Mit dem Zertifikat für Nachhaltigkeit wollen die Tourismusverbände künftig noch mehr Besucher anlocken.
Lüneburg/Hitzacker. "Unsere Region hat ein Imageproblem", sagt Barbara Kenner, Inhaberin des Hotels "Kenners Landlust" in der Göhrde. Seit mehr als 10 Jahren führt sie gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Biohotel auf dem Lande, umgeben von der ursprünglichen Naturlandschaft im Wendland. In dem Familienbetrieb in dem kleinen Dorf Dübbekold tut man genau das, worauf Urlauber zunehmend Wert legen: Es wird nachhaltiger Tourismus geboten. Regionale Produkte in Bioqualität kommen auf den Tisch, bei der Ausstattung der Zimmer und im Veranstaltungsangebot des Hotels wird Wert auf die Einhaltung nachhaltiger Standards gelegt. Trotzdem kennen viele Urlauber die Region, in der Familie Kenner ihr Hotel betreibt, bisher kaum - die Elbelandschaft ist noch nicht zur touristischen Marke mit eigenem Profil geworden.
Im Vergleich zur benachbarten Heideregion, die kaum einem deutschen Urlauber unbekannt ist, hat die Elbetalaue in Sachen Bekanntheit Nachholbedarf. Dass man vor den Toren der Großstadt Hamburg ein Stück flussaufwärts Störchen ins Nest gucken, Fahrradtouren durch Obstbaumalleen und Kanutouren auf der Elbe machen kann, wissen nur wenige Urlauber - auch wenn sich inzwischen der touristische Dachverband Flusslandschaft Elbe GmbH mit Sitz in Bleckede um eine zentrale Vermarktung des Angebotes entlang der Elbe bemüht.
Mit dem neuen Zertifikat möchte nun auch das Biosphärenreservat mit Sitz in Hitzacker die Kontur der Urlaubs- und Naturlandschaft an der Elbe schärfen. Seit diesem Sommer zeichnet das Biosphärenreservat Partnerbetriebe aus, die in der Elbetalaue besonders nachhaltig wirtschaften. "Es handelt sich um ein länderübergreifendes Zertifikat, das Betriebe erhalten, die im ökologischen, ökonomischen und sozialen Sinn nachhaltig wirtschaften", sagt Tobias Keienburg, Mitarbeiter des Biosphärenreservats. Mit Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt haben sich vier Bundesländer an der Elbe dafür auf ein Zertifizierungsverfahren geeinigt, bei dem im Anschluss an zwei Betriebsbesuche ein Beirat über die Vergabe der Auszeichnung entscheidet.
"Für unsere Region allein wäre die Entwicklung eines solchen Verfahrens zu aufwendig gewesen. Aber es gibt dieses Konzept bereits bundesweit, und in anderen Regionen funktioniert das Modell mit Erfolg", sagt Wolf Winkelmann, Geschäftsführer des Bauernverbandes Nordostniedersachsen in Lüneburg und Vorsitzender des Beirates im Biosphärenreservat.
Barbara Kenner hat für ihr Hotel als eine der ersten die Auszeichnung erhalten. Sie hält das neue Zertifikat für sinnvoll, auch wenn im Bereich Tourismus schon zahlreiche Dachmarken, Label, Auszeichnungen und Prädikate um die Gunst des Urlaubers wetteifern. "Man schaut sich den eigenen Betrieb noch einmal genau an, wenn jemand von außen kommt und die Abläufe kontrolliert. Außerdem knüpft man neue Kontakte zu den Unternehmen vor Ort, die in gleicher Weise orientiert sind", sagt sie. Auch Axel Schlemann, Mitglied im Vorstand des ADAC Hansa und zuständig für den ADAC-Campingplatz in Alt Garge an der Elbe, hält das neue Zertifikat für zweckmäßig. "Natürlich muss man schauen, welche Label man noch anstrebt und welche Zertifizierungen zum eigenen Betrieb passen. Uns geht es mit der Teilnahme an der Aktion auch darum, die Marke Biosphärenreservat zu stärken", sagt er. Ob der Gast die zahllosen Auszeichnungen und Qualitätsstandards im Bereich Tourismus überhaupt noch unterscheiden kann - und ob er sie honoriert - ist allerdings die Frage.
"Das gelingt sicher nicht mit jedem Label. Aber Standards, die bundesweit anerkannt sind, haben eine gewisse Zugkraft. Im Übrigen führt jede Zertifizierung dazu, dass die Qualität des Angebots steigt. Wir wollen die Wirtschaftskraft stärken und den Qualitätsstandard in der Region erhöhen", sagt Schlemann. Das ist auch das Ziel des Biosphärenreservats. "Es gibt bereits eine bundesweite Dachorganisation für Partnerbetriebe in nationalen Landschaften.
Auf diese Weise werden unsere Partnerbetriebe auch bundesweit in Broschüren beworben", erklärt Tobias Keienburg. Für ihn ist auch der regionale Aspekt wichtig. "Wir hoffen, dass wir mit dem neuen Zertifikat die Vernetzung der Betriebe untereinander stärken - und zwar nicht nur im Hotel- und Gaststättengewerbe, sondern auch für Betriebe in der Landwirtschaft, im Handel und Handwerk, bei den Dienstleistern oder bei Bildungseinrichtungen, die nachhaltig arbeiten. Wir hoffen, dass auf diese Weise auf neue Kooperationen entstehen", sagt er. Dass der Urlauber das neue Label letztlich annimmt, davon ist Wolf Winkelmann überzeugt. "Das neue Zertifikat weist besonders auf die Nachhaltigkeit der Betriebe hin. Ich bin überzeugt, dass es dafür eine eigene Klientel gibt. Langfristig kann ich mir vorstellen, dass wir aus der Auszeichnung eine neue Marke entwickeln können", sagt er.