Zwischen Freiheit und vielen Vorurteilen - vier Bewohner des Platzes am Gut Wienebüttel antworten geduldig auf alle Fragen.
Lüneburg. Die Wagenburg liegt etwas versteckt, abseits der Straße zum Gut Wienebüttel, ganz idyllisch im Grünen. Auf einer Infotafel an der Zufahrt präsentieren sich die insgesamt zwölf Erwachsenen und zwei Kinder, die hier verteilt auf 13 Bauwagen leben.
Die Bewohner legen Wert auf einen offenen Umgang mit Nachbarn und Passanten. Trotzdem sehen sie sich oft mit den immergleichen Vorurteilen konfrontiert. "Das sind die, die immer da sind, weil sie nicht arbeiten", benennt Ramona Schultz (28) eine der Annahmen, die so gar nicht zutreffen. Und Muriel Herrmann (29) sagt: "Selbstverständlich gibt es auch in einer Wagenburg Menschen, die von Hartz IV leben müssen, aber das ist nichts, was die Bauwagenszene auszeichnet."
Aktuell sei hier zum Glück niemand betroffen. "Die Vorurteile klären sich aber auch immer schnell auf, wenn man mit den Leuten in Kontakt tritt", erklärt Arne Wegener (27). Die Fragen seien immer die gleichen. Woher kommt der Strom? Müsst ihr im Winter frieren? Wo duscht ihr und habt ihr eine Toilette?
Ramona, Muriel, Arne und Mitbewohner Andre Morawa (27) geben bereitwillig Auskunft. Andre erklärt: "Wasser holen wir aus der Klinik Gut Wienebüttel." Ungefähr 20 Liter verbrauche jeder von ihnen pro Woche. Und Andre sagt: "Im Sommer duschen wir draußen, im Winter bei Freunden in der Stadt." Der Strom komme - wenig überraschend - aus der Steckdose. Und die liegt im benachbarten Kulturforum. "Wir haben dort einen eigenen Zähler", sagt Arne. Und für die Notdurft gebe es ein Kompostklo. "Hochökologisch und sehr hygienisch," erklärt Arne.
Gemeinsam sitzen die vier an einem großen Esstisch in Arnes Bauwagen. Kalt ist es hier nicht, ein kleiner Holzofen sorgt für mollige Wärme. Damit sie im Winter heizen können, sorgt die kleine Siedlergemeinschaft abwechselnd für Nachschub. Jeder bringt das ein, was er kann, ob Holz hacken oder kochen für alle.
"Was man nicht in Miete investiert, investiert man dafür in Form von Zeit für die gemeinschaftlichen Arbeiten", sagt Muriel. Das Wir-Gefühl ist allen Anwesenden wichtig. "Isoliert, allein oder zu zweit in einer Wohnung zu leben, kann ich mit nicht mehr vorstellen", sagt Arne. Allenfalls ein alternatives Wohnprojekt käme für ihn in Frage. Muriels Hauptargument für die Entscheidung zu Leben im Bauwagen: "Die Nähe zur Natur."
"Als ich im Herbst den Ofen erstmals nutzen wollte, musste ich erst einmal ein Fledermauspärchen evakuieren", erinnert sich Arne und lacht. Gelacht wird ohnehin viel an diesem Vormittag, die Stimmung untereinander ist gut. Muriel sagt: "Wir organisieren hier viel gemeinschaftlich, das muss einfach funktionieren." Auch zwischenmenschlich. Deshalb gäbe es auch für jeden neuen Mitbewohner ein Bewerbungsverfahren, einen "Realitätscheck": Probewohnen im Gästewagen.
Denn nicht immer sei das Leben im Bauwagen so romantisch, wie viele es sich zunächst vorstellen, erklärt Muriel weiter: "Wenn man krank ist, nervt es, dass man Holz hacken muss, um zu heizen." Doch auch in solchen Fällen sind die Bewohner füreinander da. Und das sei ein wirklich schönes Gefühl.