Lauenburg. Es gibt sehr viele Dokumentationen über den Nationalsozialismus. Was an diesem Film so besonders ist.
Der Blick aus dem Fenster seines Studios geht weit über die Elbe, zumindest jetzt, wo die Bäume ohne Laub sind. Weitblick brauchte es auch, um eine Dokumentation über Hitler zu drehen – die dem Zuschauer eigene Gedanken und Schlüsse nicht abnimmt. Der Lauenburger Filmproduzent Thorsten Pollfuß und Regisseur Hermann Pölking haben sich diesem Anspruch gestellt.
Die Dokumentation „Wer war Hitler?“ sorgte bei der Kinopremiere 2017 für große Beachtung in den Medien. „Das Material hätte für 30 Stunden Sendezeit gereicht“, sagt Pollfuß. Doch die Filmemacher mussten sich entscheiden. Sie wollten das Leben des Diktators nachzeichnen, dessen Machtergreifung sich am 30. Januar zum 90. Mal jährt. Ob das gelungen ist, müssen die Zuschauer entscheiden. Der Film wird aus diesem Anlass am Sonntag, 12. Februar, in Lauenburg gezeigt.
Woher kommt das Interesse für den Nationalsozialismus?
Für den Medienexperten Thorsten Pollfuß ist das Leben Adolf Hitlers kein Neuland. „Als ich im Jahr 2000 bei „Spiegel TV“ anfing, dachte ich zunächst, es sei doch nun alles erzählt und keiner wolle noch etwas über Hitler und den Nationalsozialismus sehen. Aber ich hatte mich getäuscht. Alles, was zu dem Thema gemacht wurde, fand große Aufmerksamkeit“, erinnert er sich. Pollfuß meint, dafür einen Grund ausgemacht zu haben: „Der Nationalsozialismus hat die größte Krise in Deutschland ausgelöst, an die sich die Menschen erinnern können. Wie kam es dazu, ist die immer noch interessierende Frage“ Der Lauenburger wollte die Geschichte noch einmal anders erzählen.
Wobei erzählen aus seiner Sicht das falsche Wort sei. „Die Dokumentationen zum Dritten Reich folgen meist einem bestimmten Schema: Lange Erzählung der Fakten durch einen Sprecher, dann eine Bestätigung dessen durch ein oder zwei Augenzeugen und abschließend die finale Bestätigung all dessen durch ein oder zwei Experten. Der Zuschauer bekommt das alles fertig vorgesetzt und dreimal durchgekaut“, hat er festgestellt. Genau so wollte er nicht arbeiten. Bei Hermann Pölking rannte er mit seiner Idee offene Türen ein. „Es musste möglich sein, anhand originaler Filmaufnahmen zu zeigen, wie aus einem ausgesprochenen Verlierertypen der große Diktator werden konnte, ohne zu schulmeistern.“
Überwiegend privates Filmmaterial kommt zum Einsatz
Schnell waren sich die beiden Filmemacher über ihr Stilmittel einig: Der Sprechertext spielt bei diesem Film eine untergeordnete Rolle. Pollfuß: „Wir wollten zeigen, wie es Hitler geschafft hat, zu dem zu werden, was er war. Wie waren die damaligen Verhältnisse? Was haben die Leute damals über ihn und sein Handeln gedacht? Was haben sie gemacht? Was hat er gemacht? Wie kam es zu alledem?“
Der Film wird weitgehend erzählt über Zitate von Personen, die zusammen mit Hitler lebten, die die Ereignisse aus eigener Ansehung schildern. Dabei kommen Briefe, Tagebücher, Reden, Bücher und Zeitungsartikel aus der Zeit zum Einsatz. Der Zuschauer erlebt den Werdegang Hitlers damit quasi als zeitgenössischer Beobachter. „Wir wollten, dass er in die damalige Zeit eintaucht“, sagt Pollfuß. Dabei wird auf die klassischen Szenen aus Wochenschauen weitgehend verzichtet. „Die Filme aus privaten Quellen sind weitgehend ungefiltert und ungeschönt. Die Ereignisse werden damit durch eine Sicht von unten erzählt. Dem Zuschauer erschließt sich mehr und mehr ein Bild der damaligen Zeit“, so der Produzent.
In 12 Ländern nach privatem Filmmaterial gesucht
Daran, dass es genügend Material geben würde, zweifelten weder Pollfuß noch Pölking. Persönliche Kontakte ließen die Filmemacher in 80 Archiven in zwölf Ländern auf Spurensuche gehen. „Wir haben Ansichtskopien von fast 1000 Stunden Film gesichtet“, sagt Pollfuß.
Am Ende galt es, eine Auswahl von Filmdokumenten zu finden, die das Leben Hitlers von der Geburt bis zu seinem Freitod nachzeichnen. Natürlich ist der nicht in allen Filmsequenzen selbst zu sehen, aber stets das Lebensgefühl der Menschen zu der jeweiligen Zeit. Am Ende sind drei Versionen der Dokumentation „Wer war Hitler?“ entstanden: Eine 13-teilige Fernsehfassung, eine siebeneinhalbstündige Festivalversion und ein dreieinhalb Stunden langer Kinofilm. Die verschiedenen Versionen der Dokumentation zeichnen das Leben von Hitler nach: vom ewigen Verlierer zum Volksredner bis hin zum Massenmörder, Kriegsverbrecher und Selbstmörder. Ist es nicht ein Risiko, den Zuschauer mit den fast unkommentierten Filmszenen allein zu lassen?
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Zugegeben, es sei keine leichte Kost, räumt Pollfuß ein. Aber die Parallelen seien deutlich erkennbar. „Es scheint fast, als wären Hitler und der Nationalsozialismus eine Art Blaupause für die Populisten unserer Zeit. All das, was die Diktatoren dieser Welt derzeit veranstalten, findet Vorläufer in Hitler. Wenn wir da nicht aus der Geschichte gelernt haben und dem entschieden entgegentreten, sehe ich dunkle Zeiten auf uns zurollen.“.
Die Veranstaltung am Sonntag, 12. Februar beginnt um 12 Uhr in der Heinrich-Osterwold-Halle (Elbstraße 145). Der Eintritt ist frei. Zu Beginn der Veranstaltung erfolgt eine Einführung durch den Produzenten des Films, Thorsten Pollfuß. . Der Film dauert gut drei Stunden und wird durch eine Pause unterbrochen. Nach der Vorstellung können Fragen gestellt werden. Das Ende der Veranstaltung ist um 17 Uhr. Getränke, Snacks, Kaffee und Kuchen sind erhältlich. Zu der Veranstaltung laden ein: die Produktionsfirma Epoche Media, Awo Lauenburg, Bündnis 90/Die Grünen, evangelische Kirchengemeinde Lauenburg, die Initiative Omas gegen Rechts und die Partnerschaft für Demokratie Lauenburg.