Kapitäninnen und Offizierinnen sind immer noch eine Seltenheit. Samantha-Jil Hey hat die staatliche Seefahrtsschule Cuxhaven besucht.

Cuxhaven. Samantha-Jil Hey wusste schon mit 15 Jahren, was sie werden möchte: Seefrau. „Ich hab das von meinem Opa“, sagt die junge Frau. „Der war Kapitän in der Hochseefischerei.“ Die 27-Jährige hat ihren Traum verwirklicht. Sie hat die Staatliche Seefahrtsschule Cuxhaven besucht, ist auf großen Containerschiffen und kleinen Frachtschiffen gefahren. Demnächst arbeitet sie als Nautische Offizierin auf einem Fahrgastschiff. Hey ist damit eine der wenigen Frauen, die zur See fahren. „An Bord ist kein Tag wie der andere, es ist immer spannend.“

Egal, auf welchem Schiff sie bislang beschäftigt war, Samantha-Jil Hey war immer die einzige Frau an Bord. Die Reaktionen der männlichen Kollegen, die meist aus Russland, der Ukraine, Rumänien oder von den Philippinen kommen, waren ganz unterschiedlich. „Manche gucken erst mal irritiert“, sagt Hey. Einige Decksmänner hatten Probleme, ihre Befehle zu akzeptieren. „Man kriegt viel Gegenwind als Frau.“ Doch mit ihrer zupackenden Art konnte sie noch fast alle Kollegen von sich überzeugen. „Wenn es was gibt, wo man sich dreckig macht, dann mache ich das“, sagt sie und lacht.

Der Dekan des Fachbereichs Seefahrt der Jade Hochschule in Elsfleth, Klaus-Jürgen Windeck, weiß um die Probleme an Bord. Auf Seeschiffen herrsche eine starke Hierarchie. Kapitäne und Offiziere dürften da keine Unsicherheiten zeigen. „Und als Frau erst recht nicht“, sagt Windeck.

Doch noch fahren nicht alle Absolventinnen zur See

Erst seit den 1970er-Jahren nehmen Frauen vereinzelt Führungspositionen auf Schiffen ein. Seit zehn Jahren steigt nach Angaben des Verbands Deutscher Reeder der Frauenanteil an den Neueinsteigern kontinuierlich – wenn auch auf geringem Niveau: Von den im vorigen Jahr 5226 bei der Knappschaft-Bahn-See beschäftigten Kapitänen und Offizieren auf Schiffen unter deutscher Flagge waren 148 weiblich – das sind weniger als drei Prozent. An deutschen Seefahrtsschulen werden inzwischen so viele junge Frauen ausgebildet wie noch nie zuvor. „Wir haben unter den Nautik-Studierenden einen Anteil von über 15 Prozent Frauen“, sagt Windeck.

Doch nicht alle Absolventinnen fahren auch zur See. Spätestens, wenn Kinder da sind, sind für viele mehrmonatige Fahrzeiten unakzeptabel. „Es gibt welche, die das machen“, sagt Maria Esser vom Berufsverband „Frauen zur See“. Die benötigten einen Partner, der das mittrage, oder ein Betreuungsnetzwerk. Doch viele entschieden sich dann für einen Job an Land. „Wenn von den Reedereien an den langen Fahrtzeiten von drei bis sieben Monaten am Stück festgehalten wird, wird es auch weiter nicht viele Frauen in der Seefahrt geben“, sagt Maria Esser, die selbst bei der Wasserschutzpolizei arbeitet.

Es besteht durchaus die Gefahr von sexueller Belästigung

Die langen Fahrtzeiten können auch aus einem anderen Grund für Frauen zum Problem werden. „Viele Männer sind schon mehrere Monate weit weg von ihrem heimischen sozialen Umfeld“, so Esser. Wenn eine Frau an Bord komme, bestehe durchaus die Gefahr der sexuellen Belästigung. „Uns haben Frauen schon von gestohlener Unterwäsche erzählt oder von einem nackten Mann, der bei ihnen plötzlich im Bett lag.“ Um solche Situationen nicht zu provozieren, hat der Berufsverband den Leitfaden „Was erwartet mich an Bord?“ herausgegeben. Unter anderem wird geraten: „Ziehe dich arbeitsbezogen praktisch an und verzichte auf modischen Aufwand.“

Für Samantha-Jil Hey ist das selbstverständlich. Sprüche muss sie sich trotzdem anhören. „Wenn man damit nicht umgehen kann, darf man nicht an Bord gehen“, sagt sie. Der Umgang mit den männlichen Kollegen ist somit auch nicht der Grund, dass sie in ihrer Karriere eine neue Richtung einschlägt. Es sind private Gründe: Als sie nach acht Monaten auf dem Containerschiff nach Hause kam, erkannte ihre kleine Schwester sie nicht mehr – sie war erst ein Jahr, als Hey abgereist war. Das machte ihr schwer zu schaffen.

Zuletzt fuhr sie fast zwei Jahre in der Nord- und Ostsee auf einem Frachtschiff. „Da war ich drei bis vier Monate am Stück im Einsatz“. Sie habe in der Zeit viele Freunde verloren. Ihre Mutter ihre vier jüngeren Geschwister und ihren Freund vermisste sie. Deshalb wechselt sie jetzt auf ein Passagierschiff und pendelt zunächst zwischen Cuxhaven und Neuwerk. „Das wird eine große Umstellung.“