Rund 30 Gefangene der Justizvollzugsanstalt Rosdorf bei Göttingen nehmen beim „Anstaltsmarathon“ die 42,195 Kilometer am Sonnabend auf einem kleinen Rundkurs innerhalb der Gefängnismauern in Angriff.

Rosdorf. Auf der einen Seite sechseinhalb Meter hohe Betonmauern und Stacheldraht, auf der anderen Gebäude mit vergitterten Fenstern. Dazwischen die Laufstrecke. Wer die volle Distanz absolvieren will, muss gut 35 Runden laufen: In Niedersachsens neuestem und modernstem Gefängnis in Rosdorf bei Göttingen ist „Knastmarathon“.

Rund 30 Gefangene bereiten sich auf den Start vor, dazu etwa 40 Männer und Frauen von „draußen“, Sportler aus Vereinen, mit denen die Justizvollzugsanstalt kooperiert. Marathonläufe gab es auch schon in anderen Gefängnissen.

Sport als Weg „zurück auf die gerade Bahn“

Andreas ist aufgeregt. Der 39-Jährige, der wegen Raubes vier Jahre Freiheitsstrafe verbüßt, hat für den Lauf lange trainiert. Zwei- bis dreimal pro Woche ist er mit der Laufgruppe der JVA auf dem anstaltseigenen Sportplatz unterwegs. Früher habe er nie Sport gemacht, sagt Andreas. Spielsüchtig sei er gewesen, 20 Jahre lang. Weil er Geld brauchte, habe er dann Raubdelikte begangen. „Durch das Laufen bin ich ein anderer geworden“, sagt der 39-Jährige. Er fühle sich ausgeglichener. „Sport ist ein Weg für mich, um wieder auf die gerade Bahn zu kommen.“

Auch er habe Freude am Laufen gefunden, sagte ein 100-Kilo-Mann, der für Drogen- und Eigentumsdelikte zu mehreren Jahren Haft verurteilt wurde. „Beim Laufen kann ich gut über mich nachdenken.“ Die volle Marathon-Distanz von 42,195 Kilometern traut der 43-Jährige sich allerdings trotz Trainings nicht zu. „Die vielen Muskeln sind zu schwer.“ Mit anderen Gefangenen, die auch eher wie Kraftsportler aussehen, bildet er ein Team beim Staffelmarathon über viermal 10,5 Kilometer.

In einer Marathon-Staffel zusammen mit Gefangenen tritt auch JVA-Chefin Regina Weichert-Pleuger an, eine „begeisterte Hobby-Läuferin“. Dass immer mehr Gefangene Freude an dieser Sportart finden, sei wirklich gut. „Sich aufzuraffen, sich Ziele zu setzen, sich zu überwinden, wenn es schwer fällt, das können Gefangene beim Laufen lernen“, sagt Weichert-Pleuger.

Mitarbeiter rechnen nicht mit Fluchtversuchen

Um den 1200 Meter langen Rundkurs innerhalb der JVA-Mauern zu ermöglichen, sind an diesem Tag vier interne Tore geöffnet, die sonst verschlossen sind. Dass Gefangene deshalb versuchen könnten zu fliehen, halte er allerdings für ausgeschlossen, sagt ein JVA-Mitarbeiter. Überall sind zusätzliche Beamte postiert. Die Häftlinge, die nicht am Lauf teilnehmen, sind zur Sicherheit auf ihren Stationen geblieben. Sie feuern durch die Fenster an.

Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) lobt die Veranstaltung: „Ich finde es toll, wenn in den Knastalltag durch Veranstaltungen wie beispielsweise einen Marathonlauf Abwechslung kommt“. Das tue den Insassen gut und auch den Bediensteten.

In der JVA Göttingen hatte es erstmals 2010 einen „Knastmarathon“ gegeben. Auch in den Justizvollzugsanstalten Oldenburg und Wolfenbüttel gab es schon wiederholt ähnliche Veranstaltungen, sehr zur Freude der niedersächsischen Justizministerin. „Marathon ist eine hervorragende Sportart, bei der die Insassen von Gefängnissen Frust und Aggressionen loswerden können, die sonst möglicherweise in Auseinandersetzungen münden könnten“, sagt Niewisch-Lennartz.

Das Training sei für die Gefangenen während des Vollzuges eine sinnvolle Beschäftigung, meint die Ministerin. Dabei gehe es auch um den eigenen Willen, die eigene Stärke und Durchhaltevermögen. „All das ist ein hervorragendes Rüstzeug für die Zeit nach der Entlassung.“ Andreas will weiter laufen, wenn er demnächst in die Freiheit kommt.