Die Abstimmung über Versicherungs-Versteuerung könnte für Christian Wulff nun ein Nachspiel haben. Verstoß gegen Ministergesetz.

Hannover. Neuer Ärger für Ex-Bundespräsident Christian Wulff: 2007 hat Niedersachsen im Bundesrat gegen einen Beschluss des eigenen Landeskabinetts um den damaligen CDU-Ministerpräsidenten gestimmt. Dies teilte Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) am Freitag im Landtag in Hannover mit. Die Unterlagen seien ihm am Tag zuvor vorgelegt worden. Bei der Abstimmung am 21. September ging es um einen Antrag aus Bayern gegen die Einführung einer Steuerpflicht für Kautionsversicherungen. Zweck dieser ist die Absicherung der vertragsgemäßen Durchführung und Erfüllung größerer Projekte – etwa in der Baubranche.

+++ Kreditaffäre um Bundespräsidenten +++

Was auf den ersten Blick nicht sonderlich dramatisch klingt, ist für die Opposition im Landtag ein Skandal. Denn abgesehen von der bis heute unbegründeten Abweichung von der Kabinettsvorlage sieht sie darin einen Beweis, dass Wulff gegen das Ministergesetz verstoßen hat. Und damit nicht genug – zusätzliche Brisanz bekommt der Fall, weil Wulff wenige Monate nach der Abstimmung mit seiner Frau Bettina ausgerechnet im italienischen Domizil von Hannover Rück Chef Wolf-Dieter Baumgartels Flitterwochen verbracht haben soll. Der Besuch hatte bereits im Zuge der Kredit-Affäre um Wulffs Eigenheim in Großburgwedel bei Hannover für Schlagzeilen gesorgt.

SPD, Grüne und Linke stützen ihre Kritik auf zwei Schreiben, welche der damalige Vorstandschef der Hannover Rück, Wilhelm Zeller, unmittelbar vor der Bundesratssitzung an Wulff und Möllring geschickt hatte. „Ich wäre ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich hier zugunsten der niedersächsischen (Rück)-Versicherungswirtschaft verwenden könnten“, heißt es in dem Brief, welcher der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Er bitte um eine „zweckdienliche“ Unterstützung, ansonsten würden deutsche Rückversicherer gegenüber ausländischen Konkurrenten „ungerechtfertigt benachteiligt“.

Für SPD, Grüne und Linke steht deshalb fest: Niedersachsens Bundesratsdelegierte setzten sich am Ende im Auftrag Wulffs über den Beschluss des eigenen Landeskabinetts hinweg. Dieser habe seinem Freund, dem heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden des Rückversicherers und damaligen Vorstandschef der Hannover Rück, Baumgartl, einen Gefallen erweisen wollen. Dies ist nach dem Ministergesetz verboten. Wulff selbst soll laut Möllring bei der Abstimmung im Übrigen gar nicht persönlich im Bundesrat gewesen sein. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und Ex-Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) hatten in der Länderkammer abgestimmt.

„Wir gehen fest davon aus, dass es sich um einen strafrechtlich relevanten Vorgang handelt und dass sich auch die Staatsanwaltschaft für die Unterlagen interessieren wird“, sagte SPD-Fraktionschef Stefan Schostok. Die Landesregierung sei eine „Marionette der Versicherungswirtschaft“ gewesen, sagte Linken-Fraktionschefin Kreszentia Flauger. „Wir verlangen Aufklärung und alle Unterlagen“, betonte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel.

+++ Lauter Protest bei Wulff-Abschied +++

FDP und CDU reagierten eher kleinlaut und warfen der Opposition eine überflüssige Skandalisierung vor. Immerhin habe seinerzeit der Versicherungsstandort Hannover vom Engagement der Landesregierung profitiert, sagte Jens Nacke (CDU).

Wie in der Vergangenheit schwieg auch Wulffs Nachfolger in der Staatskanzlei, David McAllister (CDU), im Plenum zu dem Fall. Einmal mehr musste Möllring sich den vielen Fragen der Opposition stellen. Einzig Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) fand gegenüber der dpa klarere Worte: „Politik darf nicht käuflich sein, nicht einmal der Anschein darf aufkommen.“ Jedoch könne die Landesregierung die offenen Fragen gar nicht beantworten. „Das kann nur Christian Wulff.“

(dpa)