Schwarzenbek. Mehr Platz für die Schüler, Feuerwehrneubau, Bildungszentrum und Corona stehen für Norbert Lütjens ganz weit oben auf der Agenda.

Die Bilder an der Wand sind neu — überwiegend großformatige Fotografien. Ein Bild von Ehefrau Nadine steht auf dem Schreibtisch. Der neue Chef lehnt sich während des Interviews auch mal salopp mit Jeans und blauem Sakko an die Fensterbank und strahlt Optimismus aus. Die Projekte, die Politik und Verwaltung in den kommenden Monaten und Jahren angehen müssen, sind gigantisch und werden die Stadt viele Millionen Euro kosten. Trotzdem ist Norbert Lütjens zuversichtlich, dass zum Ende seiner ersten Amtszeit in sechs Jahren zumindest bei der Erweiterung der Schulen und beim Bau der neuen Feuerwache vieles erreicht sein wird. Auch eine aktive Wirtschaftsförderung ist eines seiner Kernthemen.

Schwarzenbeks Bürgermeister Lütjens im Interview

Für den 50-Jährigen, der am 1. Dezember 2020 den Job an der Spitze der 120 Mitarbeiter zählenden Verwaltung angetreten hat, steht jetzt aber schon fest, dass er bei der Bürgermeisterwahl 2025 gern in „die Verlängerung“ gehen würde — sofern die Bürger ihn wieder wählen. Denn auch das Bildungszentrum in der alten Realschule ist ein Herzensprojekt des Verwaltungschefs — und das wird voraussichtlich bis dahin nicht fertig sein. Im Interview mit unserer Zeitung sagt Lütjens, was aus seiner Sicht jetzt ansteht und was ihn bewegt.

Herr Lütjens, wie haben Sie die ersten Wochen im neuen Amt erlebt?

Norbert Lütjens: Die Arbeitstage sind extrem lang, weil ich mich in vieles einarbeiten muss. Aber ich komme nach wie vor mit Freude ins Rathaus und werde sehr angenehm durch die Mitarbeiter unterstützt. Für viele, die länger im Haus sind, war der Wechsel an der Spitze ungewohnt, weil sowohl meine Vorgängerin Ute Borchers-Seelig und deren Vorgänger Frank Ruppert bereits vor der Wahl als Kämmerer in der Kernverwaltung gearbeitet haben und sich in der Frage der Finanzen bestens auskannten. Ich habe als Stadtjugendpfleger zwar auch der Verwaltung angehört, war aber doch eher ein Externer. Trotzdem spüre ich eine große Aufbruchstimmung im Haus — auch wenn es seit dem neuen Lockdown hier sehr leer geworden ist.

Es gibt viele große Aufgaben und Bauprojekte, die anstehen. Wo liegen Ihre absoluten Prioritäten für 2021?

So seltsam es im ersten Moment klingen mag: Das wichtigste ist die Corona-Taskforce, die wir jetzt aufgestellt haben und mit der wir die Verwaltung arbeitsfähig halten wollen. Wir haben zusätzliche Laptops beschafft, nur das allernötigste Personal bleibt im Haus, die übrigen Beschäftigten sind im Homeoffice. Damit bringen wir die Digitalisierung unfreiwillig viel schneller voran, als wir es geplant hatten. Trotzdem haben wir es auch geschafft, die Verwaltung — im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen im Kreis — zwischen Weihnachten und Neujahr nicht zu schließen.

Wir haben alle Anfragen beantwortet und Anträge mit einem Notdienst bearbeitet, aber praktisch keine Besucher ins Haus gelassen. Wir arbeiten an vielen Stellen im Mehrschicht-System. Konferenzen finden ausschließlich über Video statt, selbst wenn sich alle Beteiligten im Haus befinden. So halten wir die Kontakte so gering wie möglich. Schwierig ist es nur im Bauhof. Sollte es Schnee geben, ist der Räumdienst mit reduzierter Mitarbeiterzahl nicht zu gewährleisten. Homeoffice geht in diesem Bereich natürlich auch nicht.

Wie geht es denn weiter mit der Digitalisierung? Die Politiker haben in diesem Bereich bereits Defizite angemahnt.

Wir sind auf einem guten Weg. Bis zum Februar hoffen wir, die Terminvergabe online vornehmen können. Im nächsten Schritt werden wir Meldeangelegenheiten, Gewerbeanmeldungen und die Erfassung von Fundsachen digitalisieren. Vieles wird in diesem Jahr bereits kommen, bis 2023 müssten wir die Digitalisierung ohnehin umsetzen. Das schreibt das Online-Zugangsgesetz vor. Um dieses Projekt vorantreiben zu können, setzen wir multiprofessionelle Teams ein, die Fachbereich übergreifend arbeiten. Das fühlt sich trotz der Kürze der Zeit, in der wir so arbeiten, bereits wie Alltag an. So werden wir künftig auch andere Projekte zügiger und mit geballter Expertise ohne Reibungsverluste vorantreiben.

Aktuell steckt die Stadt nach erfolgreicher Konsolidierung wieder in einer finanziellen Krise. Einer der Gründe ist neben Corona die extrem starke Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Situation zweier großer Gewerbesteuerzahler. Was kann Schwarzenbek in diesem Punkt tun?

Wir brauchen zusätzliche Gewerbebetriebe — auch um Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen. Vorhandene Gewerbeflächen möchte ich gerne gemeinsam mit den Grundeigentümern entwickeln. Darüber hinaus fehlen uns aber weitere Gewerbeflächen. Dieses Problem können wir nur gemeinsam mit den umliegenden Gemeinden lösen. Wir brauchen ein passendes Stadt-Umland-Konzept, wie es zum Beispiel auch Geesthacht umgesetzt hat (Seit 2019 hat Geesthacht mit den Gemeinden Hohenhorn, Hamwarde, Worth und Wiershop kreisweit das erste Stadt-Umland-Konzept unterzeichnet, Anm. der Redaktion).

Dafür braucht es Vertrauen und Gespräche auf Augenhöhe mit allen Beteiligten. Ich habe bereits beim Verwaltungsleiter des Amtes Schwarzenbek-Land, Ralf Spinngieß, und Amtsvorsteher Klaus Hansen vorgesprochen. Ich bin guter Dinge, dass es uns gelingen kann, auf diesem Weg ein Konzept für unsere Region zu entwickeln. Der Flächentausch und die Vereinbarung für das jetzt entstehende Grabauer Gewerbegebiet haben schließlich auch funktioniert und waren Vorbild für andere Kommunen im Land.

Ein Dauerbrennerthema ist seit mehr als zwei Jahren die Raumnot in den beiden Grundschulen. Wann kommt eine Lösung für dieses Problem?

Wir befinden uns im Augenblick mitten in der so genannten „Phase Null“. Gemeinsam mit dem Hamburger Planungsbüro Trapez vom Architekten Dirk Landwehr ermitteln wir die Raumbedarfe und Konzepte. Daran sind auch Eltern, Lehrer, Schüler und Politiker beteiligt. Dieses Jahr wird das Ergebnis vorliegen. Es wird aber auch um die Frage gehen, ob eine Erweiterung in den Bestandsbauten möglich und sinnvoll ist.

Denn beide Schulen sind sehr alt und müssten bei einem Umbau nicht nur energetisch sondern auch in anderen Belangen auf den  neuesten Stand gebracht werden. Möglicherweise könnte es dann auch auf Neubauten hinauslaufen. Aber das ist alles noch offen. Die Kosten werden in jedem Fall sehr hoch sein. Und es werden einige Jahre vergehen, bis die Schulen erweitert oder neu gebaut sind.

Die Feuerwehr braucht ebenfalls ein neues Gebäude, für das nach ersten Berechnungen wohl zwölf Millionen Euro fällig werden. Wann geht es dort los?

Der Neubau des Feuerwehrgebäudes ist ein weiteres wichtiges Projekt in Schwarzenbek. Hier haben wir bereits mit der Umsetzung begonnen. Nach erfolgtem Grundstückserwerb steht nun die Planung für die verkehrstechnische Anbindung des zukünftigen Feuerwehrgeländes an. Hier sind wir ganz konkret im Gespräch mit dem Landesbetrieb für Verkehr. Darüber hinaus erfolgt noch in der ersten Januarwoche eine erste Auftragsvergabe an ein Planungsbüro für die Vorbereitung der Bauleitplanung. Auf dieser Basis kann dann ein Bebauungsplan in die politische Beratung gehen, so dass in diesem Jahr hoffentlich auch noch mit der Hochbauplanung begonnen wird. Wir arbeiten also intensiv an der Umsetzung des Projektes.

Für viele Schwarzenbeker ist ein neues Schwimmbad ein Traum. Auch das attraktivere Umfeld für den Bahnhof steht auf der Wunschliste vieler Bürger weit oben. Für beide Projekte gibt es teure Machbarkeitsstudien. Was passiert damit?

So bitter es ist: Aus meiner Perspektive müssen diese Pläne auf unbestimmte Zeit in der Schublade bleiben. Auch wenn das niemand gerne aussprechen mag: Das können wir uns angesichts der großen Projekte, die wir vor der Brust haben, einfach nicht leisten.

In Ihrer Antrittsrede haben Sie gesagt, dass die Stadt trotz der finanziellen Probleme ein gutes Kunst- und Kulturangebot braucht, um Lebensqualität zu schaffen. Warum ist das so wichtig?

Kultur ist wichtig, weil sie ein Katalysator ist und die Welt erklärt. Kunst provoziert auch und regt gesellschaftliche Diskussionen an. Sie schafft auch Identifikation der Bürger mit der Stadt. Ein gut gemachtes Stadtfest, wie unser Stadtvergnügen, ist keine Saufmeile sondern eine Folklorebühne, ein Ort der Zusammenkunft. Genau so wertvoll sind die Aral-Open-Konzerte unter der Brücke, die eine wichtige Marke für Schwarzenbek geworden sind und Werbung für uns als Wohnort, Einkaufsstadt und Wirtschaftsstandort machen. Ein städtischer Kulturmanager, der die ehrenamtlichen Kulturschaffenden und die Initiatoren von Veranstaltungen unterstützt, wäre mein Traum.

Die meisten Veranstaltungen waren im vergangenen Jahr wegen Corona nicht möglich, aber jetzt droht auch ein Aus für das Amtsrichterhaus. Wie geht es da weiter?

Aus meiner Perspektive müssen wir das Haus als Kulturstätte erhalten. Die Kooperation mit der Louisenhof gGmbH war ein tragfähiges Konzept. Es ist sehr schade, dass sich dieses Modell nicht weiterführen ließ. Wir brauchen ein neues Konzept und Kontinuität bei der Kulturarbeit in dem Haus. Der Lockdown durch die Corona-Pandemie gibt uns Zeit, nach einer Lösung zu suchen. Eine Arbeitsgruppe, die aus Politikern, Akteuren und Verwaltungsmitarbeitern besteht, ist an dem Thema dran. Auch hier könnte ein Kulturmanager helfen. Allein aus der Verwaltung heraus können wir keinen Kulturbetrieb im Amtsrichterhaus organisieren und auch die Öffnungszeiten nicht abdecken.

Viele Vereine in der Stadt sind ohnehin von Mitgliederschwund geplagt. Durch Corona liegt das Vereinsleben brach. Was kann die Stadt tun, damit das Vereinsleben nach dem Lockdown wieder Fahrt aufnimmt?

Das muss man sehen. Leider fallen die üblichen Jahreshauptversammlungen im Januar genau so aus, wie die Weihnachtsfeiern nicht stattfinden konnten. Das wären gute Gelegenheiten gewesen, mit den Vereinen ins Gespräch zu kommen. Möglicherweise können wir helfen, indem wir Räume zur Verfügung stellen. Wenn die Politik mitzieht, könnten auch punktuell freiwillige Leistungen helfen, falls Vereine zum Beispiel wirtschaftlich in die Schieflage gekommen sind. Ein intaktes Vereinsleben ist wichtig für eine lebendige Stadt.  

Seit vielen Jahren gibt es Diskussionen um einen neuen Wirtschaftsförderer. Sie waren selbst einmal für diese Position im Gespräch. Wie wichtig wäre ein Wirtschaftsförderer für die Stadt?

Wirtschaftsförderung ist ein wirklich wesentlicher Faktor für die Entwicklung unserer Stadt. Dabei geht es mir gewiss nicht um unbegrenztes Wachstum oder eine vielerorts befürchtete fortschreitende Versiegelung von Flächen. Nach meinem Verständnis richtet sich Wirtschaftsförderung eher daran aus, einen Beitrag zur Verbesserung unser aller Lebensqualität zu leisten. Schwarzenbek als attraktiver Lebens- und Wirtschaftsstandort wird wachsen, der Druck auf die Stadt ist groß. Die Frage ist doch, ob wir diesen Prozess aktiv gestalten wollen oder nur auf die Entwicklungen reagieren werden.

Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit und Finanzkraft unseres Standortes sichern wollen, müssen wir uns nach meinem Verständnis aktiv um die dafür notwendigen Rahmenbedingungen kümmern und diese gestalten. Sonst machen das andere und das vielleicht zu Bedingungen, die wir als Stadt gar nicht wollen. Solche Dinge wie Netzwerkpflege, Akquise, Flächenentwicklungen, Standortmarketing oder Stadtentwicklung machen sich nicht von selber. Schwarzenbek braucht aus meiner Sicht also dringend jemanden, der diese Aufgaben in Vollzeit übernehmen kann.