Lüneburg wartet auf “Handlungsanleitung“ aus Berlin zur Umsetzung des Karlsruher Asylbewerber-Urteils. 200.000 Euro Kostenplus erwartet.

Lüneburg. Für Gor Sarkison endete die monatliche Auszahlung seiner "Geldleistungen nach § 3 Asylbewerbergesetz" gestern Morgen mit einer großen Enttäuschung. 134 Euro in Bar stehen dem unverheirateten 25-Jährigen ab sofort zu. Das lässt sich aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli ableiten, demzufolge der aktuelle Satz von 40,90 Euro "evident unzureichend" ist, "um das menschenwürdige Existenzminimum zu gewährleisten." Sarkison muss als Bewohner der Unterkunft für Asylbewerber am Meisterweg trotzdem warten, um ein höheres Taschengeld zur freien Verfügung zu bekommen.

Einen genauen Termin der zu erwartenden Nachzahlung hat Sarkison aus einem aktuellen Schreiben der Hansestadt Lüneburg, das der Redaktion des Hamburger Abendblatts vorliegt, nicht entnehmen können. "Sobald das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Höhe der zu gewährenden Leistungen eine Regelung getroffen hat, erhalten Sie unaufgefordert eine Neuberechnung Ihrer Leistungen", heißt es darin. Ob Gor Sarkison das höhere Taschengeld aber noch während seiner Zeit in Lüneburg bekommen wird, ist ungewiss. Nachdem sein Asylantrag abgelehnt wurde, droht ihm die Abschiebung in seine Heimat Dagestan im Nordkaukasus.

Vor zwei Jahren kam Sarkison über Zwischenstationen in Dortmund und Braunschweig nach Lüneburg. Seit Oktober 2010 ist seine neue Wohnstätte das "Internationale Haus Meisterweg". Dieser Komplex aus zwei zweigeschossigen Häusern aus Metallcontainern wurde vor 13 Jahren errichtet, um rund 80 Asylbewerber zentral unterzubringen. Als Möbel seines Zimmers mit knapp zehn Quadratmetern Wohnfläche hat Sarkison ein Bett und einen Spind aus weiß lackiertem Metall sowie einen Kühlschrank und einen Tisch gestellt bekommen. "Den Rest habe ich mir vom Sperrmüll geholt."

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Noch bedrückender als die Enge seines privaten Raums empfindet der 25-Jährige aber, dass er sich mit zwei weiteren Bewohnern ein fensterloses Badezimmer mit Waschbecken, Dusche und WC ohne Klobrille teilen muss. Ebenso bietet die kleine Gemeinschaftsküche nur für jeweils einen Benutzer Platz. Ein schwacher Trost für Sarkison ist, dass er sich sowieso keine großen Menüs zubereiten kann. "Bei dem wenigen Geld, das ich bekomme, gibt's immer nur Spaghetti."

Um seinen "persönlichen Bedarf" zum Beispiel an Lebensmitteln zu decken, bekommt Sarkison zusätzlich 212 Euro als so genannte Grundleistung. Dieser Betrag wird aber nicht ausgezahlt, sondern als Gutscheine ausgegeben. Problemlos akzeptiert wird die auf bunter Pappe mit Stadtlogo ausgegebene Parallelwährung der Asylbewerber nicht in allen Geschäften. Und bezahlen kann Sarkison damit auch nur bestimmte Produkte. "Alkohol und Zigaretten sind tabu." Als er einmal seiner Freundin eine Freude machen wollte, wurde ihm sogar der Kauf von Blumen im Discounter versagt.

"Ich habe immer einen Taschenrechner dabei, denn es wird Restgeld nur bis maximal einem Euro ausgezahlt", sagt Temuujin Chuluun, der mit seinem neun Jahre alten Sohn Gunt seit kurzem in einem Erdgeschoss-Container am Meisterweg wohnt. Er würde gerne selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen, zum Beispiel um sein Fahrrad reparieren zu lassen, dessen Vorderrad seit einem Unfall im März die Form einer Acht hat. Doch der Familienvater, dessen Frau und zweites Kind in der Mongolei darauf warten, ihm zu folgen, darf hierzulande erst nach einer zwölfmonatigen Wartefrist eine bezahlte Tätigkeit aufnehmen.

+++ Integration ist keine Geldfrage +++

"Der Koch aus Ostasien ist das klassische Beispiel für offiziell beschäftigte Asylbewerber", sagt Susanne Serbest, Sprecherin der Agentur für Arbeit Lüneburg. Deren Arbeitgeber-Service prüft die Anträge von Firmen, die einen Staatsbürger eines Nicht-EU-Landes sowie Bulgarien und Rumänien einstellen wollen. In der Region Niedersachsen-Bremen wurden im vorigen Jahr insgesamt 4058 solcher Anträge genehmigt und 810 abgelehnt. Zum Vergleich: Ende 2010 gab es in den beiden Bundesländern 18 819 Asylbewerber.

Ohne Arbeitseinkommen sind die 136 beziehungsweise 147 Familien von Asylbewerbern in der Hansestadt beziehungsweise dem übrigen Landkreis Lüneburg auf finanzielle Hilfe angewiesen. Die jährlichen Kosten der Kommunen für Asylbewerber in Höhe von rund 630 000 beziehungsweise knapp 800 000 Euro dürften jetzt jeweils um mehr als 100 000 Euro steigen. "Wir erwarten, dass die Mehrkosten vom Land getragen werden", sagt Katrin Holzmann, Sprecherin der Kreisverwaltung.