Bei der Göhrdeschlacht siegen alle zwei Jahre die Alliierten über die Franzosen. Darsteller kommen aus ganz Deutschland und dem Ausland.
Lüben. "Fertig? Feuern!", ruft ein französischer Offizier. Mit einem lauten Knall schießen die französischen Soldaten auf die Alliierten. Eins, zwei fallen getroffen zu Boden, doch es nützt nichts, die Franzosen müssen sich zurückziehen. Die Truppe aus preußischen, russischen, britischen und schwedischen Soldaten unter dem Befehl von Generalleutnant Graf Wallmonden ist einfach zu mächtig. Alle zwei Jahre wird die Göhrdeschlacht von 1813 auf dem Lübener Berg bei Oldendorf (Göhrde) nachgestellt. 5000 Besucher haben am vergangenen Sonnabend zugesehen. Bereits seit 20 Jahren reisen Menschen aus Deutschland und den umliegenden Ländern zum so genannten "Reenactment" an.
"In diesem Jahr sind es 400 Nachsteller. Wir haben beispielsweise Besuch aus den Benelux-Ländern und Großbritannien", sagt Gesamtorganisator Markus Dauber. Die schlafen in einer Biwak-Stadt wie zu Beginn des 19. Jahrhunderts. "Das Spannende ist die Zeitreise", sagt Britta Nurmann. Aus Münster ist die EDV-Beraterin angereist. Wie zu Zeiten Napoleons schläft sie auf einem Strohsack. Wasser gibt es aus einem Tankwagen "Sonst wäre man wohl bis zur nächsten Quelle gegangen", sagt sie.
Die kräftige 45-Jährige spielt beim Reenactment einen Mann. Sie gehört zum "42nd Royal Highland Regiment". Dudelsackklänge untermalen den Kampf gegen die Franzosen. Britta Nurmann geht das Schwarzpulver aus. Sie muss getroffen zu Boden fallen. Ihre Kameraden laden die Gewehre nach. Sie reißen mit den Zähnen die Schwarzpulvertüten auf, geben einen Teil auf die Zündpfanne. Der Rest kommt in den Lauf und wird mit dem Ladestock festgeklopft. Nach jedem Schuss müssen die Alliierten nachladen.
Zu erkennen sind die Schotten an der rote Jacke aus festem Wollstoff mit angedeuteten Verzierungen in Weiß und Schwarz. Darunter wird ein einfaches Hemd und ein Kilt getragen. "Den Kilt haben wir vom echten Regiment. Das gab es bis vor ein paar Jahren noch", sagt Britta Nurmann. Auch die Jacke habe sie sich bei einer Firma bestellt, die noch heute die britische Armee ausrüstet. Das Schwarzpulver des Gewehres har jedoch schon einige Spuren hinterlassen. "Das bekommt man auch nicht wieder heraus", sagt die EDV-Beraterin. Noch schlimmer sei es mit dem Gurtzeug: Mit Schlämmkreide und Alaun sei das geweißt worden. "Nach kurzer Zeit ist der Kalkstaub überall. Die Soldaten sahen damals also schon nach kurzer Zeit sehr abgerissen aus", sagt Britta Nurmann.
Die Franzosen haben sich ins Biwak zurückgezogen. An die 300 weiße Zelte stehen dort in Reih und Glied. Die Mitglieder des Bataillons der französischen Marinegarde säubern ihr Lederzeug und die Gewehre. Vor einem Zelt unterhalten sich ein weiblicher Matrose und ein Unteroffizier. Thomas und Ines Neugebauer aus Leipzig haben sich am Lagerfeuer kennengelernt. In Ballkleid und Uniform haben sie sogar im Biwak geheiratet. Seit 1997 ziehen die beiden durch Europa und stellen Schlachten nach. Die Gewehre, die sie gerade putzen, sind funktionstüchtige Nachbauten. "Wir schießen nur mit Papier, aber mit echtem Schwarzpulver", sagt Thomas Neugebauer. Um das zu kaufen, müsse man einen Lehrgang machen. Augenbrauenoder die Haare an den Armen haben er und seine Partnerin sich bereits beim Schießen angesengt.
Auch im Biwak behalten Ines und Thomas Neugebauer die Uniform an. "Wenn Appell ist müssen wir in fünf Minuten bereit sein", erklärt Ines Neugebauer. Zu welcher Truppe man gehören möchte, könne man sich aussuchen. "Es geht um den Spaß an der Geschichte. Wenn man sich damit beschäftigt, wird einem eine Seite irgendwann sympathisch und für die entscheidet man sich dann", sagt die 46-Jährige.
Gottfried Mai hat sich für die Kings German Legion entschieden. "Mein Ur-ur-ur-ur-Großvater war dort tatsächlich Feldprediger", sagt er und kramt im Kofferraum seines Kombis nach der Pistole. In seiner grünen Uniform und dem Admiralshut passt er nicht zu den ordentlich geparkten Autos auf der Wiese. Acht bis zwölf Veranstaltungen besucht der 71-Jährige im Jahr. Eine einfache Soldaten-Ausrüstung kostet über 2000 Euro.
"Wir machen das hier nicht, weil wir Militaristen sind", sagt Mai. Unter den Soldaten seien auch viele Wehrdienstverweigerer. Vielmehr gehe es darum, in eine Rolle einzutauchen. "Da spielt der Handwerker den Vorgesetzten eines Akademikers", sagt er. Er beobachtet außerdem, dass immer mehr Büroangestellte das Reenactment als Hobby für sich entdecken. "Es geht darum zu entschleunigen. Man lebt wie vor 200 Jahren und kümmert sich nur um seine Bedürfnisse", sagt Christoph Mai, "uns umgibt einfach zu viel Technik, manchmal muss man da einfach aussteigen."
"Eigentlich sind wir eine Völker verbindende Friedensbewegung", sagt Christoph Mai. Nur durch lebendige Erinnerung an die Vergangenheit könne man die Zukunft verändern.