Kritiker fordern einen Bau-Stopp für Biogasanlagen in Niedersachsen: Sie sehen die Fruchtbarkeit der Böden gefährdet.

Lüneburg. Für die einen ist sie eine kostengünstige und effektive Methode der Energiegewinnung - für die anderen gefährdet sie die Artenvielfalt: Immer mehr Biogasanlagen stellen in Niedersachsen aus landwirtschaftlichen Nutzpflanzen Strom her.

Bis zu 7,5 Prozent des Strombedarfs werden diese Anlagen, die landwirtschaftliche Produkte in Energie verwandeln, Ende des Jahres in ganz Niedersachsen decken können, so die Prognose der Niedersächsischen Landwirtschaftskammer. Doch auch Biogas gibt es nicht zum Nulltarif: Für den Anbau von Nutzpflanzen wie Mais, Raps oder Hirse werden immer mehr Anbauflächen gebraucht, die dann nicht mehr für die Produktion von Lebens- oder Futtermitteln zur Verfügung stehen.

Auch die Landwirte bekommen wegen der Verknappung der Flächen steigende Pachtpreise zu spüren. Zudem schaden Monokulturen der Artenvielfalt auf dem Acker. Zu den Kritikern des ungehemmten Ausbaus der Biogasanlagen zählt deshalb auch der Nabu Niedersachsen. Er fordert einen Baustopp, nicht zuletzt aufgrund der notwendigen Entsorgung der Gärsubstrate auf die Äcker, weshalb der Nabu sogar für eine Notbremsung eintritt.

"Wir müssen die Reißleine ziehen", sagt Bioenergieexperte Uwe Baumert vom Nabu Niedersachsen mit Sitz in Hannover. In einzelnen niedersächsischen Regionen beanspruche Mais schon jetzt mehr als 50 Prozent der Ackerfläche, das bringe Probleme für die Artenvielfalt. "Regenwürmer meiden Mais, weil Futter aus organischem Zersetzungsmaterial fehlt. Damit ist die Bodenfruchtbarkeit in vielen Regionen gefährdet. Aber auch die Wiesenweihe, das Rebhuhn, der Storch und die Schleiereule können mit der ,vermaisten' Landschaft nichts anfangen", sagt Baumert. Er plädiert für einen möglichst breiten Mix regenerativer Energien, auch unter verstärkter Einbeziehung der Erdwärme.

Nicht nur die Artenvielfalt leidet unter der Expansion der Biogas-Anlagen. "Die Überdüngung der Landschaft, wenn zusätzlich zur Gülle noch Gärreste aus den Anlagen auf die Äcker gebracht werden - auch das macht uns Sorgen", sagt Uwe Baumert.

Mit seiner Kritik steht er nicht allein. Immer größere Anlagen, an denen sich zunehmend auch Agrarunternehmer und Stromkonzerne beteiligen, sind der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL) ein Dorn im Auge. "Wir bevorzugen kleinere Anlagen. Große Kapazitäten bedeuten auch ein erhöhtes Aufkommen beim An - und Abtransport der benötigten Rohstoffe. Dass Nachbarn sich dagegen wehren, ist verständlich", sagt Georg Janssen, AbL Lüneburg. Und auch bei der Fruchtfolge sollte sich etwas ändern. Auf EU-Ebene gebe es Überlegungen, nur noch 50 Prozent der Energiegewinnung aus einer Frucht zuzulassen. Damit könne man auch die "Vermaisung" der Landschaft eindämmen.

"Auch Energie aus grünen Energiequellen ist nicht zum Nulltarif zu haben", sagt Thorsten Riggert, Kreisvorsitzender des Bauernverbandes Nordostniedersachsen für den Raum Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg. "Wenn grüne Energie will, muss auch Nachteile in Kauf nehmen. Und eine Quelle nutzen, die wir alle nicht wirklich in Anspruch nehmen: Wir müssen lernen, mehr Strom zu sparen."

Vom Grundsatz befürwortet er einen weiteren Ausbau der Biogasanlagen. "Eine ,Vermaisung' kann ich in unserer Region bislang nicht feststellen, hier liegt die Quote für den Maisanbau noch deutlich unter 50 Prozent", so Riggert. Die Landwirte selbst würden auch an neuen Konzepten arbeiten, was die Verwertung von Nutzpflanzen angeht. Im Blickfeld sei zum Beispiel die Zuckerrübe, die den Mais teilweise ersetzen könne.

"Wenn die EU für die Fruchtfolge eine Neuregelung plant, dann werden wir uns damit auseinandersetzen. Die Frage ist nur, wer diese ganzen Verordnungen und Gesetze eigentlich noch kontrollieren soll", sagt Riggert. Bei allen Diskussionen über das brisante Thema Energiegewinnung in der Zukunft sollte ein Grundsatz aber immer gelten: "Nämlich miteinander und nicht übereinander zu reden."

Teil 4 unserer Serie beschäftigt sich morgen mit einer neuen Ökostrom-Initiative