Lauenburg. Die Lauenburger Schifferbrüderschaft pflegt trotz der Pandemie ihre Traditionen. Dennoch muss die Schipperhöge verschoben werden.

Als im Jahre 1635 die Lauenburger Schifferschaft gegründet wurde, hatte die Pest die Welt fest im Griff. Damals wütete der „Schwarze Tod“ und forderte viele Opfer, auch unter den Schiffern. Um die Kosten von Beerdigungen aufbringen zu können, schlossen sich die einfachen Bootsleute Lauenburgs zu einer Sterbekassenbrüderschaft zusammen. Von den Beiträgen wurden Dielen für die Särge gekauft. Die Mitglieder trugen ihre Verstorbenen zu Grabe, zahlten Hinterbliebenen ein Sterbegeld aus.

Die Brüderschaft hat nicht nur Pest überdauert, sondern Krisen, Kriege und andere Katastrophen. Auch 386 Jahre später sind die Mitglieder den strengen Sitten und Gebräuchen verpflichtet. „Wan Gott der Herr über unß sündige Menschen seine Pestilentische Zorn richte, oder andere giftige Seuche und Plagen verhengete ... so haben sich Ehrsame Männer vereinbaret, dass sie die vorige Löbliche Ordnung mit Hilfe einer Hohen Obrigkeit mögen wieder erlangen und habhaft werden.“

Schipperhöge 2022 – vielleicht nur aufgeschoben, statt aufgehoben

Was für uns heute etwas mühsam zu lesen ist, steht im „Schweinsledernen Buch“ aus der Gründungszeit der Schifferbrüderschaft. Übertragen auf die heutige Zeit: Auch die Corona-Pandemie kann die Traditionen der Schifferbrüder nicht kippen. Auch wenn sich der Vorstand einiges einfallen lassen muss, um nicht an den alten Sitten zu rütteln.

So traurig der Anlass für die Gründung der Schifferbrüderschaft einst war, so fröhlich ist seit Anbeginn der Höhepunkt im Gildeleben: die Schipperhöge. Gefeiert wird sie immer am zweiten Wochenende im Januar. Früher herrschte zu der Jahreszeit aufgrund von Eisgang meistens Ruhe in der Schifffahrt. Die Schiffer waren zu Hause und konnten ihr großes Fest begehen.

Umzug soll im Laufe des kommenden Jahres nachgeholt werden

Von den Kindern besonders erwartet wird der Umzug mit der Lustigen Person und den Clowns, die Mitgliedern und Kaufleuten die Neujahrsgrüße der Gilde überbringen. Als Dank gibt es Süßigkeiten, die von der Lustigen Person unter Hurra-Geschrei der Kinder „in die Grabbel“ geworfen werden.

Alteingesessene Lauenburger werden sich kaum daran erinnern können, dass dieser Umzug schon einmal ausgefallen war. In der langen Geschichte war das nur während der beiden Weltkriege der Fall. Doch in diesem Jahr machte Corona der Gilde einen Strich durch die Rechnung, und für das kommende sieht es zumindest im Moment nicht besser aus.

Die „Lustige Person“ verteilt in den 1950er-Jahren Süßigkeiten an Lauenburger Kinder.
Die „Lustige Person“ verteilt in den 1950er-Jahren Süßigkeiten an Lauenburger Kinder. © Heimatbund | Heimatbund

„Wir hatten die Schipperhöge für den 14. und 15. Januar geplant. Daraus wird leider nichts“, bedauert Andreas Panz, Schriftführer der Schifferbrüderschaft. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. „Wir werden versuchen, den Umzug im Laufe des Jahres nachzuholen“, kündigt er an. Es ist nicht einfach für die Brüderschaft, auch zu Corona-Zeiten an den strengen Sitten der Vorfahren festzuhalten. Das fängt schon beim Einzahlen der Mitgliedsbeiträge an, die nicht einfach per Banküberweisung gezahlt werden können. Beiträge werden vor der offenen Lade entrichtet – so will es die Tradition.

Auch zu Corona-Zeiten streng nach alten Sitten und Gebräuchen

In der uralten Satzung heißt es dazu: „So soll um zehn Uhr vor Mittag die Versammlung geschehen, und wer nicht auf den Glockenschlag erscheint, es sey dann er wehre unpäßlich, oder hätte sonsten nohtwendige Geschäfte zu verrichten, soll in Zwey Schilling Strafe verfallen sein. Kömpt er gar nicht, und hat sich auch nicht entschuldigen lassen, soll er der Laden einen Ohrtthaler entrichten.“

Leicht tun sich die Schifferbrüder nicht damit, an den strengen Regeln zu rütteln. So werden zum Beispiel auch noch heute nur Männer in die Brüderschaft aufgenommen.

Schifferbrüder trafen sich mit achtmonatiger Verspätung, um ihre Lade zu entrichten

Es ist eben ein schwieriger Spagat, auf der einen Seite den langen Traditionen zu folgen und auf der anderen flexibel auf neue Situationen zu reagieren. Zum Glück blieb es den Schifferbrüdern in diesem Jahr erspart, ihre Hauptversammlung als Videokonferenz abzuhalten. Flexibel mussten sie trotzdem sein. Als sich im September die Corona-Lage etwas entspannt hatte, trafen sie sich endlich vor der Lade, um ihre Beiträge zu entrichten – mit achtmonatiger Verspätung.

Eine Sorge weniger hat die Brüderschaft jetzt aber auch: Zwar steht der Termin für die Schipperhöge 2022 noch nicht fest, wohl aber der Ort. Seit 1985 hatten die Schifferbrüder ihre Höge stets im Festsaal des „Mosaik“ gefeiert. Nach dem Verkauf hatte man sich mit dem neuen Pächter nicht über die Konditionen einigen können.

Schifferbrüderschaft weicht ins Hotel Bellevue aus

Zu der im September nachgeholten Versammlung der Brüderschaft kam nämlich eine weitere Premiere: Die uralte Lade wurde diesmal im Hotel Bellevue geöffnet. Möglicherweise ist das sogar eine dauerhafte Alternative. „Die Schifferbrüderschaft hat die Gastfreundschaft der Bewirtung dort sehr genossen“, sagt Andreas Panz.

Bleibt zu hoffen, dass die Corona-Lage es der Lauenburger Schifferbrüderschaft auch im nächsten Jahr gestattet, die Rituale nachzuholen, ganz so wie es im „Schweinsledernen Buch“ von 1635 geschrieben steht – oder zumindest fast.