Bassum. Das Mittagessen in der Schulkantine ist aber nicht immer besonders lecker. In Bassum bekocht ein Politiker im Ruhestand die Schüler - mit Liebe und Experimentierfreude.
Irena Güttel
Ein Stück Butter schmilzt in der Pfanne. Gerd Stötzel gibt Schupfnudeln hinzu und brät diese goldbraun an. Auf der Herdplatte daneben köchelt ein orientalischer Möhreneintopf. Während der 16-jährige Tim Zwiebeln klein schneidet, holt Stötzel die nächste Pfanne aus dem Schrank. Bald klingelt es zur großen Pause in der Oberschule Bassum. Dann muss der „Schulmampf“ fertig sein.
Zur Schulkantine geht es immer der Nase nach. Schon im Flur duftet es nach gebratenen Kartoffeln und würziger Suppe - was für viele an der Schule ungewohnt ist. Jahrelang war die Schulküche ungenutzt. Seit etwa einem halben Jahr stellt sich Stötzel dort jeden Mittwoch an den Herd, damit Schüler und Lehrer wenigstens einmal in der Woche warmes Essen bekommen.
Zehn Jahre lang war Stötzel Landrat im Kreis Diepholz, zu dem auch Bassum gehört. Seit 2011 ist er im Ruhestand. An der Oberschule arbeitet er ehrenamtlich, weil er Kochen liebt. Und weil er den Schülern zeigen will, dass Essen nicht nur satt machen soll. „Sie sollen lernen, dass man Essen auch genießen kann“, sagt er. Deshalb soll möglichst für jeden Geschmack etwas dabei sein.
Im Raum nebenand decken Schüler die Tische
An diesem Mittwoch stehen vier Gerichte zur Auswahl. Erst kurz vor der Mittagspause kommen sie frisch aus der Pfanne aufs Büfett. Das ist Stötzel wichtig. Denn Essen, das lange warm gehalten wird, findet er unappetitlich. Im Raum nebenan falten Schüler Servietten und decken die Tische. Auch in der Küche helfen einige von ihnen mit. Die zwölfjährige Michelle rührt in der Pfanne, probiert Bananenmilch, schmeckt Soße ab und überredet Stötzel, einen Nudelsalat statt der Nudel-Lachs-Pfanne zu machen, weil sie den lieber mag.
An vielen anderen Schulen wäre das wohl undenkbar. „Die Wünsche der Schüler werden viel zu wenig berücksichtigt“, sagt Prof. Ulrike Arens-Azevêdo von der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Die Ernährungswissenschaftlerin hat für eine Studie im Auftrag des Bundesernährungsministeriums fast 13 000 Schüler zum Schulessen befragt. Die vollständige Auswertung soll in Kürze vorliegen. Demnach schmeckt es den Schülern in der Mensa nur mittelmäßig. Viele beklagen, dass es dort ungemütlich und laut sei - keine Atmosphäre, in der man in Ruhe genießen kann.
Vietnamesisch und afrikanisch: Stötzel kocht gern exotisch
Jeden Tag frisches Gemüse und nicht zu viel Fleisch sollten nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung auf den Schulspeiseplänen stehen. Standard ist das der Studie zufolge jedoch noch lange nicht an allen Schulen. Auch mehr Kreativität und Experimentierfreude würden dem Essen nach Ansicht von Arens-Azevêdo gut tun. „In fast allen Schulen ist Multikulti Alltag, aber auf den Speiseplänen stehen urdeutsche Gerichte.“
Vietnamesisch, Afrikanisch, Ingwer, Kokosmilch - Stötzel testet beim „Schulmampf“ gerne ungewohnte Gerichte und Zutaten. Aber immer ist auch etwas dabei, das die Schüler definitiv mögen. Probieren darf jeder alles. Schuldirektor Cord Mysegaes gefällt das Konzept so gut, dass er es ausbauen will. Bisher bringen sich diejenigen der 540 Schüler, die das freiwillige Ganztagsangebot nutzen, Brote von Zuhause mit, holen sich Snacks beim Schulkiosk oder essen in der nahe gelegenen Fast-Food-Kette. Geht es nach Mysegaes, sollen sie bald mehrmals pro Woche warmes Essen aus der Schulküche bekommen können.