Holstein an

In Schleswig-Holstein hatte die Vogelgrippe-Epidemie ihren Anfang genommen. Am 7. November waren am Großen Plöner See rund 100 verendete Wildvögel gefunden worden. Als feststand, dass sie am hoch ansteckenden Vogelgrippe-Virus H5N8 gestorben waren, verhängte der Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) unverzüglich eine landesweite Stallpflicht für Geflügel. Dennoch drang der Erreger in zwei Zuchtbetriebe ein. In Lübeck war eine Putenzucht betroffen, in Grumby bei Schleswig musste der gesamte Tierbestand eines Geflügelhof getötet werden: 30.000 Hühner.

Trotz dieser dramatischen Konsequenzen zeigen sich einige Hobby-Hühnerhalter im Kreis Nordfriesland uneinsichtig. Sie lassen ihre Tiere weiterhin ins Freie – und riskieren damit, dass das Virus weitergetragen wird. Denn dort, wo Wildvögel ihren Kot fallen lassen, können sich die Hühner innerhalb kürzester Zeit infizieren. Ist ein Bestand erst befallen, tragen auch der Halter und seine Familie sowie ihre Besucher das Virus an der Kleidung und können es weitflächig verbreiten. „Das ist keine Theorie, sondern eine bewiesene Tatsache. Deshalb gehen wir mit der ganzen Härte des Gesetzes gegen die Aufstallungs-Verweigerer vor“, sagte Kreisveterinär Dieter Schulze.

Dürfen Tiere zwangsweise geschlachtet werden?

Den renitenten Haltern droht die zwangsweise Tötung ihrer Tiere. Zunächst wird ein Bußgeld verhängt. Der nächste Schritt wäre die Androhung eines Zwangsgeldes. Darauf will Schulze verzichten. „Gegen Zwangsgelder kann man Rechtsmittel einlegen, und dann folgen langwierige Verfahren mit Widerspruchsbescheiden und vielleicht auch Klagen vor Gericht. Diese Zeit haben wir aber nicht, dafür steht zu viel auf dem Spiel“, sagte er.

Stattdessen sollen die Tiere zwangsweise geschlachtet werden. Der Kreis Nordfriesland prüft gerade, ob das rechtlich möglich ist. Auf Stallverweigerer könnten auch hohe Schadensersatzforderungen zukommen – falls nachgewiesen werden kann, dass ihr rechtswidriges Verhalten zur Infizierung von Nachbarbeständen geführt hat.