Mitgliederschwund in den Reitvereinen, weniger Reitturniere, 30 Prozent Rückgang in der Zucht. An den Universitäten in Osnabrück und Göttingen werden jetzt Pferde-Studiengänge angeboten.

Hannover. Das Pferdeland Niedersachsen hat ein Nachwuchsproblem: Die Zuchtzahlen gehen seit Jahren zurück, und die Mitglieder in den Reitvereinen werden weniger. Selbst Reitturniere gebe es weniger, weil ehrenamtliche Helfer fehlten, berichtet der Geschäftsführer der Pferdeland Niedersachsen Gmbh, Enno Hempel. Dabei ist die Begeisterung am Reiten selber ungebrochen. Zudem ist das Pferd ein Wirtschaftsfaktor – nicht nur wegen seiner touristischen Bedeutung. An den Hochschulen in Osnabrück und Göttingen locken Pferde-Studiengänge.

„In der Zucht haben wir in den letzten fünf, sechs Jahren einen Rückgang von 30 Prozent“, sagt Hempel. Grund sei vor allem der Strukturwandel in der Landwirtschaft. Die Zahl der kleineren und mittelgroßen Höfe, bei denen die Pferdezucht früher dazu gehörte, sinke.

Wie der Landesbauernverband in seiner jüngsten Statistik aufführt, ging auch die Zahl der Bedeckungen in Niedersachsen bei den Zuchtverbänden der Hannoveraner und Oldenburger im vergangenen Jahr um rund 1000 auf 14.032 zurück. Mit gut 26.000 Tieren stellten die niedersächsischen Verbände deutschlandweit knapp die Hälfte der Warmblutstuten, die im Vorjahr 12.741 Fohlen zur Welt brachten.

Mit dem Hannoveraner hat Niedersachsen eine Rasse von Weltrang

Den Reitvereinen wiederum machten andere Sportarten Konkurrenz, berichtet Hempel. Außerdem hätten Jugendliche heute oft weniger Zeit. Die Mitgliedschaft im Reitverein sei früher gerade auf dem Lande selbstverständlich gewesen, meint Hempel. Viele, die sich heutzutage in den Sattel schwingen, gehörten aber keinem Verein mehr an. 136.184 Mitglieder zählten die 1148 Vereine 2012. Anders als im Freizeitbereich sei die Zahl der Reitsporttreibenden aber nicht gesunken. Dafür gebe es weniger Turniere, weil Helfer fehlten.

Mit dem Hannoveraner hat Niedersachsen eine Rasse von Weltrang, in 37 Länder werden die Tiere verkauft, weiß Hempel. Große Märkte seien die USA, der angelsachsische Raum und Osteuropa, Wachstumspotenzial hätten Ostasien und die südeuropäischen Länder. 100.000 bis 200.000 Euro werden für ein ausgebildetes Springpferd gezahlt.

Nicht nur bei derart teuren Pferden kommt es zu Rechtsstreitereien, wenn das Pferd die vom einen Tierarzt beim Verkauf attestierten Qualitäten doch nicht besitzt, berichtet der Präsident des Oberlandesgerichts Celle, Peter Götz von Olenhusen. Er leitet den sogenannten Pferdesenat, der im vergangenen Jahr rund 60 Mal in Streitfällen rund ums Pferd urteilen musste. Bei fehlerhafter Behandlung haftet der Arzt, beim Handel mit einem chronisch kranken Tier der Verkäufer und wenn ein Umstehender von einem Pferd getreten wird der Halter. „Es gibt mehr Streitigkeiten“, weiß der Präsident.

Das Interesse an dem Studium ist groß

Für Tierärzte seien Auftragsuntersuchungen samt Röntgenbildern vor einem Verkauf zu einem wachsenden Betätigungsfeld geworden. Wenn das Pferd aber nicht halte, was die vom Verkäufer vorgelegte Expertise verspreche, sei es für den Käufer rechtlich schwierig, den Tierarzt in Haftung zu nehmen. Das Gericht rät Pferdekäufern daher, neben einem mehrmaligen Probereiten selber 300 bis 400 Euro für das Gutachten eines Tierarztes zu bezahlen.

Studieren rund ums Pferd ist in Osnabrück und Göttingen möglich. „Das ist ein Wirtschaftsfaktor mit Millionenumsatz“, weiß Prof. Harald Grygo von der Fachhochschule Osnabrück. Die angehenden Agraringenieure können sich an der Hochschule im Pferdemanagement spezialisieren. Arbeit wartet auf Gestüten, bei Ausrüstern, der Futtermittelindustrie, Versicherungen, bei Auktionen oder im Export. Selbst für das Anlegen von Reitplätzen sind Experten gefragt. Das Interesse an dem Studium ist groß, obwohl ein Praxisjahr Voraussetzung ist und es einen Numerus Clausus gibt.