Es gibt Streit um den Standort eines Eisenbahnwaggons, der an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern soll.
Lüneburg. Das Projekt der Geschichtswerkstatt Lüneburg soll an ein dramatisches Vorkommnis in der Lüneburger Geschichte erinnern. "Im Frühjahr 1945 kamen am Bahnhof Lüneburg 256 Menschen unter dem Bombardement der Alliierten zu Tode. Es handelte sich überwiegend um französische Widerstandskämpfer, die vor der heranrückenden Front ins Hinterland gebracht werden sollten", sagt Karl Hellmann, Mitglied der Geschichtswerkstatt Lüneburg. Die Häftlinge fanden in einem Eisenbahnwaggon den Tod - mindestens elf der Leichen wurde vermutlich schon zuvor aus anderen Häftlingszügen heraus geworfen, weil sie während der Fahrt gestorben waren. Später wurden die Verstorbenen am Ehrenmal im Tiergarten beigesetzt.
Im Jahr 2005 erwarb die Geschichtswerkstatt einen Eisenbahnwaggon aus den 30er-Jahren, den sie restaurieren und am Fürstentummuseum aufstellen wollte. Auf diese Weise sollte der dramatische Vorfall im Frühjahr 1945 im Gedächtnis der Lüneburger bleiben. "2005 genehmigte die Stadt die Aufstellung des Eisenbahnwaggons an der Willy-Brandt-Straße. Mit den Mitarbeitern von Job Sozial war abgesprochen, dass sie den Waggon für uns restaurieren würden. Alles war auf gutem Weg", sagt Hellmann.
Doch dann kamen die Pläne ins Wanken: Der Landkreis, der gemeinsam mit Stadt und Sparkassenstiftung die Finanzierung leisten sollte, zog nicht mit. "Dann hieß es plötzlich, es sei kein Platz mehr für den Waggon an der Willy-Brandt-Straße, weil das Gelände für den Anbau des Fürstentummuseums gebraucht würde. Auch sei das Projekt insgesamt zu teuer", erinnert sich Hellmann. 24 000 Euro soll es kosten, den Waggon zu sanieren, mit einer Dauerausstellung zu versehen und ihn zu transportieren. Derzeit steht der Wagen auf dem Gelände der Arbeitsgemeinschaft der Verkehrsfreunde Lüneburg (AVL) in Amelinghausen.
Fördermittel möchte die Geschichtswerkstatt für die Umsetzung einwerben - doch zurzeit fehlt es vor allem an einem geeigneten Platz, an dem der Waggon aufgestellt werden könnte. "Zuerst hatte man uns vorgeschlagen, den Waggon auf das Gelände der ehemaligen Standortverwaltung am Meisterweg zu bringen. Doch das ist von der Innenstadt zu weit entfernt. Außerdem trat ein privater Investor auf den Plan, der das Gelände anders nutzen wollte", sagt Maren Hansen, Vorsitzende der Geschichtswerkstatt.
Als nächstes kam der Vorschlag, einen Standort an der Wittenberger Bahn zu wählen, wo die Stadt derzeit eines Wohn- und Gewerbegebiet erschließt. Aber auch dort möchten die meisten Mitglieder des Vereins den Waggon nicht stehen sehen. "Dort könnten wir den Waggon nicht in unsere Stadtrundgänge einbeziehen. Wir haben bei den Führungen viele ältere Teilnehmer, für die wäre der Weg zu weit", meint Maren Hansen. Von Seiten des Vereins möchte man weiter versuchen, den Waggon an einem zentralen Platz in der Innenstadt unterzubringen. Das Umfeld am Neuen Museum wäre für das Projekt günstig, finden Hellmann und Hansen.
"Wir haben das Versprechen des Oberbürgermeisters, dass es einen Platz für den Wagen am Museum an der Willy-Brandt-Straße geben wird." Es gehe aber auch darum, wer sich auf Dauer um das Projekt kümmert: "Wir sind ein kleiner Verein, nur mit Ehrenamtlichen. Wir haben das Projekt angeschoben, aber mittelfristig brauchen wir Unterstützung, auch beim Einwerben von EU-Fördermitteln."
Für eine Realisierung am Standort des Neuen Museums sieht Christian Lamschus, Direktor des Salzmuseums und Leiter der Planungsgruppe, die sich mit der Neugestaltung des Fürstentummuseums beschäftigt, allerdings wenig Chancen: "Das letzte Gespräch mit Vertretern der Geschichtswerkstatt zu diesem Thema lief eigentlich einvernehmlich. Ich hatte den Eindruck, dass man mit einem Standort an der Wittenberger Bahn durchaus glücklich war." Dieser Standort passe seiner Ansicht nach auch, denn dort sei der Vorfall, der mit dem Eisenbahnwaggon dokumentiert werden soll, ja geschehen, sagt Christian Lamschus.
Karl Hellmann und Maren Hansen dagegen setzen auf Gespräche. "Zur inhaltlichen Ausgestaltung der Ausstellung im Waggon haben wir eine Kooperation mit der Leuphana. Wir werden versuchen, den Gesprächsfaden noch einmal aufzunehmen, denn mit der derzeitigen Situation können wir nicht zufrieden sein", so Karl Hellmann.