Razzien, Vereinsverbot, blockierte Webseiten: Den Neonazis weht ein rauer Wind entgegen. Dennoch gehen Propaganda und Hetze weiter.
Hannover. Die rechtsextreme Gefahr in Niedersachsen ist noch nicht gebannt: Zwar hat sich die Aufregung ein Jahr nach der Festnahme des inzwischen von der Bundesanwaltschaft angeklagten NSU-Terrorhelfers bei Hannover gelegt – wohl auch, weil weitere Taten im Norden nicht geplant waren. Allerdings laufen Propaganda und die Bedrohung von Gegnern durch Neonazis im Internet unvermindert weiter. Und dies obwohl die Behörden mit dem Verbot von „Besseres Hannover“ der aktivsten Neonazi-Gruppe im Land einen Riegel vorschoben.
Manche wollen die Gruppe inzwischen im Internet unter neuem Namen ausgemacht haben. Dort halten sie sie für eine Drohkampagne verantwortlich, die nach einem Pastor und einer Landtagsabgeordneten auch Niedersachsens Integrationsministerin Aygül Özkan und Innenminister Uwe Schünemann (beide CDU) als „Superverbrecher des Nordens“ ins Visier genommen hat.
Wegen einer Drohmail gegen die Ministerin wird bereits gegen einen Hauptverantwortlichen von „Besseres Hannover“ ermittelt. Sie wolle ihre Aktivitäten fortsetzen, hatte die Gruppe trotzig nach der Polizeirazzia am Tag des Verbots Ende September getönt.
Fast einhellig werten Experten das Vorgehen der Behörden aber als Erfolg. „Das war ein wirklicher Schlag gegen die Szene“, meint Pfarrer Klaus Burckardt von der Initiative gegen Rechtsextremismus der hannoverschen Landeskirche. „Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, die sind erstmal abgetaucht. Aber die formieren sich neu.“ Da müsse man sich keine Illusionen machen. „Kleine Aktionsgruppen wird es immer geben, und ein punktuell geballtes Auftreten.“
Was Wirkung zeige, sei die gesellschaftliche Ächtung von Rechtsextremen – diese müssten zunehmend Angst um ihren Arbeitsplatz, die Beziehung zu ihrem Partner und soziale Anerkennung haben. „Es gibt weiter Aussteiger“, so Burckardt. Mit Andreas Molau, dem Ex-NPD-Spitzenkandidaten in Niedersachsen, kehrte im Sommer auch ein führender Kopf der Szene den Rücken zu.
„Meine Beobachtung ist, das geht in unveränderter Stärke weiter“, sagt Pastor Wilfried Manneke vom Netzwerk gegen Rechtsextremismus in der Südheide. Seit langem engagiert er sich gegen rechts, vor einem knappen Jahr kam es zu einem bis heute nicht aufgeklärten Brandanschlag auf sein Privathaus. Er ist eines der fünf allesamt niedersächsischen Opfer der Internet-Hetze auf dem Neonazi-Portal Altermedia. „Ich frage mich auch, ob „Besseres Hannover„ dahintersteckt?“ Die rechte Hetze halte er für sehr gefährlich, meint Mannecke. „Es gibt unter den Rechtsradikalen auch Durchgeknallte, Einzeltäter, die sich zu etwas hinreißen lassen.“
„Es wird erstmal der Ball flach gehalten, aber der Kern der Gruppe wird in einer anderen Verkleidung wiederkommen“, meint Reinhard Koch von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus in Braunschweig. Das Verbot habe für die Rechten eher eine statusfördernde Wirkung. Der Staat habe sich getroffen gefühlt und sich nicht anders als mit einem Verbot zu helfen gewusst, laute die rechte Denke. „Das hat dann Wirkung, wenn den handelnden Akteuren auch Gefängnis droht.“ Dies könnte nach Abschluss der laufenden Ermittlungen der Fall sein.
Nicht nur von Seiten der Justiz aber weht den Rechten in Niedersachsen inzwischen ein rauer Wind entgegen. Auch bei den Kommunen werde deutlicher als noch vor wenigen Jahren auf rechtsextreme Tendenzen reagiert, erklärt Gerhard Bücker vom Landespräventionsrat Niedersachsen. „Kommunen neigen nicht mehr dazu, das unter den Teppich zu kehren, sondern gehen offensiv damit um.“ Auch Vereine und Verbände seien aufmerksam geworden.
Und auf dem Land – in der Heide etwa, wo die Rechten lokale Schwerpunkte haben – kämpften Initiativen um einzelne junge Menschen. Gerate ein Jugendlicher in die rechte Szene, werde Kontakt zu Eltern und Schule aufgenommen, meinte Mannecke. „Da haben wir auch welche aus der Szene wieder rausgeholt.“
Keine große Bühne werden die Rechtsextremen unterdes bei der anstehenden Landtagswahl in Niedersachsen haben. Die NPD leidet nach Einschätzung des Verfassungsschutzes unter Auflösungserscheinungen, es zeichne sich aber als mögliches neues Sammelbecken die Gründung eines Landesverbandes der neuen Partei Die Rechte ab. Ob diese versuche, eine Dach für neonazistische Kameradschaften zu bilden, werde die Behörde „sehr genau beobachten“.