Die Flüchtlinge sollen am Nachmittag mit einem Sonderflug in Hannover eintreffen. Bundesinnenminister Friedrich (CSU) begrüßt sie mit seinem niedersächsischen Amtskollegen Boris Pistorius (SPD).

Hannover/Berlin. In Hannover landen heute die ersten der 5000 syrischen Flüchtlinge, die Deutschland mit einem Sonderprogramm aus der Krisenregion holen will. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wird die 107 Menschen gemeinsam mit seinem niedersächsischen Amtskollegen, Boris Pistorius (SPD), auf dem Flughafen begrüßen. Die Flüchtlinge treffen mit einem Sonderflug aus Beirut ein. Sie haben bereits viele Monate in Lagern im Libanon verbracht.

Eine Sprecherin der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sagte in der libanesischen Hauptstadt Beirut, an Bord der Maschine seien 69 Erwachsene und 38 Kinder. Unter ihnen sind nach Angaben der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) auch Folteropfer. „Dieser Schritt wird etwas von dem Druck wegnehmen, dem der Libanon momentan durch den immensen Zustrom von Flüchtlingen aus Syrien ausgesetzt ist“, sagte Dana Suleiman, UNHCR-Sprecherin in Beirut.

Im Libanon halten sich bereits etwa 730.000 Menschen aus dem Bürgerkriegsland auf. Anders als in der Türkei, wo auch schon mehr als 400.000 syrische Flüchtlinge leben, gibt es für die Syrer im Libanon kaum Unterstützung.

Nach der Ankunft in Hannover geht es für die Syrer noch am Nachmittag per Bus in das Durchgangslager Friedland bei Göttingen, wo sie während zwei Wochen erste Kenntnisse über Sprache und Land vermittelt bekommen. Danach werden sie auf die Bundesländer verteilt. Friedland war bereits erste Anlaufstation für etliche tausend syrische Flüchtlinge, die auf eigene Faust als Asylbewerber nach Deutschland gekommen sind.

Die Bundesregierung hatte sich im Frühjahr entschieden, 5000 Flüchtlinge aus Syrien in einem Sonderprogramm nach Deutschland zu holen. Sie müssen keinen Asylantrag stellen, sondern bekommen direkt eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst zwei Jahre und dürfen auch sofort arbeiten.

Wer von den Flüchtlingen nach Deutschland kommen darf, haben das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) oder die Caritas im Libanon entschieden. Insbesondere humanitäre Kriterien sowie familiäre Beziehungen nach Deutschland spielen bei der Auswahl eine Rolle.

Pro Asyl: Aufnahme von 5000 Syrern reicht bei weitem nicht

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hält die Aufnahme von 5000 syrischen Flüchtlingen in Deutschland für völlig unzureichend. „5000 – das ist gemessen an der Katastrophe in Syrien wenig mehr als eine Geste“, sagte der Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. „Wenn man die Region entlasten will, muss Deutschland in Europa mit einer viel größeren Zahl vorangehen.“ Im Kosovo-Krieg etwa habe Deutschland 15.000 bis 20.000 Flüchtlinge aufgenommen, in der Bosnien-Krise sogar 300.000.

Auch Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin verlangte von der Bundesregierung, deutlich mehr Syrien-Flüchtlinge aufzunehmen. „Als erstes sollte Deutschland allen hier lebenden Syrern erlauben, ihre Verwandten nach Deutschland zu holen. Damit könnten schon einmal 50.000 kommen“, sagte Trittin der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). Dies könne aber nur ein erster Schritt sein: „Als größtes Land in der Europäischen Union sind wir verpflichtet, die meisten Flüchtlinge aufzunehmen.“

Die Bundesregierung hatte sich im Frühjahr bereiterklärt, 5000 Flüchtlinge in einem Sonderprogramm nach Deutschland zu holen. Am Mittwochnachmittag landen in Hannover die ersten von ihnen, die der Bund per Charterflug holt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wird die rund 110 Menschen gemeinsam mit seinem niedersächsischen Amtskollegen Boris Pistorius (SPD) begrüßen. Burkhardt sagte, dies sei ein „bemerkenswertes Signal“ von Friedrich und Pistorius. Aber weitere politische Schritte müssten folgen.

Pistorius, der auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist, will die Aufnahme weiterer Flüchtlinge beschleunigen. Er sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Sollte die Aufnahme weiterer Flüchtlinge zu lange dauern, müssen die Aufnahmekriterien und das Verfahren schnellstens überprüft werden. Wir müssen im Auge behalten, dass keiner der Schutzsuchenden durch bürokratische Hindernisse ausgeschlossen wird.“

Pistorius warnte vor einer zu starren Quote. „Ein Festlegen auf Zahlen oder Quoten wäre jetzt das falsche Signal.“ Angesichts von mehr als zwei Millionen Menschen auf der Flucht gehe es um die größte humanitäre Katastrophe des jungen 21. Jahrhunderts. „Wir können und werden Verantwortung übernehmen und hoffen, dass diesem Beispiel auch andere Länder in Europa folgen, denn die Flüchtlinge dürfen bei uns nicht vor verschlossenen Türen stehen.“

Die Bundesländer haben die Möglichkeit, über das deutsche Gesamtkontingent von 5000 Menschen hinaus weitere Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Dazu hätten sich bislang zwar viele Länder bereiterklärt – darunter Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, wie Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt sagte. In manchen Ländern wie Bayern gelte das Angebot aber nur für Einzelfälle. In anderen Ländern müssten sich bereits in Deutschland lebende Angehörige verpflichten, für den Unterhalt ihrer Verwandten aus Syrien aufzukommen. Dies sei eine große Hürde. „Es darf nicht nur einen Familiennachzug für Reiche geben“, mahnte er. Bund und Länder müssten deutlich mehr tun.