500 geladene Gäste waren Sonnabend in St. Johannis dabei. Der Präsident hatte aber noch mehr Programm.

Lüneburg. Das Kennzeichen 0-1 an der gepanzerten schwarzen Audi-Limousine vor der St.-Johanniskirche war Beweis genug: Bundespräsident Horst Köhler war am Sonnabend tatsächlich in Lüneburg - auch wenn ihn nur wenige Passanten gesehen haben dürften.

Ein minutiös geplantes Programm hatten Bundespräsidialamt und Stadtverwaltung auf die Beine gestellt - und bis auf die Ansprache des ersten Manns im Staate nach einigen Happen Abendessen wurde es auch pünktlich eingehalten.

Um kurz nach fünf am Nachmittag drängeln sich Fotografen und Kameraleute im Garten des Gemeindehauses von St. Johannis, beziehen Position für ihre Foto- und Filmaufnahmen. Denn der Bundespräsident will gleich mit einem Anruf über sein Handy den Adventskranz auf dem Wasserturm erstrahlen lassen und damit für Kinderhilfsprojekte spenden.

Punkt halb sechs führt Superintendentin Christine Schmid Köhler und seine Frau Eva Luise sowie Ministerpräsident Christian Wulff und Ehefrau Bettina in den Garten. Dort gilt es, viele Hände zu schütteln: von Bischof Franz-Josef Bode, Landessuperintendent Hans-Hermann Jantzen, Oberbürgermeister Ulrich Mädge, Landrat Manfred Nahrstedt, St.-Johannis-Pastor Ingo Reimann, ZDF-Intendant Markus Schächter und Landtagspräsident Hermann Dinkla.

"Haben wir die Funktion erfüllt?", fragt Köhler in die Runde, nachdem seine Frau und er die Tasten seines Handys gedrückt hatten. Haben sie. Die Organisatoren sperrten im Vorfeld vorsorglich die Leitungen, nichts sollte schief gehen.

15 Minuten später öffnet sich die schwere Holztür der Kirche, erst kommen die Männer mit den Knöpfen im Ohr hinein, dann der Bundespräsident. Er trägt sich in das Gästebuch ein, wird in das bis in jeden Winkel ausgeleuchtete Kirchenschiff geleitet. Die millionenschwere Sanierung hat sich gelohnt: Denn Fernseh-Scheinwerfer sind gnadenlos, hätten hier jeden noch so feinen Riss angestrahlt. Und die Risse waren nicht fein.

So aber leuchtet St. Johannis, das ZDF-Team hat Lüneburgs älteste Kirche mit knapp 20 behängten Tannen derart festlich geschmückt, wie sie es in ihrer 700-jährigen Geschichte wohl noch niemals gewesen ist.

Horst Köhler setzt sich, sein Platz ist in der ersten Reihe. Zum fünften Mal nimmt er die Weihnachtssendung auf, sein Part wird sein, die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium zu lesen. 500 geladene Gäste - zum großen Teil Ehrenamtliche - dürfen zuhören.

Ein "makabres Schauspiel, geprägt von Heuchelei", nennt das die Lüneburger Gruppe von Amnesty International in einer Pressemitteilung mit Verweis auf die Tätigkeit Köhlers für den Internationalen Währungsfonds. Thilo Clavin: Der IWF lasse weite Teile der Bevölkerung in verschuldeten Ländern der Dritten Welt verelenden und "gewährt ihnen Kredite für Militär und Aufrüstung, was Kriege und schwerste Menschenrechtsverletzungen zur Folge hat".

Nach der Aufzeichnung und anderthalb Stunden später der nächste Termin: Oberbürgermeister Ulrich Mädge - dieses Mal mit der goldenen Amtskette auf der Brust - führt den Bundespräsidenten ins Rathaus, er trägt sich in das Goldene Buch der Hansestadt ein. Dann gibt es Canapes mit Lachs, Entenfilet und Ziegenkäse - für Köhler und die Ehrengäste vorab hinter verschlossenen Türen, für die 300 Gäste, darunter wieder zahlreiche Ehrenamtliche, des anschließenden Empfangs im Fürstensaal. "Wir sind auf Rang zwei von 100 Regionen im Engagement-Atlas gelandet", so Oberbürgermeister Mädge in seiner Begrüßung. "Darauf sind wir stolz. Es ehrt unsere Stadt, wenn zwei Millionen Menschen mit St. Johannis in Weihnachtsstimmung versetzt werden."