Lauenburg. Die Verwaltung strengt Ordnungswidrigkeitsverfahren an. Thorsten Pollfuß soll gegen Verschwiegenheitspflicht verstoßen haben.

Auf der Tagesordnung für die Stadtvertretersitzung am Dienstagabend stand für den nicht-öffentlichen Teil ein Punkt, der in Lauenburg Seltenheitswert hat: Die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens gegen einen Stadtvertreter wegen des Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht.

Dass dieser Punkt dann doch öffentlich behandelt wurde, hat der Beschuldigte selbst gewollt. Die Stadtvertreter folgten mehrheitlich dem Antrag des Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Thorsten Pollfuß. Diesem gelang es später, den Spieß einfach umzudrehen.

Lauenburgs Grünen-Chef entgeht Ordnungswidrigkeitsverfahren

Was war passiert? Pollfuß hatte am 4. Januar dieses Jahres für seine Fraktion eine Presseerklärung abgegeben zu Trassenvarianten der neuen Elbquerung bei Lauenburg. Darin hieß es unter anderem: „Die Grünen sprechen sich gegen mögliche Planungen aus, die neue Elbquerung westlich von Lauenburg zu errichten.“ Als Gründe führte der Fraktionschef unter anderem Naturschutz, Planungsverzug und mögliche Lärmbelästigungen auf.

Er bezog sich dabei auf Ausführungen von Bürgermeister Andreas Thiede in der Sitzung des Hauptausschusses im November vergangenen Jahres. Dieser hätte zudem geäußert, diese Variante würde von Landesverkehrsminister Bernd Buchholz favorisiert.

Bürgermeister berichtete in nicht-öffentlicher Sitzung über Trassenverlauf

Das Problem: Thiede hatte über dieses Thema im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung berichtet. Aus Sicht der Verwaltung hatte Pollfuß somit gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Die Stadtvertreter hatten also darüber zu entscheiden, ob ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Grünenchef eingeleitet wird oder nicht.

Hätte die Stadtvertretung ihre Zustimmung zu einem Ordnungswidrigkeitsverfahrens gegeben, hätte Pollfuß die Gelegenheit einer Anhörung gehabt. Doch das hat der Grünenchef gar nicht erst abgewartet. In seiner vorbereiteten Stellungnahme machte er seinem Ärger über die Verwaltung Luft, die „nach eigenem Gutdünken entscheidet, wann bestimmte Informationen reif für die Öffentlichkeit sind und wann nicht.“

Öffentlich oder nicht? Das regelt die Gemeindeordnung des Landes

Grundsätzlich kann weder die Politik, noch die Verwaltung willkürlich entscheiden, welche Themen in den Sitzungen politischer Gremien öffentlich und welche nicht-öffentlich behandelt werden.

In Schleswig-Holstein regelt das die Gemeindeordnung. Darin heißt es: „Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn überwiegende Belange des öffentlichen Wohls oder berechtigte Interessen Einzelner es erfordern.“ Daran orientieren sich auch Hauptsatzung und Geschäftsordnung der Stadt Lauenburg, auf die sich Pollfuß beruft: Straßenbauprojekte seien da nicht erwähnt, sagt er.

„Was gibt es Öffentlicheres als die Planung einer Straße?“

Somit hätte es für ihn keinen Grund gegeben, mit den Informationen aus dem nicht-öffentlichen Teil der Hauptausschusssitzung hinter dem Berg zu halten. „Was gibt es Öffentlicheres als die Planung einer Straße? Zumal uns die schon seit bald zehn Jahren öffentlich beschäftigt?“ Woraus ergebe sich also ein Anspruch, Informationen bezüglich des Bauprojektes zurückzuhalten?

Thorsten Pollfuß nutzte seine Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfe und drehte den Spieß einfach um. „Ich mache dem Bürgermeister keinen persönlichen Vorwurf. Sein Handeln entspricht viel mehr einem Verhalten in der Verwaltung, das althergebracht ist. Die Verwaltung entscheidet, wann es richtig ist, den Bürger zu informieren“, sagte er. Genau dieses Verhalten befördere den Frust der Bürger, dass „die da oben“ doch eh machen, was sie wollen – eben die berühmte „Mauschelei in Hinterzimmern“.

Rundumschlag gegen Informationspolitik der Lauenburger Verwaltung

Pollfuß setzte noch einen drauf: „Weder Politik noch Verwaltung können nach Gutsherrenart entscheiden, was die Bürger unserer Stadt wissen dürfen und was nicht. Sie haben einen grundsätzlichen Anspruch darauf, umfassend informiert zu werden.“

Nach dem Statement des Grünen-Fraktionschefs war es so still, dass man eine herunterfallende Stecknadel hätte hören können. Schließlich hatten die Stadtvertreter zu entscheiden, ob sie dem Ansinnen der Verwaltung folgen wollen, ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Pollfuß einzuleiten. Dies hätte zur Folge, dass der Fraktionschef unter anderem mit einer Verwarnung oder einem Bußgeld hätte belegt werden können.

Bürgermeister Andreas Thiede kommentierte Abstimmungsergebnis nicht

Aber es ging offenbar auch um die Sache selbst. Als Bürgervorsteher Wilhelm Bischoff zur Abstimmung bat, stimmten schließlich die drei Stadtvertreter der Grünen sowie Frank Peatow von der Wählergemeinschaft Unser Lauenburg und Martin Scharnweber (SPD) gegen das Ordnungswidrigkeitsverfahrens. Alle anderen Stadtvertreter enthielten sich. Damit folgte kein Politiker dem Antrag der Verwaltung.

Bürgermeister Andreas Thiede wollte dies nicht kommentieren, versicherte aber, den demokratischen Beschluss zu respektieren.