Regenwetter setzt dem Getreide zu. Die Ernte ist zu nass. Die Landwirte der Region erwarten erhebliche Qualitätseinbußen und große Verluste.
Drögennindorf/Klein Süstedt. Unbeständiges Wetter vermiest den Landwirten in den Kreisen Lüneburg und Uelzen die Getreideernte. Sie fürchten um Ertrag und Preise. "Wir Landwirte in der Region haben ziemlich schlechte Laune. Unser Problem ist der Regen", sagt Thorsten Riggert, Landwirt aus Klein Süstedt bei Uelzen. Bis zur zweiten Augusthälfte sollte die Ernte eingefahren sein, allerdings steht noch die Hälfte des Getreides auf den Feldern.
"Der Raps hätte schon lange weg sein müssen, von der Sommergerste ist höchstens die Hälfte geerntet und der Weizen ist zu feucht", so der 43-Jährige. Immer wieder versucht der Kreislandwirt mit dem Mähdrescher rauszufahren. Doch zu kurz sind die Zeitfenster zwischen den Regenperioden. Zum Ernten zu nass sind Korn und Halm; der Boden im Uelzener Bereich ist oftmals zu schlammig, als dass er die gewaltigen Maschinen tragen könnte. Einzig der wasserdurchlässige Heideboden trägt schweres Gerät.
Die Ernte der Landwirte im nordöstlichen Niedersachen ist ins Stocken geraten. Die Folge: Das Getreide muss nachgetrocknet werden. Die Ernte von Raps und Wintergerste wurde zwar größtenteils abgeschlossen, bei den anderen Getreidearten werden erhebliche Einbußen in der Menge befürchtet. Riggert kämpft mit den Auswirkungen des Wetters auf die Qualität des Getreides. Durch den Regen quillt das bisher trockene Korn auf. 20 Prozent Feuchtigkeit hat er gemessen. "Das ist viel zu hoch", so Riggert. "Und außerdem gibt es dann Auswuchs und es keimt erneut auf den Halmen."
Nasses Getreide kann nicht gelagert werden. Erfolgt die Lagerung zu feucht, ist Pilzbefall die Folge. "Erst ab 14,5 Prozent Feuchte ist es Getreide lagerfähig", erklärt Rudolf Putensen, Niederlassungsleiter im Landhandel Rudolf Peters in Drögennindorf. "Wird mit höherer Feuchte gedroschen, muss die Feuchte durch Trocknen entzogen werden", so Putensen. In Drögennindorf hilft dabei ein Trockensilo.
Erntefrisches Getreide wird kontinuierlich oder in einem Zyklus von oben in das Trockensilo gegeben, während trockene und warme Luft von unten eingeblasen wird. Die trockene Luft entzieht dem Getreide eine bestimmte Menge an Feuchtigkeit und entweicht als Abluft aus dem oberen Bereich des Silos. Zur Beschleunigung des Trocknungsprozesses wird das Getreide ständig umgewälzt und vermischt. Das Silo fasst 25 Tonnen.
"All das kostet Geld", sagt Thorsten Riggert. Nämlich 17 Euro pro Tonne Getreide, wenn es um vier Prozent auf 14 Prozent Feuchte runtergetrocknet werde, erklärt Walter Hollweg, Sprecher der Landwirtschaftskammer Hannover. Außerdem, so Hollweg, entwickelten sich Getreidepreise derzeit negativ, parallel zu den Rohölpreisen, die derzeit sinken. Obwohl, so Putensen, die Getreidepreise in diesem Jahr grundsätzlich auf einem hohen Niveau sind, was auch durch die anhaltende Trockenheit in Russland bedingt ist.
Derweil wartet der Oldendorfer Jürgen Rund wie seine Kollegen auf den Beginn der Roggenernte und trockeneres Wetter. Die Sommergerste konnte er während des kurzen Sommer-Gastspiels in der ersten Augustwoche einholen. Mit einem Eiweißgehalt von 11,5 Prozent erfüllt sie ein Qualitätskriterium, um als Braugerste an Brauereien verkauft zu werden. Obwohl Deutschland hinter Russland und Frankreich zu den weltweit größten Gersteproduzenten gehört, werden im Land nur noch 60 Prozent der Braugerste erzeugt. Der Rest wird importiert.
Riggert und andere Landwirte befürchten das Schlimmste. Bei dieser Wetterlage sei es durchaus möglich, dass anfänglich hochwertiges Brotgetreide nur noch als minderwertiges Futtergetreide verwendet werden könne, so Riggert. Die finanziellen Einbußen seien erheblich, inklusive der Trockenkosten. Wie die Qualität des Mehles ausfällt, wird im Labor des Landhandels mit Hilfe eines Fallzahl-Tests ergründet. Ihm zugrunde liegt ein Wasser-Mehl-Gemisch.
Der Test wird eingesetzt, um Getreide mit Auswuchs von gesundem zu trennen. Dies ist unbedingt erforderlich, da nur fünf Prozent gekeimtes Getreide die gesamte Mischung unbrauchbar machen können. Außerdem beeinflussen die Fallzahlen Volumen und Konsistenz der Backprodukte. Je höher die Fallzahl, desto qualitätsvoller das Mehl. Ist die Zahl zu niedrig, entsteht beispielsweise ein klebriges Brot.
Als Landesbauernverband prognostizierte das Landvolk Niedersachen bereits Ende Juli die schwächste Getreideernte seit 35 Jahren. "Sie wird in diesem Jahr mit fast genau fünf Millionen Tonnen so klein ausfallen wie lange nicht mehr", heißt es in einer Pressemeldung des Landvolks zur Getreideernte.
Als Sicherheitsnetz muss in diesem Jahr der Mais bezeichnet werden. Sein Anbau wurde mit 615 132 Hektar nochmals um 80 000 Hektar ausgedehnt. Die Futterpflanze hat sich gegenüber den Wetterkapriolen der vergangenen Jahre mit der ausgeprägten Vorsommertrockenheit als äußerst robust bewiesen und ist in sehr gutem Zustand.