Ratzeburg. 40 Teilnehmer bei Online-Diskussion zum Thema “Klimawandel und Wald“. Planungen aus Ratzeburg blenden tatsächliche Entwicklung aus.
Bis zu 40 Teilnehmer haben zeitweilig an der Online-Diskussion zum Thema Klimawandel und Wald mitgewirkt. Das Problem: Zur Frage „Wie kann die Anpassung der Wälder an den Klimawandel gelingen?“ beteiligten sich ausschließlich Menschen, die einen standortgerechten Waldumbau befürworten. Anhänger einer konventionellen Waldwirtschaft meldeten sich in der Diskussion mit Ökologen, Genetikern und Waldforschern, mit Vertretern von Naturschutzverbänden und den Befürwortern einer standortangepassten Waldentwicklung nicht zu Wort.
Möglicherweise scheuten sie die Auseinandersetzung in einer von den Linken ausgerichteten Diskussion. Vermutlich war zudem mit Dr. Lutz Fähser, pensionierter Forstdirektor und einer der Väter des Lübecker Stadtwalds, ein Referent geladen, der so gar nicht ins Bild eines Forstbeamten passt, der sich vordringlich um Waldbewirtschaftung und stabilen Holzertrag kümmert.
Gutachter propagieren deutliche Erhöhung des Holzeinschlags
Fähser gehört keiner politischen Partei an. „Mich muss niemand als Feind sehen, ich bin ein Fachidiot für Wald“, so der Mann, der in Friedrichsruh geboren wurde und in Geesthacht Abitur gemacht hat. Vor seinem Wechsel nach Lübeck war er vier Jahre der verantwortliche Förster für den Sachsenwald.
Kritiker werfen Fähser vor, seine Forderung, den Wald sich weitgehend selbst zu überlassen, damit er den Klimawandel bewältigen kann, stehe einem bewirtschafteten Wald mit stabilem Holzertrag und Speicherung von möglichst viel Kohlendioxid entgegen. Die vom Kreis beauftragten Gutachter propagieren für die kommenden zehn Jahre eine deutliche Erhöhung des Holzeinschlags in den Kreisforsten (80.000 statt 50.000 m3 im Jahr), verbunden mit intensivierter Pflege und Durchforstung sowie der Förderung von Nadelbäumen wie Fichten und Douglasien als Bauholz.
Trotz Klimawandel: Holzeinschlag soll enorm steigen
Für viele Diskussionsteilnehmer ist das ein Irrweg: „Die Folgen des Klimawandels sind in dieser Betrachtung überhaupt nicht berücksichtigt“, fasst Fähser die vorherrschende Überzeugung zusammen. Wer heute dafür eintrete, Holz in immer kürzeren Zeiträumen zu pflanzen und zu ernten, lege die Axt an die Artenvielfalt. „Alte Wälder sind wichtig für die Biodiversität.“ In Buchenwäldern, die früher 300 bis 400 Jahre gewachsen sind, sei die Zahl verschiedener Pflanzen und Tiere viel größer als in Wäldern, die schon nach 100 bis 140 Jahren geschlagen werden. Genau aber diesen Artenreichtum gelte es zu schützen, damit der Wald sich auch künftig dem Klimawandel anpassen kann, ohne dass er zusammenbricht.
„Wir kommen nicht umhin, die Entwicklung vom Wirtschaftswald zum Krisenwald zu vollziehen“, mahnt Dr. Jutta Buschbom. Die promovierte Forstgenetikerin aus Ahrensburg ist tätig an der Außenstelle des Instituts für Weltforstwirtschaft in Großhansdorf. Wie Fähser favorisiert auch sie einen Wechsel von Nadel- zu standortgerechten Mischwäldern, wie auch der Zuständigkeit für die Forstwirtschaft – weg vom Bundeslandwirtschafts- hin zum Umweltministerium.
Eine Petition für standortgerechte natürliche Wälder
Dass der Kieler Landwirtschafts- und Umweltminister Jan Philipp Albrecht im Gegensatz zu seinem Vorgänger Robert Habeck den Kontakt zu Umweltverbänden scheue, dagegen verwahrte sich Klaus Tormählen, grüner Bürgermeister in Börnsen. „Grünen-Bashing“ helfe nicht weiter. Es bedürfe eines Schulterschlusses, um zu erreichen, dass der Waldumbau gelinge. „Sonst lenken CDU, FDP und AfD die Entwicklung in die von der politischen Mehrheit favorisierten Richtung.“
Uta von Bassi, BUND-Ortsgruppe Ratzeburg, wirbt für eine Petition zum Umbau der Lauenburgischen Kreisforsten. Und mahnt, dem Wald die Zeit zu geben, sich selbst anzupassen: Schwäche sich der Golfstrom weiter ab, werde die Temperatur in Europa nicht weiter steigen, sondern einbrechen: „Dann ist die Fichte nicht die Verliererin sondern die Gewinnerin des Klimawandels.“ Fähser setzt zunächst auf weitere politische Überzeugungsarbeit. „Dass gut 90 Prozent der Experten bei einer Anhörung die Kreispläne ablehnen, darauf wird der Kreis reagieren müssen.“