Immer mehr Landapotheken machen dicht, weil die Besitzer keine Nachfolger finden. Vor allem für kleine Betriebe ist das Überleben schwierig.

Lüneburg. Zu vermieten, steht auf dem Schild im Schaufenster: Von einem Tag auf den anderen war die Apotheke in der Lünertorstraße plötzlich zu. Der Apotheker geht aus Altersgründen in den Ruhestand, ein Nachfolger ist nicht in Sicht - mit dieser Situation werden Kunden in Zukunft vermehrt konfrontiert sein.

"Vor allem für kleine Apotheken wird es auf dem Markt immer schwerer", sagt Rolf-Dieter Aye. Vor fünf Jahren hat er seine Apotheke "Am Alten Kran" in der Schießgrabenstraße aufgegeben. Er führt inzwischen ein eigenes Beratungsunternehmen, vermittelt auch Firmenübernahmen im pharmazeutischen Bereich.

Für seine Apotheke in der Lüneburger Innenstadt fand sich seinerzeit ein Nachfolger, aber seitdem haben sich die Wettbewerbsbedingungen für niedergelassene Apotheken noch einmal deutlich verschärft. "Der Rohertrag in den Apotheken sinkt seit ungefähr zwanzig Jahren kontinuierlich. Wir haben eine steigende Zahl von älteren Menschen mit Medikamentenbedarf, ansonsten hätten vermutlich noch mehr Apotheken zwischenzeitlich schließen müssen", meint Aye.

Anja Hugenberg, Pressesprecherin der Apothekenkammer Niedersachsen mit Sitz in Hannover bestätigt den Trend. "Wir bekommen zunehmend Rückmeldungen, wonach es für Apotheker schwer ist, Nachfolger für ihre Betriebe zu finden. Das gilt besonders in ländlichen Regionen", sagt sie. In den vergangenen zwei Jahren wurden in Niedersachsen 21 Apotheken neu eröffnet - aber doppelt so viele wurden geschlossen. Die Ursachen dafür sind vielfältig. "Die wirtschaftlichen Belastungen der Apotheker sind gestiegen", sagt Anja Hugenberg und verweist unter anderem auf das Arzneimittelmarktordnungsgesetz (AMNOG).

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Das Gesetz soll die steigenden Kosten der Krankenkassen für die Arzneimittelversorgung der Kassenmitglieder eindämmen. Es verpflichtet die Apotheken, einen Teil der beabsichtigten Einsparungen zu erbringen. "Für die Jahre 2011 und 2012 sollen die Apotheken jeweils 200 Millionen Euro an Ausgaben für die verschreibungspflichtige Medikamente einsparen", sagt Anja Hugenberg. Die Apotheken versuchen deshalb, ihre Medikamente im Großhandel günstiger einzukaufen als bisher. "Aber für kleine Apotheken bleibt da wenig Spielraum", sagt Anja Hugenberg. Ihnen gewähren die Großhändler kaum Rabatte.

AMNOG könnte also fatale Folgen vor allem für kleinere Apotheken und solche in ländlichen Regionen haben - das befürchtet auch der Landesapothekerverband in Hannover. Nach einer Umfrage des Verbandes unter seinen 1800 Mitgliedsapotheken erwarten 94 Prozent der Befragten für 2012 massive Umsatzeinbußen im Vergleich zum Vorjahr. "Davon sind die Apotheken im ländlichen Raum besonders betroffen. Denn bei diesen Apotheken ist der Anteil verschreibungspflichtiger Arzneimittel am Gesamtumsatz meist sehr viel höher als beim Durchschnitt der städtischen Kollegen", sagt Heinz Günther Wolf, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen e.V. Bei den verschreibungspflichtigen Arzneien schrumpfen wegen AMNOG die Gewinne deutlich, während verschreibungsfreie Arzneien davon nicht betroffen sind.

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Und ein weiterer Faktor macht den Apotheken auf dem Land zu schaffen: Der Ärztemängel zeigt Folgen. Macht der Arzt in kleineren Landgemeinden dicht, so geht es auch der benachbarten Apotheke an den Kragen. Laufkundschaft gibt es hier nur wenig. Dadurch sind die Umsätze an rezeptfreien Arzneien und Heilmitteln niedrig.

Apotheken auf dem Land sind nur noch lebensfähig, wenn die benachbarte Arztpraxis für Kundschaft sorgt - doch schon jetzt ist es für niedergelassen Ärzte in abgelegenen Regionen schwierig, einen Nachfolger zu gewinnen. Die Gesundheitsinfrastruktur vor allem im östlichen Gebiet des Landkreises Lüneburg dürfte vor diesem Hintergrund in den kommenden Jahren weiter ausdünnen.

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Manchen Patienten mag das alles erstaunen, denn Ärzte und Apotheker galten in den letzten Jahrzehnten als Spitzenverdiener. Diese Zeiten sind vorbei, meint Frank Keller, stellvertretender Bezirksapotheker für die Region Lüneburg. "In den letzten 30 Jahren gab es einen Boom bei der Zahl der Apothekenneueröffnungen. Viele Betriebe machten in Sichtweite des nächsten Konkurrenten auf - das halbiert den Umsatz", sagt Keller.

Inzwischen sinken die Erträge auf breiter Front. Nicht jedes Unternehmen erwirtschaftet noch Gewinn - und auch nicht jede Apotheke findet einen Nachfolger. "Das betrifft auch Betriebe auf dem Stadtgebiet", sagt Keller. "Einen Mindestumsatz von einer Million Euro sollte eine Apotheke schon haben, darunter ist sie unverkäuflich", meint er. Weiche Standortfaktoren wie die Bevölkerungsdichte in der Umgebung, die Lage des Betriebes und seine Ausrüstung spielen eine immer größere Rolle.

Sparen kann ein Apotheker bei seinen Ausgaben nämlich nur wenig. "Manchmal geht das nur noch über die Personalausstattung", sagt Anja Hugenberg. Das befürchtet auch der Landesapothekerverband: Besonders von Kündigungen betroffen, so hat seine Umfrage ergeben, sind die Pharmazeutisch-technischen Assistentinnen (PTA).