Schwarzenbek. Karolin Broosch zog nach Oslo und Rio, um zu musizieren. Dabei lernte sie in den Favelas den Mann fürs Leben kennen.

„Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, so denke ich an Musik. Da mein Vater nebenbei als Unterhaltungsmusiker arbeitete, war Musik in unserem Haus allgegenwärtig“, sagt Karolin Rosalie Broosch, die in Schwarzenbek aufgewachsen ist und dort ihr Abitur machte. Sie selbst erlernte als Kind Blockflöte, Klavier und Geige, konnte ihren Vater schon früh bei Auftritten begleiten.

Am Dienstagabend gastierte die 39-Jährige mit ihrem Ehemann Tiago Cosmo aus Rio de Janeiro bei unserem Streaming-Konzert „Bühne frei – live dabei!“ in ihrer Heimatstadt im Amtsrichterhaus in Schwarzenbek. Seit zehn Jahren sind die Schwarzenbekerin und der Brasilianer ein Paar.

Schwarzenbekerin studierte in Hamburg, Dresden und Oslo

Vor 20 Jahren zog es Karolin Broosch in die weite Welt: Zunächst studierte sie in Hamburg und Dresden, dann in Oslo Musik und Pädagogik, war dort auch Konzertmeisterin am Nationaltheater. Vor zehn Jahren zog es sie nach Brasilien: Mit Lebenspartner Tiago Cosmo und ihren beiden Kindern unterrichtete sie in Rio de Janeiro Musik und gründete mit großem Erfolg die Camerata Laranjeiras.

2017 gastierte Karolin Broosch mit den jungen Musikern aus Rios Armenvierteln (Favelas) zuletzt auf einer Deutschland-Tournee. Diese führte sie unter anderem nach Berlin und München – und auch zurück in die Heimat nach Schwarzenbek. Dort gab sie ihr Gastspiel im Neubau des Gymnasiums an der Buschkoppel.

Das Paar teil die Leidenschaft, die Welt durch Musik zu verbessern

Die 39-Jährige kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken. 2010 gastierte sie bereits einmal mit dem Quintett Katharsis des renommierten Barratt-Due-Musikinstituts in Oslo im Amtsrichterhaus. Diese Schule ist durch den norwegischen Eurovision-Songcontest-Sieger Alexander Rybak europaweit bekannt geworden. Katharsis bestand aus drei norwegischen, einer japanischen und der deutschen Musikerin.

Durch diese ungewöhnliche Kombination hatte das Quintett seinen eigenen musikalischen Ausdruck gefunden. Tourneen führten die Gruppe bis nach Japan. Das Klavierquintett Katharsis machte Werke der Kammermusik aus verschiedenen Epochen einem großen Publikum zugänglich. Motto-Konzerte sowie pädagogische Projekte waren den Musikern eine Herzensangelegenheit.

Paar gründet die Camerata Laranjeiras an der Deutschen Schule

Bereits während dieser Zeit unternahm die Musikerin die ersten Reisen nach Südamerika. „Als ich 2007 zum ersten Mal nach Brasilien reiste, lernte ich dort eine ganz andere Bedeutung von Musik kennen, außerhalb von Konzerthäusern und Musikhochschulen. Das Musizieren insbesondere mit Kindern aus den Favelas zeigte mir sehr deutlich, dass Musik ein Anker im Leben sein kann“, erzählt die 39-Jährige. „Nach vielen Reisen von Norwegen nach Brasilien und vielen Konzerten in beiden Ländern, packte ich 2012 endgültig meine Koffer und zog mit meiner inzwischen geborenen Tochter und meinem Mann nach Rio de Janeiro.“

Dort arbeitete sie zunächst als 2. Konzertmeisterin des Orquestra Sinfonica Brasileira Òpera & Repertorio und unterrichte zudem Kinder und Jugendliche aus den Favelas in Niteroi und Rio de Janeiro. 2013 gründeten das Paar schließlich die Camerata Laranjeiras, angesiedelt an der Deutschen Schule in der Millionenmetropole am Zuckerhut. „Die Gruppe war ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Lebens in Rio de Janeiro“, sagt Karolin Broosch rückblickend.

Im Jahr 2019 kommt die Familie zurück nach Deutschland

Im Jahr 2019 kamen sie und ihre Familie dann aber doch wieder nach Deutschlang zurück: Heimweh und die unsichere Lage in Rio führten sie nach Lübeck. Dort wollte die 39-Jährige eigentlich als Musiklehrerin an einer Grundschule arbeiten, doch die Anstellung zerschlug sich, weil ihr norwegischer Universitätsabschluss hierzulande nicht anerkannt wurde – Norwegen ist kein EU-Mitgliedsland.

Seitdem treten Broosch und Cosmo gemeinsam als Duo auf. Allerdings hat der Lockdown die beiden voll erwischt. Seit mehreren Monaten gaben die beiden bis zum jüngsten Lockdown auch Crowdfunding-Konzerte für Musiker in der Region – überwiegend auf Gut Basthorst. Dienstagabend waren sie dann live aus dem Amtsrichterhaus zu hören. Der Mitschnitt des Konzerts ist online auch im Nachhinein weiter unter bergedorfer-zeitung.de zu sehen.

Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit Zukunft des Amtsrichterhauses

Das „Bühne frei“-Konzert war aber nicht nur für das Musikerduo eine derzeit seltene Gelegenheit. Auch im Amtsrichterhaus läuft die Kultur seit Monaten auf Sparflamme – nicht nur wegen Corona. Wie berichtet ist der Vertrag über die Koordination der Kulturarbeit mit der Louisenhof gGmbH zum Jahreswechsel 2020/2021 ausgelaufen. Programm – wenn denn Corona es zulässt – gibt es noch bis Ende März.

Wie es in dem historischen Gebäude nach dem Frühjahr weitergehen könnte, ist völlig offen. Damit befasst sich momentan eine Arbeitsgruppe bestehend aus Politikern und Verwaltungsmitarbeitern hinter verschlossenen Türen. „Die Kulturarbeit dort muss weitergehen“, sagten indes Bürgervorsteher Rüdiger Jekubik und Bürgermeister Norbert Lütjens unisono.