Schwarzenbek. Sechs Schüler aus der Partnerstadt Zelzate in Belgien absolvierten ein Praktikum in Schwarzenbek. Einer von ihnen: Victor Willems.

Mit perfekten Liegestützen macht sich Victor Willems warm für die Übungen an der Hantelbank und stemmt dann 90 Kilogramm. Sein Kollege Kenneth Kalek, Auszubildender im Sportsclub Schwarzenbek an der Grabauer Straße, unterstützt ihm beim Training, während der Ex-Bodybuilding-Star Arnold Schwarzenegger von riesigen Postern an den Wänden herunterschaut.

Nach dem Drücken geht der 19-jährige Willems aus Zelzate, Schwarzenbeks belgischer Partnerstadt, noch an verschiedene andere Geräte. Sechsmal in der Woche trainiert er nach Feierabend. „Wenn ich nach Hause komme, habe ich richtig Muskeln“, sagt er. Das ist natürlich ein schöner Nebeneffekt seines Aufenthalts in Schwarzenbek, denn hauptsächlich absolviert der Schüler des Go!Atheneums, einer weiterführenden Schule in Zelzate, ein zweiwöchiges Berufspraktikum. Es wird durch das europäischen Erasmus-Programm gefördert. Seit 2015 können die Schüler dieser Schule im Rahmen des technischen und beruflichen Sekundarunterrichts Erfahrungen im Ausland sammeln.

Praktikumsberichte aus Schwarzenbek werden täglich online übermittelt

Victor Willems lernt in Schwarzenbek den Arbeitsalltag in einem Fitnessstudio kennen. „Ich mache alles – vom Handtücher waschen, Ordnung und Sauberkeit halten in den Umkleiden und Duschen entsprechend der Checkliste bis zu den Arbeiten am Tresen“, erzählt er. Gern unterstützt der kontaktfreudige junge Mann auch die Besucher an den Geräten und motiviert sie zum Training. Nachmittags hat er alle Hände voll zu tun. 50 bis 70 Besucher kommen dann in die Trainingsräume. Wie der Tagesablauf war, was er gelernt und erlebt hat, darüber berichtet er täglich online seiner Schule.

Victor Willems unterstützt die Sportsclub-Mitarbeiter auch am Tresen, mixt hier einen Fitness-Drink.
Victor Willems unterstützt die Sportsclub-Mitarbeiter auch am Tresen, mixt hier einen Fitness-Drink. © Monika Retzlaff | Monika Retzlaff

Während seines Aufenthalts wohnt Willems bei einer Familie in Schwarzenbek. „Ich wurde sehr nett aufgenommen, fühle mich sehr wohl. Wir reden viel abends beim Essen, so kann ich etwas Deutsch lernen“, sagt der Austauschschüler. In der Freizeit lernt er Hamburg kennen und er geht auch ganz gern in die Disco des Funparks in Trittau. Sport ist nämlich nicht sein einziges Hobby. Seine größere Leidenschaft ist die Musik. Er spielt mehrere Instrumente, unter anderem Trompete und Klavier. „Ich möchte DJ werden, Musikveranstaltungen organisieren und Producer werden.“

Praktika im Ausland gegen die Kirchturm-Mentalität

Insgesamt absolvierten in den vergangenen beiden Wochen sechs Schüler der weiterführenden Schule Zelzate ein Berufspraktikum in Schwarzenbek. Sie arbeiteten auch bei der Immobiliengesellschaft ID Nord, im Reisebüro Neumann, im Jugendzentrum, in der offenen Ganztagsschule Nordost und in der Tanzschule Steps in Müssen. Ziel ist, dass die Schüler eigenständig in neuer Umgebung lernen, Selbstbewusstsein entwickeln und Orientierung für ihre Berufswahl gewinnen, Deutsch lernen und das Leben in einem anderen europäischen Land kennenlernen.

Auf der Webseite der Schule heißt es dann auch, sie sollen dadurch ihre „Kirchturm-Mentalität“ loswerden, also über den Tellerrand hinausschauen und erleben, was die europäische Gemeinschaft bedeutet.

Europäische Zusammenarbeit erhält durch Ukraine neue Dynamik

Wie bedeutungsvoll das derzeit ist, gab Bürgervorsteher Rüdiger Jekubik (SPD) den Schülern bei der Begrüßung im Rathaus mit auf den Weg. „Das ist gerade jetzt besonders wichtig, um Diktatoren wie Putin zu zeigen, dass die Menschen in Europa in Frieden leben wollen“, betonte er. Mit dem Besuch der Praktikanten komme neue Dynamik in die Verbrüderungsarbeit, sagte Bürgermeister Norbert Lütjens in seiner Ansprache.

Lohn für Völkerverständigung war 1961 der Europapreis

Die Verbrüderung mit Zelzate, Aubenas (Frankreich) und Sierre (Schweiz) besteht seit 1955. Fünf Jahre später kamen noch Cesenatico (Italien) und die niederländische Stadt Delfzijl hinzu, die allerdings 2009 aus dem Städtebund austrat. Für ihre Bemühungen um die europäische Einigungsidee und die Völkerverständigung wenige Jahre nach Kriegsende verlieh der Europarat 1961 als zweiter deutscher Stadt nach Offenbach Schwarzenbek den Europapreis. Auch die Partnerstädte sind mittlerweile Europapreisträger: Aubenas bekam den Preis im Jahr 1963, Sierre folgte 1970, Zelzate 1972, Cesenatico 1974 und Delfzijl 1992. Das alle fünf Verbrüderungsstädte vom Ministerkomitee des Europaratsrats ausgezeichnet wurden, macht die Bedeutung dieser Städtepartnerschaft deutlich.

Der Europarat wurde von zehn nord- und westeuropäischen Staaten gegründet. Er erhielt am 5. Mai 1949 von Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und dem Vereinigten Königreich im Londoner Zehnmächtepakt sein formales Statut. Er ist damit die älteste politische Organisation europäischer Staaten. Die Bundesrepublik Deutschland trat dem Gremium am 14. Juli 1950 zunächst als assoziiertes Mitglied bei und wurde im Mai 1951 vollberechtigtes Mitglied.

Am 5. Mai wird der Gründungstag des Europarats gefeiert

Der Europarat ist institutionell nicht mit der Europäischen Union (EU) verbunden, auch wenn beide die Europaflagge und die Europahymne verwenden. Die zentrale Zuständigkeit des Europarats ist der Schutz der Menschenrechte, bei der EU steht hingegen die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Vordergrund.

Der Europarat ist auch nicht zu verwechseln mit anderen EU-Institutionen wie dem Europäischen Rat (Organ der Staats- und Regierungschefs) oder dem Rat der Europäischen Union (Ministerrat). Sitz des Europarats ist der Europapalast im französischen Straßburg. Am 5. Mai wird alljährlich der Gründungstag des Europarates als Europatag gefeiert.