Ratzeburg. Wie geht es weiter mit dem Rettungsdienst im Herzogtum Lauenburg? Interview mit Landrat Dr. Christoph Mager.
Die Vorwürfe sind hart und gehen aus Sicht von Dr. Christoph Mager, Landrat des Herzogtum Lauenburgs, teils ins Persönliche. Der Verwaltungschef wie auch der Geschäftsführer der Herzogtum Lauenburg Rettungsdienstgesellschaft (HLR) Kai Steffens widersprechen im Interview mit André Herbst, Lokalchef der Lauenburgischen Landeszeitung, Vorhaltungen, sie forderten zu Rechtsbeugung auf und sie führten einen Kreuzzug gegen den DRK-Kreisverband. Der Kreis hat, wie berichtet, die Verträge mit dem DRK zum Jahresende gekündigt, der bislang den Rettungsdienst verantwortet und mit Partnern die Notarztversorgung sicherstellt.
Herr Dr. Mager, warum haben Sie nicht auf die Signale der Bietergemeinschaft dreier örtlicher Krankenhäuser regiert? Die haben erklärt, die Notarztversorgung für den gesamten Kreis aus einer Hand sicherzustellen, wenn Sie im Gegenzug darauf verzichten, die Ausleihe der Notärzte per Arbeitnehmerüberlassung zu fordern? Stattdessen wird der Betrieb der Standorte Mölln und Ratzeburg an das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein übergeben. Und für den Südkreis müssen Sie jetzt in Verhandlungen einen Partner suchen, weil sich niemand darauf beworben hat.
Christoph Mager Ich möchte zunächst eines klarstellen: Ich habe keinen Kontakt zur Bietergemeinschaft gehabt mit der Maßgabe, wir bieten nur, wenn ihr dieses oder jenes lasst. Wir sind den Krankenhäusern in mehreren Punkten entgegengekommen, etwa in der Forderung der Qualifizierung der eingesetzten Ärzte. Nur eben nicht in der Forderung der Arbeitnehmerüberlassung.
Es gab demnach keinen direkten Kontakt zur Bietergemeinschaft?
Mager Die Bietergemeinschaft ist erst zum Schluss in Erscheinung getreten. Zuvor habe ich mit Dr. Schmid direkt gesprochen, neben dem Ärztlichen Direktor des DRK-Krankenhauses Mölln-Ratzeburg zugleich mit einem Mitglied des Krankenhaus-Aufsichtsrates.
Gegenüber der Presse haben Vertreter der Krankenhäuser Mölln-Ratzeburg wie Geesthacht mehrfach deutlich gemacht, dass sie sich nicht in der Lage sehen, eigene Ärzte als Notärzte an den Kreis auszuleihen, weil ihre kleinen Häuser gar nicht über eine entsprechende Anzahl Mediziner verfügen, auf die sie verzichten könnten.
Mager Es gäbe Möglichkeiten für die Krankenhäuser, dies zu regeln, das ist nicht versucht worden. Etwa in Kooperation mit dem Notärzteverein.
Unter seinem Dach sind etwa 30 Notärzte im Kreis Herzogtum Lauenburg tätig. Jedoch alle auf freier Basis, keiner ist dort angestellt. Der Vereinsvorsitzende schließt unter den vorgegebenen Regeln eine weitere Mitwirkung aus.
Mager Es gäbe aber doch die Möglichkeit zeitlich befristeter Verträge zwischen Notärzten einerseits und Krankenhäusern andererseits. Es gab einen Mail-Wechsel zu freien Notärzten mit Dr. Schmid. Wir halten weiter an unserer rechtlichen Einschätzung fest. Dies ist zudem ein zentraler Punkt der Ausschreibung. Würden wir davon abweichen wollen, würde sich die Frage stellen, ob der Kreis das Bieterverfahren aufheben muss. Und das in einer Situation, in der wir für zwei der drei Standorte im Verfahren eine Lösung gefunden haben.
Die Ausschreibung des Rettungsdienstes hat der Kreis dagegen aufgehoben. Obwohl für alle drei Versorgungsgebiete Angebote vorlagen.
Mager Rügen und juristische Verfahren drohten die Vergabe weiter zu verzögern. Die Zeit drohte uns davon zu laufen, daher dieser Schritt.
In verschiedenen Bietergemeinschaften wäre ansonsten jeweils der DRK-Kreisverband zum Zuge kommen, hätte weiter im Rettungswesen eine wichtige Rolle gespielt. Die Kritik, sie betreiben einen Feldzug gegen das Rote Kreuz, rührt unter anderem daher.
Mager Wir führen keinen Kreuzzug oder Feldzug gegen das DRK. Ich hätte doch ansonsten Dr. Schmid nicht erneut aufgefordert, offiziell ein Angebot für die Notarztversorgung abzugeben. Die drei Krankenhäuser (Geesthacht, Mölln-Ratzeburg und Reinbek) hätten im Falle ihrer Bewerbung gute Karten gehabt.
Wir drehen uns im Kreis, Dr. Mager. Gibt es aus Ihrer Sicht neben Leih-Notärzten keine anderen Optionen? Mehrere Kreise in Schleswig-Holstein kooperieren über Grenzen hinweg, um die Notarztversorgung sicherzustellen. Ist das keine Möglichkeit?
Kai Steffens Wir sind in Schleswig-Holstein die ersten, die die Notarztversorgung nach der neuen Rechtslage ausschreiben, das stimmt. Falsch ist aber, wenn versucht wird, den Eindruck zu erwecken, wir wären damit allein. Entsprechende Vergaben geschehen auch in anderen Bundesländern.
Christoph Mager: Wir haben uns von Fachjuristen beraten lassen. Diese raten zur Arbeitnehmerüberlassung. Es gibt für uns keine Alternativen, außer wir stellen die Notärzte selbst an.
Es steht der Vorwurf gegen den Kreis im Raum, sie riefen im Zusammenhang mit der Notarztüberlassung zum Rechtsbruch auf. Tatsächlich ist es heute nicht mehr zulässig, Leiharbeiter von einer Firma zu nächsten und dann wieder zur nächsten auszuleihen. Wie sieht das Konstrukt in dem Fall aus? Kritiker sagen, der Kreis übernimmt die Notärzte? Und leiht sie dann seinerseits an die HLR aus?
Mager Das stimmt so nicht, die Mitarbeiter sind für den Kreis tätig. Auch der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes ist beim Kreis angestellt. Er ist weisungsbefugt.
Welche Rolle spielt dann die vergangenes Jahr gegründete HLR? In welchem Verhältnis stehen die ausgeliehenen Notärzte zur Herzogtum Lauenburg Rettungsdienstgesellschaft?
Steffens Sie sind vertraglich zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der HLR verpflichtet. Das Wesentliche in dem Zusammenhang ist jedoch, dass die Notärzte beim Kreis beschäftigt sind.
Für massive Missstimmung unter langjährigen Notärzten haben Äußerungen gesorgt, das Angebot des Uniklinikums Schleswig-Holstein bedeute eine Qualitätsverbesserung für die Versorgung. Herr Dr. Mager, was hat Sie zu dieser Aussage veranlasst?
Mager Wir haben ein bestimmtes Niveau ausgeschrieben. Das Angebot des UKSH geht in Teilen darüber hinaus. So sollen die Notärzte nur zwölf- statt maximal 24-Stunden-Schichten leisten. Das UKSH bietet an, die Zusammenarbeit von Notärzten und Rettungskräften zu analysieren. Zudem wird eine intensivmedizinische Erfahrung von zwölf Monaten garantiert sowie zehn Stunden Fortbildung im Jahr. Das DRK-Krankenhaus Mölln-Ratzeburg hat uns mitgeteilt, es könne die Fortbildung nur blockweise, 30 Stunden in drei Jahren, garantieren. Und nur sechs Monate statt einem Jahr intensivmedizinische Erfahrung.
Krankenhausvertreter und Notärzteverein, der bislang die Masse der Dienste in Mölln und Ratzeburg sicherstellt, halten diese Einschätzung für falsch. Ein Grund: Das UKSH werde vor allem junge Assistenzärzte für den Notarztdienst abstellen. Die 30 im Notarztverein organisierten Ärzte seien dagegen, bis auf eine Ausnahme, Fachärzte, Oberärzte und zum Teil stellvertretende Chefärzte mit vieljähriger, teils jahrzehntelanger Erfahrung als Notärzte.
Mager Die Aussagen zur Qualität beziehen sich auf die Ausschreibung. Wir können in dem Rahmen nur messbare Parameter bewerten. Etwa reduzierte Schichtlängen oder garantierte Fortbildungsstunden.
Für das von Ihnen nun angestrebte Verhandlungsverfahren zur Besetzung des Notarzteinsatzfahrzeugs in Geesthacht können ja die ursprünglichen Anforderungen des Ausschreibungsverfahren nicht gelten. Darauf hat sich kein Anbieter gemeldet. Wie gehen Sie jetzt in die Verhandlungen – wenn sich denn Gesprächspartner finden?
Mager Wir wollen uns möglichst breit aufstellen, auch mit potenziellen Dienstleistern reden, die bislang keine Rolle spielten. Die Ausschreibung greift hier zwar nicht direkt. Aber die Politik hat uns den Auftrag erteilt, eine Lösung anzustreben, die nicht hinter die Qualität der Notarztversorgung von Mölln und Ratzeburg bleibt.
Herr Dr. Mager, Herr Steffens, vielen Dank für das offene Gespräch.