Hamburg/Zarrentin. Streit um vermeintliche Bespitzelung und Polizeikontrollen bei Zweitwohnungs-Besitzern spitzt sich zu. Beobachtungen aus Zarrentin.
Wer jetzt noch in einem Auto mit Hamburger Kennzeichen in Mecklenburg unterwegs ist, sollte auf Unannehmlichkeiten vorbereitet sein: Pöbeleien an der Tankstelle, Kontrollen durch die Polizei. Allein schon das Nummernschild stellt den Fahrer unter den Generalverdacht, sich unrechtmäßig in der Region aufzuhalten und sich der Anweisung der Landeregierung an Touristen und Zweitwohnungsbesitzer zu widersetzen, das Land umgehend zu verlassen.
In einem kleinen Dorf am Ostufer des Schaalsees, in dem viele Hamburger eine Zweitwohnung haben, war am Mittwoch erneut die Polizei unterwegs. Fünf Tage zuvor hatten Beamte mehrere der Bewohner aufgefordert, Mecklenburg binnen drei Stunden zu verlassen.
Coronavirus: Kontaktverbot und ausgesperrt
Nun beginnen Betroffene, sich zu wehren – und zahlen keine Zweitwohnungsteuer mehr. Einer, der das so hält ist der ehemalige Hamburger Stadtentwicklungssenator (2007 – 2011) Willfried Maier (Grüne). „Solange wir ausgesperrt werden, zahlen wir selbstverständlich auch keine Steuer“, teilte der Ex-Senator der Stadtverwaltung von Zarrentin am Schaalsee per Mail mit. Zugleich widerrief er die Abbuchungsermächtigung für die Gemeindesteuer.
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Maier und seine Frau Eva Hubert, die ehemalige Chefin der Hamburger Filmförderung, haben bereits seit fast 15 Jahren eine Wohnung in einem zu Zarrentin gehörenden Dorf gemietet. Noch bevor die Landesregierung in Schwerin Mitte März beschloss, dass Zweitwohnungsbesitzer nur unter bestimmten Bedingungen bleiben dürfen, reiste das Ehepaar zurück nach Hamburg. Nun dürfen sie nicht wieder an den Schaalsee.
Coronakrise: Interaktive Karte
Hamburger Ex-Senator Maier über die Allgemeinverordnung
Dafür hat Maier sogar Verständnis. „Aus meiner Sicht spricht nichts gegen ein Tourismusverbot, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.“ Auch, dass die meisten Zweitwohnungsbesitzer nun nicht mehr nach Mecklenburg dürfen, sei in Ordnung. „Aber wie in Schleswig-Holstein, sollten die Leute, die da sind, auch bleiben dürfen“, sagt Maier. Anders als das Nachbarland hat Mecklenburg-Vorpommern seine Allgemeinverfügung beim Thema Zweitwohnungen noch nicht entsprechend angepasst.
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Auch Helga H. will nun die Zweitwohnsteuer kürzen. Die 78-Jährige hat seit 20 Jahren ein Haus in einem anderen kleinen Ort bei Zarrentin. Ihr Versuch, in der Stadt kurzfristig einen Hauptwohnsitz anzumelden, wurde abgelehnt. Ein Einspruch gegen die Anweisung, das Land zu verlassen, blieb erfolglos. Nun ist sie wieder in Hamburg und sagt: „Ich werde die Abbuchungsermächtigung widerrufen und die Zweitwohnungsteuer monatsweise kürzen.“ Das Vorgehen des Landes und der Stadt sei „völlig unagemessen“, findet sie. „Mecklenburger dürfen weiterhin nach Hamburg fahren, um Blümchen zu kaufen und tun das auch. Gleichzeitig werden Menschen rausgeschmissen, die schon seit Wochen in ihrem Haus waren.“
Die Steuer zu reduzieren, planen offenbar auch weitere Betroffene. Es gebe „ein paar mündliche Anfragen und Ankündigungen“ mit diesem Ziel, erklärte Zarrentins Leitende Verwaltungsbeamtin Jutta Piontek auf Abendblatt-Anfrage. Nach ihren Angaben gibt es in der Stadt etwa 60 Zweitwohnungen für die die entsprechende Steuer gezahlt werde. Etwa die Hälfte der Besitzer seien Hamburger. „Keine konkreten Erkenntnisse“, so Piontek, habe die Stadt, wie viele der Wohnungen derzeit genutzt würden. Seit einer Anhebung im vergangenen Jahr nimmt Zarrentin etwa 38.000 Euro pro Jahr aus der Steuer ein – das sind etwa zwei Prozent ihrer gesamten Einnahmen.
Zarrentin: Der Bürgermeister reagiert
Ex-Senator Maier hat aus dem Rathaus einstweilen die Mitteilung erhalten, die Abbuchungsermächtigung sei gelöscht worden. Die Chancen, dass er und andere aus Mecklenburg verbannte Zweitwohnungsbesitzer in diesem Jahr weniger Steuer zahlen müssen stehen gut. Verwaltungschefin Piontek erklärt: „Für eine Veranlagung über das gesamte Jahr muss auch die Möglichkeit bestanden haben, die Zweitwohnung das ganze Jahr zu nutzen. Wenn die Nutzungsmöglichkeit ausgeschlossen wird, kann die Jahressteuer auf Antrag herabgesetzt werden.“ Zarrentins Bürgermeister Klaus Draeger kündigte gegenüber dem Abendblatt an: „Die Stadtvertretung wird das Thema sicherlich auf die Tagesordnung nehmen, wenn sie wieder zusammenkommen darf.“ Draegers persönliche Meinung: „Ich bin nicht abgeneigt, auch diesen Menschen zu helfen.“