Bergen-Belsen . Elizabeth II. betritt am Freitag zum ersten Mal ein ehemaliges Konzentrationslager. Holocaust-Überlebende zollen der 89-Jährigen höchsten Respekt.

Es ist ein kurzer Besuch, aber eine große Geste: Wenn Queen Elizabeth II. am Freitag im ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen einen Kranz niederlegt, werden das Holocaust-Überlebende und deren Nachkommen in allen Teilen der Welt verfolgen. Ehemalige Häftlinge fühlten sich geehrt, sagt Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner. Sie verstehen den Besuch des britischen Königspaars vor allem als Würdigung der mehr als 70 000 Menschen, die in dem von den Nazis eingerichteten Lager in der Lüneburger Heide an Krankheiten starben, verhungerten, erfroren, zu Tode gequält oder erschossen wurden.

Die 92-jährige Überlebende Gena Turgel, die nach der Befreiung einen britischen Soldaten geheiratet hat, verfasste einen offenen Brief an die Queen. Es habe sie zu Tränen gerührt, dass Königin Elizabeth II. und Prinz Philip Bergen-Belsen besuchen werden, schreibt die gebürtige Polin darin. Ende Mai traf Gena Turgel die Queen bei der Gartenparty im Londoner Buckingham-Palast und erzählte von ihrer Deportation nach Auschwitz, Buchenwald und Bergen-Belsen.

Bergen-Belsen wird eine Station ohne Trubel

In ihrer Rede beim Staatsbankett in Berlin am Mittwoch sagte Elizabeth II., dass ihre Cousins in diesem Jahr nach Deutschland gekommen seien, um „jüngere und schmerzlichere Jahrestage“ zu begehen. Der Herzog von Gloucester sei in Bergen-Belsen gewesen, sie selbst werde den Ort am Freitag besuchen. „Diese Besuche unterstreichen die vollständige Aussöhnung zwischen unseren Ländern“, sagte die Queen.

Während ihres rund 20-minütigen Aufenthalts in dem früheren Lager nördlich von Hannover wird die 89-jährige Königin mit Holocaust-Überlebenden und Veteranen der britischen Armee sprechen, die ungefähr in ihrem Alter sind. „Die Königin besucht Bergen-Belsen, weil dies das einzige große Konzentrationslager war, das von britischen und Commonwealth-Truppen befreit wurde“, sagt der britische Botschafter in Berlin, Simon McDonald. 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs sei es passend, dass auch Gedenken und Versöhnung im Programm der Königin ihren Platz haben.

Im Gegensatz zur Spreefahrt in Berlin oder dem Besuch in Frankfurt wird Bergen-Belsen eine Station des Deutschlandbesuchs ohne Trubel und winkende Zaungäste werden. Kein Wachturm, keine Baracke erinnert heute mehr auf dem Gelände der Gedenkstätte mitten im Wald an den Ort des Grauens zwischen 1940 und 1945. Jedoch ist der Tod allgegenwärtig. Unter der Grünfläche mit einzelnen Kiefern und Birken liegen die Massengräber. „Hier ruhen 1000 Tote“ steht auf einem Gedenkstein, „Hier ruhen 2500 Tote“ auf einem anderen. Ein Grabmal erinnert an die Jüdin Anne Frank, die als 15-Jährige in Bergen-Belsen starb und nach der Veröffentlichung ihrer Tagebücher aus dem Amsterdamer Versteck posthum weltbekannt wurde.

In Großbritannien gilt Bergen-Belsen als das Symbol für den Holocaust

Zur Gedenkfeier anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung waren Ende April knapp 100 ehemalige Lagerinsassen nach Bergen-Belsen gereist. Sie durchlebten hier die Hölle, die Rückkehr ist belastend. Jedoch fühlen sie sich verpflichtet, am authentischen Ort Zeugnis abzulegen. Auch britische Soldaten und Veteranen waren unter den etwa 1000 Gästen der Gedenkfeier.

In Großbritannien gilt Bergen-Belsen stärker als in anderen Ländern als das Symbol für den Holocaust, beobachtet Gedenkstättenleiter Wagner. Die schockierenden Filmaufnahmen, welche die Briten nach der Befreiung machten, prägten das kollektive Bewusstsein im Vereinten Königreich. Zu sehen sind Berge von Leichen neben ausgemergelten Häftlingen, die wie lebende Tote wirken. Auch Prinzessin Elizabeth wird die Bilder des Grauens als junge Frau gesehen haben, bevor sie 1952 den Thron bestieg. (dpa)