Die Zivildienstzeitverkürzung auf sechs Monate ist beschlossen. Jetzt bekommen die Einrichtungen Probleme

Wenn René Rosenthal am 30. November seinen Krankentransporter auf dem Hof des Lüneburger Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) abstellt, dann geht damit nicht nur seine Zeit als Zivildienstleistender zu Ende, sondern auch eine lange Tradition. Denn wie es momentan aussieht, gehört der 23-Jährige zu den letzten fünf Zivis, die beim ASB Lüneburg im Bereich Krankentransport eingesetzt werden.

Grund dafür ist die Verkürzung der Zivildienstdauer, die der Bundestag am Donnerstag beschlossen hat. Statt bisher neun Monaten müssen Zivildienstleistende, die ab dem 1. Juli dieses Jahres mit der Arbeit beginnen, nur noch sechs Monate leisten. Für alle Zivis, die jetzt schon arbeiten, bedeutet die neue Regelung, dass für sie automatisch auch spätestens am 31. Dezember 2010 der letzte Diensttag ist. Immerhin: Zivis können ihre Dienstzeit in Zukunft freiwillig verlängern - auf neun oder sogar zwölf Monate. Trotzdem beschert die Dienstzeitverkürzung den Arbeitgebern der Zivis große Probleme.

Nur sechs Monate Zivildienst lohnen sich nicht

So auch bei zahlreichen sozialen Einrichtungen in Lüneburg. Sechs Monate Zivildienst - "das lohnt sich überhaupt nicht mehr", sagt René Rosenthal. Die Einarbeitung sei gerade beim Krankentransport viel zu lang, so der junge Bardowicker. Denn jeder angehende Zivi in diesem Bereich muss erst einmal eine vierwöchige sanitätsdienstliche Ausbildung bei einer Schule für Rettungsdienst absolvieren. "Und da muss man meist erst mal warten, bis ein Platz frei ist", berichtet der Zivi. Dazu kommen zwei Wochen Praktikum in einem Krankenhaus, "damit wir lernen, wie man mit Patienten umgeht oder wie man Blutdruck misst", und schließlich noch eine Woche "politische Bildung" - ein Einführungslehrgang, der für jeden Zivi obligatorisch ist.

Doch das ist in der Realität immer noch nicht alles. Zieht man zudem Fehlzeiten durch Urlaub und Krankheit sowie etwa einen Monat eigentliche Einarbeitungszeit im Betrieb ab, "dann bleiben im Endeffekt nicht viel mehr als zwei Monate übrig, in denen du wirklich arbeiten kannst", sagt René. So wie er sieht es auch sein Chef: Zivis im Krankentransport - "das wird für uns in Zukunft nicht mehr möglich sein", sagt Harald Kreft, Geschäftsführer des ASB-Kreisverbands Lüneburg. Die effektive Arbeitszeit sei einfach zu kurz. "Im Krankentransport hat sich das mit den Zivis bald komplett erledigt für uns."

Den Zivildienststellen fehlt es oft an Planungssicherheit

Bis zum 31. Dezember werde man wohl andere bezahlbare Lösungen finden müssen, die fehlenden Zivis irgendwie mit Hauptamtlichen kompensieren. Natürlich gebe es die Diskussion um die Wehrpflicht und somit den Zivildienst schon lange, so Kreft. Trotzdem sei die Frage nach Alternativen immer offen geblieben. "Wir fühlen uns da ein bisschen allein gelassen", kritisiert Kreft die Reform. Aus seiner Sicht kann er die entstehenden Lücken nur mit hauptamtlichen Mitarbeitern füllen - auch bei Arbeitskräften, die ein "Freiwilliges Soziales Jahr" (FSJ) absolvieren, sei einfach keine ausreichende Dienstplansicherheit gegeben.

Auch Heiner Scholing, Schulleiter der Schule am Knieberg, kritisiert die Dienstzeitverkürzung. Er wird auch weiter Zivis beschäftigen - aber nur aus Mangel an Alternativen. "Die Sinnhaftigkeit stelle ich stark in Frage", so Scholing. An der Schule für geistig behinderte Kinder haben Zivis einen enorm hohen Stellenwert. "Die sind hier die Stars der Schule", sagt der Schulleiter. "Wenn wir den Abschied der Zivis feiern, dann ist das immer mit vielen Tränen verbunden." Scholing blickt auf insgesamt rund 50 Zivis zurück - drei sind es momentan. "Nach meiner Erfahrung haben die sich nach etwa einem halben Jahr gerade erst als Team formiert." Ein halbes Jahr - genau da ist in Zukunft Schluss.

Es sei denn, die jungen Männer verlängern freiwillig. Aber genau da liegt ein weiteres Problem: Die Zivis müssen sich nämlich erst nach zwei Monaten Dienst für oder gegen die freiwillige Verlängerung entscheiden. Eine Regelung, die auch Silke Domröse vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Lüneburg bemängelt. Die sechsmonatige Mindest-Dienstzeit lohne sich gerade in Bereichen wie der Schulassistenz für behinderte Kinder überhaupt nicht.

Viele Einrichtungen haben noch kein Rezept für die Finanzierung

"Das ist aus pädagogischen Gründen einfach undenkbar", so Domröse. Man könne höchstens versuchen, mit den Bewerbern im Vorfeld eine längere Dienstzeit abzusprechen. "Aber darauf muss ich mich dann wirklich verlassen können. Das kann ich nur mit Bewerbern machen, die absolut glaubwürdig und zuverlässig wirken."

Langfristig müssen demnach viele soziale Einrichtungen in Lüneburg versuchen, die Verluste in den sensiblen Einsatzbereichen mit Hauptamtlichen oder FSJ-Kräften auszugleichen. Wie diese Kompensation finanziell realisiert werden soll, wissen die meisten allerdings noch nicht.