In den Gebäuden der Technischen Universität in Heimfeld versteckt sich manches Kunstwerk aus sehr unterschiedlichen Epochen. Beim Harburger Kulturtag können sie alle betrachtet werden.
Harburg Wer das Gebäude F der TU Hamburg-Harburg betritt, hat meist einen der folgenden Gründe: Entweder er will in die dort beheimatete Business School NIT und eilt durch das Foyer, oder er hat nur Augen für den Kaffee von der Campus Suite. Dabei hängt direkt über deren Verkaufstresen eine großflächige Arbeit des Konzeptkünstlers Peter Friedl. „Das weiß kaum jemand, die meisten denken es gehöre zur Campus Suite“, sagt Joachim Stieglitz, Sekretär am Institut für Massivbau.
Stieglitz ist Mitglied der 2009 gegründeten Kunstinitiative und hat es sich zur Aufgabe gemacht, etwas gegen dieses Unwissen zu tun. Insgesamt ist die TU Hamburg-Harburg im Besitz von acht bedeutenden Kunstwerken und Stieglitz bietet für Interessierte auf Anfrage einen eineinhalbstündigen Rundgang an. „Meist so fünf bis sechs Mal im Jahr“, sagt er. Im Rahmen des Harburger Kulturtags wird Stieglitz am 26. Oktober drei Sonderführungen geben. Sein persönliches Lieblingsstück ist das eingangs beschriebene Werk von Peter Friedl, das extra für die Wände des NIT-Gebäudes entstanden ist. „Ich finde die Arbeit einfach herrlich frech“, sagt Stieglitz. „Wir sind hier in der Technischen Universität, wo es darum geht Technik zu lehren, und Friedl hat den Satz ‚nobody knows science’ an die Wand geschrieben. Das ist schon eine Provokation.“
Das wohl wertvollste Kunstwerk der TU ist jedoch eine Arbeit der aus Harburg stammenden, weltbekannten Konzeptkünstlerin Hanne Darboven. Es trägt den Titel „Wende 80“ besteht aus 416 Din-A-4-Blättern, die einzeln gerahmt im dreigeschossigen Foyer des Gebäudes M hängen. Auf den Blättern dokumentierte Hanne Darboven die Zeit und die Umstände der politischen Wende im Herbst 1982 in Bildern, Worten und Chiffren und realisierte zum ersten Mal in ihrem künstlerischen Schaffen, was sie schon lange bewegte: Sie setzte Zahlenkonstruktionen in „mathematische Musik“ um. „Das ist ein schwieriges Werk“, sagt Stieglitz. „Ich bin hier früher selbst immer vorbei gelaufen und habe gedacht das wären Blätter von Doktoranten.“
Deswegen wurde das Foyer 2011 neu gestaltet. Seitdem kann man Darbovens Musik, die mehr als 20 Jahre in einem Archiv der TUHH lagerte, über Kopfhörer hören. „Ich sage immer das klingt wie Handytöne der ersten Generation“, so Stieglitz. Schließlich handelt es sich um in Musik umgewandelte Zahlenreihen. Außerdem können Besucher den Film „Der Mond ist aufgegangen“ von Hanne Darboven über ihre Heimat Harburg sehen.
Doch auch die weiteren Stationen auf dem von Stieglitz geleiteten Rundgang sind sehenswert. Zum Beispiel das Einstein Porträt des chinesischen Malers Chui Wang. Es wirkt so real, dass es eher wie eine Fotografie als wie ein Gemälde aussieht. Oder die Skulptur „Moctezuma“ von der Künstlerin Maria Pirwitz, eine Stele mit Kugel. „Bei dem Rundgang sieht man völlig unterschiedliche Werke aus verschiedenen Epochen“, so Stieglitz. „Das ist im Grunde ein schöner Querschnitt durch 100 Jahre Kunstgeschichte.“
Bis auf den Einstein und „nobody knows science“ sind die Kunstwerke übrigens alle über „Kunst am Bau“ in den Besitz der TU gelangt. Jene Initiative wurde kurz nach dem ersten Weltkrieg eingeführt wurde, um finanziell in Not geratene Künstler bei Bauprojekten der Reichs- und Länderregierungen zu beteiligen. Bis Stieglitz im Jahr 2010 erstmals eine Führung anbot, waren die Kunstschätze der TU allerdings eher in Vergessenheit geraten. „Die Führung fand im Rahmen eines Sommerfests statt“, erinnert er sich. „Da ich früher mal Kunst studiert habe, um Lehrer zu werden, hat mich Kunst sowieso immer interessiert. Von daher sah ich das als spannende Herausforderung.“ Mühselig suchte Stieglitz sich die Informationen über die Künstler und ihre entsprechenden Werke zusammen.
Theoretisch könnte man sich all diese Kunstwerke natürlich auch auf eigene Faust ansehen, zumindest zu den Öffnungszeiten der TU Hamburg-Harburg. Doch erstens entgehen einem dann die hoch spannenden Ausführungen von Stieglitz und außerdem „findet man die meisten Werke gar nicht, wenn man sich hier auf dem Gelände nicht auskennt“, sagt er. Den Harburger Kulturtag sieht Stieglitz jedes Jahr als Möglichkeit, mehr Leute auf die wertvollen Besitze der TU aufmerksam zu machen. „Wir machen ja keine Werbung dafür“, erklärt er. „Man müsste bei uns schon auf die Homepage gehen und die Kunstinitiative anklicken davon zu erfahren. Beim Kulturtag können wir die Werke einer breiteren Masse zugänglich machen.“ Ein absolut lohnendes Unterfangen – viel besser als der Kaffee in der Campus Suite.
Harburger Kulturtag am 26. Oktober 2013: TU Hamburg-Harburg, Eißendorfer Straße 42, Gebäude M, Eingangshalle. Führungen um 11, 13 und 15 Uhr. www.kunst-tuhh.de