Lauenburg. Durch das Wasser war der Weg damals Richtung Süden versperrt. Was nun? Hamburger Historiker referiert über die Katastrophe und Folgen.

Am Dienstag, 11. Oktober, erinnert Helmut Stubbe da Luz, Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr in Hamburg, an die Sturmflut 1962, die größte Katastrophe nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Norddeutschland und geht dabei auch auf die Rolle der Schifferstadt ein, deren 1951 erbaute Elbbrücke eine wichtige Rolle auch bei den Hilfsmaßnahmen spielte. Der Heimatbund und Geschichtsverein hatte mit Archivar Dr. Lukas Schaefer den Historiker bereits für Februar eingeladen, doch die Veranstaltung wurde wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Im Elbschifffahrtsmuseum (Elbstraße 59) holt der Historiker um 19.30 Uhr seinen Vortrag nun nach.

Vortrag in Lauenburg über die Sturmflut 1962

Jürgen Bruns aus Lehrte bei Hannover war 1962 Postbeamter und berichtete bereits 2009 von einer Fahrt im Postzug von Hannover nach Hamburg: „Hinter Hamburg-Harburg schaute ich beim Überqueren der Elbe durch das Fenster neben dem Briefkasten auf die Elbe. Das Wasser stand fast bis unter die Brücke, und ich wusste, das wird schlimm.“

Die Rückfahrt am Abend des 17. Februar konnte dann nicht mehr über die gesperrten Elbbrücken erfolgen, sondern es ging nach Lübeck und von dort zur Lauenburger Elbbrücke und weiter nach Hannover. Bruns: „Zum Glück brachten die Kollegen in Uelzen Bier und Brötchen. Statt planmäßig nachts um 3 Uhr liefen wir gegen Mittag in Hannover ein.“

Die Höhe der Flutwelle übertraf alle bisherigen Pegelstände

Mit 130 Stundenkilometern war Orkan Vincinette über Norddeutschland gefegt und hatte das Wasser aus der Deutschen Bucht in die Elbe getrieben. Die Flutwelle war riesig: Der Pegel in St. Pauli maß um 2 Uhr nachts 5,70 Meter – so hoch wie niemals zuvor. Wären nicht die Deiche überflutet worden und gebrochen, hätte die Flutwelle auch Geesthacht und Lauenburg getroffen.

Erst seit dem Bau der Geesthachter Staustufe und seiner Elbbrücke im Jahr 1966 gilt der Bereich der Oberelbe als tideunabhängig und war damit aus dem Küstenschutzprogramm des Landes Schleswig-Holstein herausgefallen. Ein Grund, weshalb trotz der zahlreichen Elbhochwasser sich die Planungen der Schutzmaßnahmen so zäh gestalten.

Historiker kratzt am Image des Krisenmanagers

Ausgerechnet Stubbe da Luz von der nach Helmut Schmidt benannten Bundeswehr-Uni kratzte schon 2018 am Image des 2015 verstorbenen Alt-Kanzlers als erfolgreicher Krisenmanager. Schmidt hatte 1962 als Hamburger Innensenator die Koordinierung der Rettungskräfte übernommen und sich dabei, so die Legende, über das Grundgesetz hinweg gesetzt und Bundeswehr sowie Hilfe der Nato-Staaten angefordert. Ein Mythos, wie der Historiker herausfand: Bereits seit 1958 gab es eine Dienstvorschrift, die den Einsatz der Bundeswehr bei Katastrophen legitimierte.

Helmut Schmidts Rolle zwischen Mythos und Realität

Doch die Absicht des Historikers war es nicht, den ehemaligen Kanzler vom Sockel zu stoßen, wohl aber seine Leistung neu einzuordnen. In einer Interview sagte er 2018: „Die Katastrophe war ja nicht nach dem einen Tag vorbei. Helmut Schmidt hat entscheidend dazu beigetragen, das Chaos Stück für Stück in den Griff zu bekommen. Man darf nicht vergessen: Das war für die Stadt die größte Katastrophe seit dem Feuersturm von 1943. Mehr als 300 Tote! Da hat Schmidt einiges geleistet. Daran gilt es zu erinnern.“