Büchen/Kasseburg. Auf zwölf Hektar sollen sich kleine und mittlere Betriebe zwischen Büchen und Müssen ansiedeln. Kippt der Bürgerentscheid die Pläne?
Eine Entwicklung wie in Kasseburg, wo ein Bürgerentscheid 2021 ein gut 31 Hektar großes Gewerbegebiet im Dreieck von A 24 und B 404 gestoppt hat, wollen die Lauenburgische Wirtschaftsförderungsgesellschaft WFL und die Gemeinde Büchen verhindern. Nachdem eine Unterschriftensammlung für einen Entscheid mehr als die erforderlichen gut 400 Stimmen zusammengebracht hat, halten Politik, Handwerker und Unternehmer sowie die WFL dagegen. Mit einer breit angelegten Initiative wollen sie die Bürger von der Sinnhaftigkeit des Gewerbegebietes Steinkrüger Koppel zwischen Büchen und Müssen überzeugen.
Grüne, Umweltschützer und um ihre Ruhe besorgte Büchener haben mit der Sammlung von gut 700 Unterschriften die geforderte Zahl für einen Bürgerentscheid deutlich überschritten. Für den 13. November sind die Abstimmungsberechtigten zum Votum aufgerufen.
Wirtschaftsförderung: Gegner warnen vor weiterer Verdichtung
Die Gegner des Bebauungsplangebietes 67 warnen vor weiterer Verdichtung beziehungsweise Flächenverbrauch. Sie wenden sich zudem dagegen, den ökologischen Wert der in Teilen renaturierten Steinau zu schmälern, wenn das Gewerbeareal bis an ihre Ufer herangebaut werde. Die Kritiker werben für den Erhalt Büchens als grünen Wohnort, verweisen auf den Wunsch vieler Bürger, die hohe Wohn- und Lebensqualität zu erhalten.
Diese Argumentation weist eine Schwäche auf. Das Areal, das für Gewerbeansiedlungen überplant werden soll, ist kein wertvoller Naturraum mit großer Artenvielfalt. Er ist das genaue Gegenteil: Derzeit wächst auf dem Acker dort Mais. Dessen großflächiger Anbau und seine Begleiterscheinungen haben großen Anteil an schwindender Artenvielfalt in Flora und Fauna.
Wohnen im Grünen versus Entlastung der Metropolregion
Zudem besteht ein Konflikt zwischen Wohnen im Grünen und der Büchen vom Land zugewiesenen Aufgabe als Gebiet zur Entlastung der Metropolregion. Die 6200-Einwohner-Gemeinde weist eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Betrieben und Unternehmen auf. Der Fernbahnknotenpunkt mit Umsteigemöglichkeiten, der bunte Mix an vorhandenem Gewerbe macht den Ort für viele interessant.
Befürworter eines neuen Gewerbegebietes stellen naturgemäß stärker auf den prognostizierten Nutzen ab. Mit einer Kampagne unter der Überschrift „Gewerbe schafft Lebensqualität“ werben Gemeindevertretung, Wirtschaft, Handwerk und Bürger gemeinsam für ein Nein zum Text, der im Bürgerentscheid zur Abstimmung gestellt wird. „Alle Büchenerinnen und Büchener sind gefordert, Verantwortung zu übernehmen“, wirbt Markus Räth, Chef der Zimmerei Räth. In Kooperation mit der WFL bestehe „die einmalige Chance, Unternehmen anzusiedeln, die zu Büchen passen und zugleich von den Gewerbesteuern zu profitieren“, so Räth, zugleich Kreishandwerksmeister und Gemeindevertreter in Büchen.
Gemeinde Büchen bietet viel, das alles muss auch finanziert werden
„Wir wünschen uns, dass am 13. November Büchenerinnen und Büchener gegen die Aufhebung der Beschlüsse zur Flächennutzungsplan-Änderung sowie zum Bebauungsplan Gewerbegebiet Steinkrüger Koppel stimmen und damit dafür, dass dieses nachhaltige Gewerbegebiet Wirklichkeit wird“, appelliert Bürgervorsteher Axel Bourjau.
Für eine Gemeinde ihrer Größe bietet Büchen seinen Bürgern viel. Abgesehen von Bahnanbindung auch ein Schulzentrum samt Ganztagsbetreuung und Gemeinschaftsschule, gut ausgestattete Kitas wie auch das Waldschwimmbad und weitere Sportstätten. Die werden derzeit saniert, die Kosten dafür betragen rund 650.000 Euro. Die gute Infrastruktur koste Geld, das erwirtschaftet werden müsse, so die Befürworter des geplanten Gewerbegebietes. Daher seien neue Gewerbesteuerzahler willkommen.
Anders als in Kasseburg werde in Büchen kein Areal für großflächige Nutzer wie etwa Logistik-Unternehmen geplant, erklärt WFL-Geschäftsführerin Michaela Bierschwall auf Nachfrage. Es gehe um eine Mischung aus kleinteiligen und mittleren Gewerbeflächen.
WFL: Büchen bestimmt über Gewerbeansiedlungen mit
Obwohl das Verfahren erst am Anfang stehe und alle Aktivitäten aufgrund des anstehenden Bürgerentscheids gestoppt seien, habe eine Büchener Firma bereits Interesse bekundet. „Das Unternehmen will am Ort erweitern“, so Bierschwall. Könne keine geeignete Fläche angeboten werden, bestehe die Gefahr, dass die Firma, wie andere, nach Mecklenburg abwandere.
Die Belange der Büchener sieht die WFL-Chefin gesichert. Die Gemeinde setze nicht nur über den Bebauungsplan den Rahmen, so Bierschwall. „Über einen städtebaulichen Vertrag und die jeweilige Beteiligung entscheidet die Gemeindevertretung mit über die Gewerbeansiedlungen.“
Kommentar von André Herbst
Zahlreiche Menschen, die Großstädten den Rücken kehren, tun es, weil sie Lärm und Stress entfliehen wollen. Manche, die ruhig im Grünen leben möchten, tun sich schwer zu akzeptieren, dass Dörfer nicht als reine Schlafstätten existieren können. Zum Landleben gehört bis heute der Bauer, der sich nicht an gewünschte Ruhezeiten hält, wenn er rasch vor dem nächsten Unwetter seine Ernte einbringen oder seine Tiere in Sicherheit bringen muss.
Auch in Dörfern müssen Schulen, Kitas und öffentlicher Nahverkehr finanziert werden, sollen Jugendtreffs, Sportstätten, Schwimmbäder und Kulturangebote unterhalten werden. Ohne Gewerbesteuern und Firmen, die sie zahlen, funktioniert dies nicht. Weder in Metropolen – noch auf dem Land.
Zur Ehrlichkeit gehört auch die Erkenntnis, dass Arbeiten und Wohnen wieder enger zusammenrücken sollten. Werden Arbeitswege immer länger und Pendlerströme immer größer, verlieren wir alle an Lebensqualität. Und es wird genau die Umwelt geschädigt, die doch alle vorgeben, schützen zu wollen.
Werden Gewerbegebiete mit viel Grün realisiert, von heimischen Gehölzen und naturnahen Wasserläufen durchzogen, bleiben sie weiter Gewerbeareale. Doch die sind viel dichter an der Natur, bieten mehr Pflanzen und Tieren Lebensraum als riesige Agrar-Monokulturen.