Lauenburg. Im Jahre 1948 trat Rosemarie Gräfin von der Schulenburg in Lauenburg ein schweres Erbe an – ein Stück Heimatgeschichte.

Wer sich heute in verschiedenen Quellen über die Geschichte des Lauenburger Fürstengarten informiert, stößt zuerst auf Herzog Franz II., der im Jahre 1590 auf dem Freudenberg den Fürstengarten nach barockem Vorbild anlegen ließ. Dann erfährt man noch, dass der Fürstengarten 2005 auf Initiative des Bürgervereins Pro Lauenburg nach historischem Vorbild restauriert worden ist. Doch was in den 415 Jahren dazwischen geschah, ist weniger bekannt.

Zwar waren es keine Fürstengeschlechter, doch immer wieder tauchen in der Geschichte des Fürstengartens die Namen deutscher Adelsfamilien auf, die das einst prunkvolle Herrenhaus bewohnten. Doch anders als die Titel es vermuten lassen, schwammen die Bewohner keineswegs im Geld – schon gar nicht in der Nachkriegszeit.

Für die immer hungrigen Lauenburger Lausejungen waren die Damen uninteressant

Heimatforscher Horst Eggert war damals ein zehnjähriger Steppke, der mit allen Wassern gewaschen war. Gerade waren er und seine Familie als Flüchtlinge nach Lauenburg gekommen, da entdeckte er den Fürstengarten als verbotenes Paradies. „Wir wussten, dass dort unverheiratete adelige Damen wohnten: Fräulein von Maltzahn, Fräulein von Hoffmann und Fräulein von Lütten“, erinnert er sich.

Gräfin Rosemarie von der Schulenburg erbte 1948 den Lauenburger Fürstengarten.
Gräfin Rosemarie von der Schulenburg erbte 1948 den Lauenburger Fürstengarten. © Heimatbund | Heimatbund

Doch die Damen waren für die immer hungrigen Lauenburger Lausejungen uninteressant. Viele Schleichwege führten nämlich zur großen Apfelwiese, das hatten sie herausgefunden. „Wenn der Gärtner das Gewehr anlegte, wussten wir, dass es Zeit war zu verschwinden“, erzählt Horst Eggert.

Anni von Maltzahn kam aus dem zerbombten Berlin nach Lauenburg

Anni von Maltzahn war die einzige Schwester des Mortimer Freiherr von Maltzahn auf Vanselow. Sie war eine hochbegabte Malerin und lebte in Berlin. In Lauenburg verbrachte sie nur die Sommermonate. Das änderte sich, als ihre Berliner Wohnung von Bombern getroffen wurde. In Lauenburg angekommen, nahm sie in dem Herrenhaus befreundete, adlige Fräulein bei sich auf. Doch dann wurde die Hausherrin schwer krank und starb acht Tage nach der Währungsunion im Juni 1948.

Dass Anni von Maltzahn unmittelbar nach der Einführung der D-Mark starb, war vor allem für die Erbin, Gräfin Rosemarie von der Schulenburg, ein großes Problem. Denn so lebenslustig ihre Tante Anni auch war, so unbekümmert in alltäglichen Dingen.

Rosemarie Gräfin von der Schulenburg erbte Haus und Garten

In ihrem 2002 erschienenen Buch „Das war’s!“ schrieb die Gräfin: „Auf dem Schreibtisch lag ein Stapel mit unbezahlten Rechnungen. Die meisten dieser Rechnungen hätte man noch mit Reichsmark bezahlen können. Konnte nicht wenigstens eine der vielen Freundinnen, die in Lauenburg Aufnahme gefunden hatten, auf diese Dinge aufpassen?“

Doch die Damen hatten offenbar andere Interessen, zumindest, wenn man den Schilderungen der Erbin glauben darf: „Wenn man nicht aufpasste, alles sofort wegsetzte, fest verschloss, verschwand in Windeseile Schmuck und Geld aus dem Schreibtisch, Weckgläser und Saftflaschen vom Küchentisch, Eier aus dem Hühnerstall und silberne Leuchter aus verschlossenen Kisten auf dem Boden.“

Finanziell wuchs der Gräfin das Erbe in Lauenburg über den Kopf

Das waren Tage, an denen die Gräfin es fast bereute, für ihr Erbe aus Göttingen nach Lauenburg gezogen zu sein. Zumal ihr das Anwesen finanziell fast über den Kopf wuchs. Der damalige Lauenburger Bürgermeister Richard Burmester machte auch noch Druck. Schließlich machten das Herrenhaus und der Fürstengarten auch drei Jahre nach dem Beschuss der Engländer einen recht verwahrlosten Eindruck.

„Das zerschossene Gewächshaus diente der ganzen Straße als Müllkuhle, und die Elbterrassen waren durch den Beschuss so beschädigt, dass bei starkem Regen ein Erdrutsch auf die Uferstraße drohte. Und wovon sollten wir die Erbschaftssteuer bezahlen?“, schreibt sie in ihren Erinnerungen. Doch dann reiste endlich ihr Mann Werner in Lauenburg an, und die Dinge wendeten sich auch finanziell für die Familie langsam zum Guten.

Abschied der Grafenfamilie von Lauenburg im Jahre 1952

Anders für den kleinen Horst und seine Freunde, die inzwischen den Fürstengarten als Bolzplatz für sich entdeckt hatten. „Auf dem Hof vor dem Herrenhaus spielten wir oft Fußball. Der Lärm störte niemanden. Bis eines guten Tages jemand auftauchte, den wir erst nicht kannten. Er nahm uns den Ball weg, kommandierte uns, wir sollten abhauen“, erinnert er sich. Bei der Polizei erfuhren die Jungen dann, dass ein Herr Graf von der Schulenburg dort den Ball abgegeben hätte. Seitdem war der Fürstengarten als Spielplatz tabu.

Nach und nach brachte die Familie von der Schulenburg das Anwesen in Ordnung. Der Verkauf eines großen Aktienpaketes ermöglichte es der Gräfin, das Gewächshaus mit einer gut gehenden Gärtnerei im Fürstengarten aufzubauen. Und es gab Familienzuwachs. Nach Sohn Michael wurde im Jahre 1950 Johann Matthias geboten.

Der Abschied von Lauenburg fiel der Gräfin schwer

Nachdem ihr Gatte 1952 eine Pfarrstelle in Lippstadt bekam, verließ die Gräfin Lauenburg. Vater und und Schwester übernahmen die Gärtnerei, allerdings mit wenig Begeisterung. Das Kapitel Fürstengarten ihres Buches endet so: „Der Abschied von Lauenburg fiel mir schwer. Nach vier Jahren hatte man auch dort Freunde gefunden.“

Das Buch „Das war’s“ von Gräfin Rosemarie von der Schulenburg ist 2002 im Cuvillier Verlag Göttingen erschienen. ISBN 3-89873-604-0