Serie zur Energiewende, Teil 2: Ein Windenergie-Experte aus Marschacht sagt, monströse Riesentürme seien nicht nötig
Lüneburg. Der Landkreis Lüneburg ist zwar keine Vorzeigeregion für die Windkraft. Doch windig genug sei es zwischen Elbe und Heide allemal für die alternative Energieerzeugung, die sich wirtschaftlich auch lohnt, sagt Herbert Schwartz. Der Ingenieur aus dem Marschachter Ortsteil Oldershausen in der Elbmarsch ist Gutachter für Windenergie. Er ermittelt für Betreiber das Windpotenzial und den Energieertrag an Standorten.
Schwartz glaubt, dass der Landkreis mit einem Windkraft-Boom rechnen muss, wenn der Ausstieg aus der Atomkraft kommt. Schon jetzt gebe es erfolg- und ertragreiche Standorte wie etwa in Südergellersen und Sülbeck. "Sobald weitere Flächen für die Windenenergie ausgewiesen werden, wird es neue Planungen geben", so Schwartz. Dass es so kommen wird, liegt für ihn auf der Hand. "Auch wenn die Windkraft eine grüne Branche ist, so lässt sich dennoch gigantisch viel Geld mit ihr verdienen."
Zurzeit drehen sich laut Stefanie Slowek-Klaus von der Klimaschutz-Leitstelle Stadt und Kreis mehr als 60 Windräder im Landkreis. "Sie haben eine Gesamtleistung von 104 521 Kilowatt", sagt sie. Die erste Anlage wurde 1994 errichtet, die Hochburg ist im Raum Dahlenburg, wo mehr als 25 weiße Riesen stehen und Strom aus Wind erzeugen. Insgesamt sind es kreisweit 77 878 Kilowattstunden.
Bevor neue Standorte die Projektentwickler auf den Plan rufen, werden noch einige Monate vergehen. Der Landkreis lässt von einem Gutachterbüro zurzeit einen neuen Teilplan für die Windenenergie erarbeiten. Der soll 2013 in das Regionale Raumordnungsprogramm einfließen und dann als Rahmenplan für die Genehmigung künftiger Standorte gelten, aber auch die Höhe der Anlagen regeln.
"Aktuell gibt es ein Genehmigungsverfahren für eine neue Windkraftanlage in Südergellersen", sagt Kreissprecherin Katrin Peters.
In der Region lassen sich nach den Worten des Experten aus Oldershausen durchaus ideale Orte für die Windkraft finden, wo das Gelände flach und offen sei und eine ausgezeichnete Brise wehe. "Dort werden Windgeschwindigkeiten von sechs Metern pro Sekunde in 100 Metern Höhe gemessen. Das ist der Wert, ab dem eine Anlage rentabel ist", erklärt Schwartz. Viel höher müssten Windräder seiner Meinung nach im Flachland auch nicht sein. "Weil keine großen Bäume wie etwa in den waldreichen Gebieten der Mittelgebirge den Betrieb beeinträchtigen." Außerdem bezweifle er, dass Anlagen mit einer höheren Narbenhöhe ökonomisch mehr einbringen, so der Ingenieur.
Er ist dagegen, die Landschaft mit riesigen bis zu 140 Meter hohen Spargeln zuzupflastern. "Das gesellschaftliche Konfliktpotenzial ist enorm und nicht wünschenswert. Außerdem sind die monströsen Türme nicht ästhetisch und beeinträchtigen das Landschaftsbild nachhaltig." Und je höher eine Anlage, desto lauter sei sie auch.
Der Bau neuer Windräder werde nur im Einklang mit der Bevölkerung und mit Rücksichtnahme auf die Menschen erfolgreich sein. Obwohl sie rechtlich vor Schattenschlag und Schall gut geschützt seien, sagt Schwartz. Vom Bau neuer Anlagen nach dem Motto "Auf Teufel komm raus" hält er nichts.
"Die Energiewende wird von den Bürgern getragen." Deshalb sollte darüber nachgedacht werden, ob die Stromerzeugung durch Wind nicht zunehmend auch in die Hände der Bevölkerung gelegt werden kann. Dafür müsste das Erneuerbare Energiengesetz verändert werden. "Es wäre gut, wenn nach dem Vorbild von Bürgersolaranlagen auch Windräder betrieben werden."
Der mögliche Atomausstieg wird Schwartz zufolge neue Entwicklungspotenziale freisetzen. "Ganz sicher, es wird einiges auch hier in der Region kommen." Der Atomausstieg beschleunige die Forschung und neue Ideen enorm.
Schon jetzt werde über intelligente Stromnetze, Speicher und den Austausch der Ressourcen verschiedener Energieträger nachgedacht", sagt er. Denn nur der Mix der verschiedenen erneuerbaren Energien wird die Wende letztlich möglich machen.
Teil 3 unserer Serie beschäftigt sich morgen mit dem Thema Biogas.