Lauenburg. Seit 17 Jahren ist der 79-jährige Schiedsmann in Lauenburg. Warum er für die nächste Amtsperiode erneut kandidieren will.

Ein Ast, der zu weit über den Zaun hängt, ein Hahn, der zu Unzeiten kräht, oder ein Nachbar, der es mit den Ruhezeiten nicht so genau nimmt – über 400.000 Nachbarschaftsstreitigkeiten landen in Deutschland jährlich vor Gericht. Das kann für die Beteiligten teuer werden, und nur selten bessert sich das Verhältnis der Streithähne nach dem Richterspruch.

Dabei hätten sie sich in vielen Fällen auch außergerichtlich einigen können. In solchen Fällen helfen ehrenamtliche Schiedsleute, deren oberster Grundsatz es ist: schlichten statt richten. In Schleswig Holstein ist das bei Privatverfahren wie Beleidigung oder leichter Körperverletzung sogar verpflichtend.

Schiedsmann für Lauenburg muss alle fünf Jahre neu gewählt werden

Karl-Otto Lange ist seit 2005 Schiedsmann in Lauenburg – und möchte mit einem Missverständnis aufräumen: „Ich würde gern weiter Schiedsmann für Lauenburg sein“, sagt er. Damit reagiert er auf die Ausschreibung auf www.lauenburg.de, in der die Rede davon ist, dass der 79-Jährige sein Ehrenamt an den Nagel hängen wolle – was eben nicht stimmt. Nur: „Alle fünf Jahre muss die Stadt die Stelle neu ausschreiben. Das ist 2017 versäumt worden. Über die Bewerbungen entscheidet dann die Stadtvertretung“, erklärt der ehemalige Versicherungsvertreter.

Denn auch wenn Schiedsleute in Deutschland ehrenamtlich tätig sind, ist ihr Wirken an strenge Regeln gebunden. Dazu gehört neben der fristgerechten Ausschreibung auch der gesamte Vorgang der Streitschlichtung. Fällt der Schiedsmann oder die Schiedsfrau nach etwa zehn Gesprächsstunden einen Schlichterspruch, ist dieser für die Kontrahenten verbindlich und 30 Jahre lang vollstreckbar.

Sämtliche Vereinbarungen werden protokolliert

Sämtliche getroffenen Vereinbarungen müssen protokolliert werden. Die Akten werden einmal im Jahr durch das zuständige Amtsgericht penibel kontrolliert. Schließlich muss auch noch Jahre später rückverfolgt werden können, was im Schlichtungsverfahren damals vereinbart wurde.

„Wer für das Amt kandidieren möchte, muss sich darauf einstellen, dass man sich ständig weiterbilden muss. Das geht mir nach 17 Jahren im Amt auch noch so“, sagt Lange. Psychologie, Rhetorik und Gesprächstechnik könne man lernen, Menschenkenntnis und Geduld kämen erst mit den Jahren. „Mein Ziel ist es, dass beide Seiten ihr Gesicht wahren können. Im Idealfall fühlt sich niemand als Sieger oder Verlierer“, sagt er. Etwa 70 Prozent aller Fälle kann er mit diesem Ergebnis zu den Akten legen.

Worüber streiten die Menschen in Lauenburg am meisten?

Welche Fälle sind ihm in den 17 Jahren seiner Tätigkeit besonders in Erinnerung geblieben? Zugegeben, die Frage ist ein bisschen heikel, denn Karl-Otto Lange ist von Amts wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet. „Meist sind es Bagatellen, die das Fass irgendwann zum Überlaufen bringen. Die eigentliche Ursache des Konfliktes liegt oft Jahre zurück“, weiß der Schiedsmann.

Der folgende Fall hätte sich in Lauenburg genauso zugetragen haben können. Da ärgert sich jemand seit Jahren über den vermüllten Garten des Nachbarn. Doch statt das vermeintliche Problem anzusprechen, werden Gartenzwerge mit Stinkefinger oder entblößtem Hinterteil an den Gartenzaun gestellt, was der andere als handfeste Beleidigung auslegt – und den Nachbarn verklagen will. In solchen Fällen wird Karl-Otto Lange von Polizei oder Ordnungsamt informiert.

Antragsteller auf Schiedsverfahren muss 60 Euro zahlen

Für die andere Streitpartei ist die Teilnahme am Schlichtungsverfahren Pflicht und das Schlichtungsergebnis für beide Parteien bindend. Die Antragstellung auf ein Schiedsverfahren kann aber auch von einer der Streitparteien gestellt werden. Die muss dann auch die Gebühr von 60 Euro übernehmen, davon bekommt die Hälfte die Stadt. 30 Euro erhält Lange als Aufwandsentschädigung.

„Manchmal sprechen die Leute bei mir das erste Mal miteinander“, hat Lange festgestellt. Als Erfolgserlebnis verbucht er, wenn die Streitpartner das Gefühl haben, selbst auf den Lösungsansatz gekommen zu sein. „Die Gespräche führe ich gern im Magistratssaal des Schlosses. Von dort aus hat man einen unverbauten Blick über die Elbe. Das erweitert oft schon die eigene Sichtweise auf das Problem“, weiß er aus Erfahrung.

Kann er als Schiedsmann wirklich unparteiisch sein, auch wenn Recht und Unrecht scheinbar auf der Hand liegen? „Es geht darum, dass die Streitenden die Sichtweise des jeweils anderen verstehen. Es ist meine Aufgabe, ihnen dabei zu helfen“, sagt Karl-Otto Lange. Wenn es nach ihm ginge, würde er das auch in den nächsten fünf Jahren tun.

Voraussetzungen

Die von der Stadtvertretung gewählte Schiedsperson wird bei bestimmten strafrechtlichen Delikten und zivilrecht­lichen Streitigkeiten tätig.

Die Schiedsperson ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und leistet einen Eid, unparteiisch tätig zu sein.

Der Bewerber oder die Bewerberin sollte Zwistigkeiten aus einer gewissen Distanz betrachten können. Hierfür ist eine gewisse Lebenserfahrung erforderlich. Deshalb sollten Bewerber mindestens 30 Jahre alt sein.

Wer sich für das Ehrenamt der Schiedsperson interessiert, bewirbt sich mit dem Lebenslauf bis zum 14. Oktober 2022 bei der Stadtverwaltung, Amtsplatz 6, 21481 Lauenburg/ Elbe.

Für weitere Informationen und eventuelle Rückfragen ist Jens Anderson telefonisch unter der Nummer 04153/590 91 15 zu erreichen.