Schwarzenbek. Der Schwarzenbeker Ortsverband der Grünen diskutiert über Folgen von Neubaugebieten für Stadt und Land.
Der Bauboom macht auch vor Schwarzenbek nicht halt. Durch den demografischen Wandel und Pendlerzuzug ist ein Bevölkerungswachstum von rund 16.500 auf 18.000 Einwohner prognostiziert. Dabei gibt es kaum noch Gewerbeflächen in der Stadt und auch Grundstücke für Wohnungsbau werden immer knapper. Um neue Flächen auszuweisen, arbeiten die Politiker seit etwa zwei Jahren hinter verschlossenen Türen an einem neuen Flächennutzungsplan.
Aber wie sinnvoll ist die Ausweisung von immer mehr Neubaugebieten und welche Folgen sind damit verbunden? Um sich darüber zu informieren, hat der Ortsverband der Grünen Schwarzenbek einen Experten zu seiner ersten Online-Konferenz eingeladen. Merlin Michaelis vom BUND Schleswig-Holstein hat vor rund 20 Teilnehmern über sein Fachgebiet Flächenverbrauch unter dem Motto „Weniger ist mehr“ referiert.
Bauboom in Schwarzenbek – mehr Neubaugebiete?
„Fakt ist: Während die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum in den Ballungsräumen stetig wächst, beklagen viele Kommunen im ländlichen Raum Wegzug und Leerstand. Dennoch planen sie weiterhin neue Baugebiete in der Hoffnung, so dem Bevölkerungsschwund entgegenzuwirken und ihren Haushalt zu konsolidieren“, beginnt Michaelis und benennt gleich das Grundproblem, das die Grundlage seiner Arbeit ist: Städte und Ortschaften weiten sich in die Natur aus mit der Konsequenz, dass dadurch wertvolle Natur- und Kulturlandschaften zerstört werden.
Denn: Böden sind in mehrfacher Hinsicht wertvoll. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und sich in ihrer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel gesetzt, den wachsenden Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr bis zum Jahr 2030 deutschlandweit auf 30 Hektar pro Tag zu senken. „Noch liegen wir bundesweit bei einem Verbrauch von 74,4 Hektar pro Tag“, sagt Michaelis. In Schleswig-Holstein beträgt der Flächenverbrauch 3,1 Hektar pro Tag – gefordert sind 1,3 Hektar pro Tag.
Der Flächenverbrauch liegt landesweit bei 3,1 Hektar pro Tag
Vor allem in ländlichen Regionen sei der Zuwachs an verbrauchter Fläche besonders hoch, da dort meist auf der grünen Wiese gebaut wird. „Die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen sind gravierend“, betont Merlin Michaelis. „Böden dienen unter anderem als Speicher für Klimagase, als Wasserspeicher, als Filter für Regenwasser“, berichtet er. „Zudem wird die Artenvielfalt bedroht, weil Lebensräume zerschnitten werden und damit die Biodiversität gefährdet ist“, ergänzt er.
Dazu kämen soziale Probleme, die sich durch die Randlage vieler Neubaugebiete ergeben würden: Einkaufszentren siedelten sich dort an und förderten den Leerstand in den Ortsmitten. Merlin Michaelis: „Wer es sich leisten kann, baut. Diejenigen, die in den Zentren wohnen bleiben, sind meist sozial schwächer gestellt. Das führt zu einer sozialen Entmischung.“
Kommunen könnten ein Baulandkataster erstellen
Aber auch die wirtschaftlichen Folgen seien immens. Denn neue Wohngebiete kosten Geld – Straßen müssen gebaut, Grünflächen angelegt, Abwasserkanäle und Stromleitungen verlegt werden. Aber auch auf lange Sicht belasten neu erschlossene Baugebiete die Haushalte von Städten und Gemeinden. Kitas, Schulen, neue ÖPNV-Verbindungen müssten geschaffen werden. „Häufig übersteigen die Ausgaben die Einnahmen nach wenigen Jahren“, weiß Merlin Michaelis. Die erheblichen Folgekosten, die für den Unterhalt der neuen Infrastrukturen anfallen, würden allerdings in den Planungen oft nicht ausreichend berücksichtigt.
Ziel jeder Kommune müsse sein, den Flächenverbrauch zu reduzieren. Dafür gebe es durchaus Instrumente, sagt Merlin Michaelis. Eine Möglichkeit sei die Erstellung eines Baulandkatasters, in dem Potenziale in den Zentren, wie Baulücken, Verdichtung oder Leerstand, erfasst werden und als Grundlage einer Leitlinie künftiger Bauvorhaben dient. Ist das Potenzial für die Innenentwicklung eines Ortes ausgeschöpft, gilt es, den günstigsten Standort für eine neue Siedlung zu finden.
Praktische Hilfe bei der Entscheidungsfindung bietet ein Folgekosten-Schätzer. „Mit dem kostenlosen Tool lässt sich schon zu Beginn der Planungen abschätzen, wann welche Infrastrukturkosten durch neue Wohnbaugebiete entstehen. Kommunen können verschiedene Planungsvarianten durchspielen und vergleichen, und so die nachhaltig wie wirtschaftlich beste Lösung finden“, erläutert er. Sinnvoll sei auch die Kooperation mit Nachbargemeinden. „Entscheidungsgrundlage könnte werden, welcher Ort die beste infrastrukturelle Anbindung bietet“, sagt er.
Flächenversiegelung ist mittlerweile ein großes Problem geworden
„Dass Flächenversiegelung ein ebenso großes Problem ist wie der Klimawandel, ist vielen noch nicht bekannt“, sagt Ralph Urban, Ortsverbandsvorsitzender der Grünen. Die Konsequenzen neuer Baugebiete für Schwarzenbek müssten mehr kommuniziert werden. Er kritisiert, dass der neue F-Plan unter Ausschluss der Öffentlichkeit erarbeitet wird, wobei selbst die Fraktionen untereinander noch uneins seien, wie die Zukunft der Stadt aussehen kann. Urban: „Es ist ein problematisches Verfahren und es gibt noch keine vernünftige Planung.“