Schwarzenbek. Jede Woche kommen bis zu 50 Geflüchtete an, bis Jahresende könnten es 800 sein. Die Unterkünfte sind aber belegt. Was nun?
Immer wieder kommen an diesem Nachmittag Menschen mit Koffern, Taschen oder Pappkartons, gefüllt mit Bekleidung und Haushaltsutensilien, in die Gemeinschaftsunterkunft des Kreises Herzogtum Lauenburg in Gudow. Aktuell leben 54 Menschen in der Sammelunterkunft, knapp zwei Drittel sind aus der Ukraine geflüchtet. Doch die Menschen mit Koffern und Tüten sind nicht etwa gerade angekommen, sondern sie haben die Kleiderkammer besucht, die von der Initiative „Runder Tisch Willkommenskultur“ eingerichtet wurde. „Die Initiative hat sich bereits 2015 gegründet und konnte jetzt sehr schnell wiederbelebt werden“, sagt Dr. Ulf Kassebaum, Chef des Diakonischen Werks, das die Unterkunft im Auftrag des Kreises betreut.
Herzogtum Lauenburg: Runder Tisch sammelt Haushaltsausstattung für Flüchtlinge
Eine Grundausstattung haben viele der Flüchtlinge, neben Ukrainern vor allem Menschen aus Afghanistan, Irak und Iran, bereits in den Landesunterkünften erhalten. Doch das reicht nicht aus, etwa um zu kochen: Anders als in den Landesunterkünften gibt es in Gudow Gemeinschaftsküchen. Jeweils 22 Bewohner teilen sich einen großen Küchenraum mit drei Herden und drei Spülen.
Dazu kommen Sanitär- und Waschräume. Jeweils zwei Personen teilen sich ein etwa zehn Quadratmeter großes Zimmer mit Spinden und Etagenbett. „In der Kleiderkammer gibt es vieles. Was wir hier aber noch brauchen könnten, wären Spielzeug, Dreiräder oder Bobbycars für die Kinder“, sagt Kassebaum. Die Gemeinschaftsunterkunft am Kaiserberg 23 ist erreichbar unter 0 45 47/12 31.
Die fünf Landesunterkünfte in Neumünster, Boostedt, Rendsburg, Bad Segeberg und Seeth bieten zusammen 6000 Plätze, von denen etwa 4000 belegt sind. Dort untergebracht sind Flüchtlinge, die nicht bei Verwandten oder Freunden untergekommen sind. Von den Landesunterkünften werden sie dann an die Kreise und von dort an die Kommunen verteilt. Einrichtungsleiterin Ina Staedt: „Bei uns kommen jede Woche zwischen 40 und 50 Menschen an.“
Mager: Unterbringung ist ein „Ritt auf der Rasierklinge“
Im Mai 2021 waren große Teile der Gudower Gemeinschaftsunterkunft, die früher ein Polizei-Erholungsheim war, niedergebrannt. Neben einem stehen gebliebenen Altgebäude gibt es jetzt ein neues Haus mit Gemeinschaftsräumen und Büros sowie zwei Containeranlagen mit 44 und 28 Plätzen. Die kleinere Anlage steht bereits, ist aber noch nicht eingerichtet und kann erst übernächste Woche bezogen werden. Noch im Herbst soll dann die Ausschreibung für einen Neubau erfolgen, da die Container zwar vom Kreis gekauft wurden, aber nur eine auf drei Jahre befristete Baugenehmigung haben.
Die zweite Containeranlage entspanne die Situation vielleicht für zwei Wochen, so Landrat Dr. Christoph Mager: „Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge.“ Man wolle möglichst vermeiden, Sporthallen belegen zu müssen. Das würde erhebliche Auswirkungen auf den Schulbetrieb haben und zu gesellschaftlichen Spannungen führen, ist der Landrat überzeugt.
Bis Jahresende könnten es 800 weitere Flüchtlinge sein
Rechne man die aktuellen Zahlen hoch, bedeute dies, dass bis Jahresende mit weiteren 800 Flüchtlingen zu rechnen sei. Mager: „Ich halte es für genauso gut möglich, dass es deutlich mehr werden. Die Alternative, dass der Krieg endet und alle nach Hause zurückkehren, ist deutlich unwahrscheinlicher.“ Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 haben die Städte, Ämter und Gemeinden im Kreis bereits mehr als 2200 geflüchtete Personen aufgenommen. Weil die Wohnraumkapazitäten der Städte, Ämter und Gemeinden nahezu erschöpft sind, appelliert Mager noch einmal an die Bürger, ungenutzte Einlieger- oder Ferienwohnungen zur Verfügung zu stellen.
Kapazitäten erschöpft: Appell an private Vermieter
Doch gerade im Hamburger Speckgürtel ist günstiger Wohnraum knapp und die Preise, die Ferienwohnungsbesitzer aufrufen, häufig zu teuer. Eine Sorge kann Mager den Vermietern jedoch nehmen: Die Wohnungen werden zumeist von den Kommunen angemietet, die die Miete und auch die Energiekosten übernehmen. Zudem würden die Mietverträge befristet abgeschlossen.
„Wer Flüchtlinge aufnimmt, muss auch nicht befürchten, diese jetzt betreuen und zu Behörden begleiten zu müssen“, sagt Kassebaum. Dafür gebe es Fachpersonal, wenn auch zu wenig. Wer Wohnraum anbieten möchte, kann sich bei den Sozialämtern der Städte und Ämter sowie beim Kreis unter 0 45 41/88 85 26 melden.