Lauenburg. Aus einem Nachlass gelangt ein Schiffsmodell nach Lauenburg. Der Neffe geht der Geschichte nach und erhält interessante Infos.

Es ist nicht überliefert, wie oft der kleine Hermann damals seinen Vater überhaupt gesehen hat. Schließlich war dieser oft wochenlang als Maschinist auf der „Minister“ unterwegs, die für die Lauenburger Reederei Gebrüder Burmester fuhr. Der Arbeitsalltag der Besatzungen auf den Schleppdampfern war alles andere als ein Zuckerschlecken. Wir können deshalb heute nur spekulieren, weshalb der Junge so fasziniert von dem Schiff war. Waren es die abenteuerlichen Geschichten, die der Vater erzählte, wenn er nach Hause kam? Oder mehr die schwere Technik des Heckraddampfers?

Viele Jahre später hielt seine Begeisterung jedenfalls noch an. Hermann Molge hatte inzwischen Maschinenbauer gelernt, und eines Tages kam es ihm in den Sinn, ein Modell des Dampfers zu bauen, auf dem sein Vater einst lebte und arbeitete. Das ist jetzt etwa 40 Jahre her. Hermann Molge ist inzwischen verstorben. Sein Wunsch war es, dass die „Minister“ im Kleinformat ihren letzten Liegeplatz im Lauenburger Elbschifffahrtsmuseum findet.

Hermann Molge suchte in Lauenburg Unterlagen über die „Minister“

Als Frank Rauschmeyer aus Bergedorf den Nachlass seines Onkels sortierte, fiel ihm das Schiffsmodell in die Hände. Er erinnerte sich an den Wunsch seines Onkels und fuhr damit nach Lauenburg. Vielleicht würde er dort auch mehr über seinen Großvater Paul Molge erfahren, der sich mit Leib und Seele der Binnenschifffahrt verschrieben hatte.

Diese Hoffnung erfüllte sich zwar nicht. Frank Rauschmeyer erfuhr aber, was sein Onkel zu Lebzeiten mit der Schifferstadt verband.

50 Meter langer Schlepper "Minister" kam 1919 nach Lauenburg

Es war nämlich nicht so, dass Hermann Molge das Schiffsmodell aus dem Gedächtnis nachbaute. „Anfang der 80er-Jahre stand ein junger Mann vor mir und fragte nach Unterlagen zu dem Schleppdampfer“, erinnert sich Werner Hinsch, Leiter des Lauenburger Elbschifffahrtsarchivs. Klar, konnte er Auskunft geben: Der 50 Meter lange Schlepper „Minister“ war 1919 für die Reederei Burmester nach Lauenburg gekommen. Hier erhielt das damals knapp 20 Jahre alte Schiff seinen zweiten Schornstein, der es unverwechselbar machte. Bis 1935 fuhr der Schleppdampfer für Burmester, ehe er nach Hamburg ging. Im Jahre 1953 wurde die „Minister“ außer Dienst gestellt.

Von 1919 bis 1935 fuhr die „Minister“ für die Gebrüder Burmester in Lauenburg, wechselt dann bis 1953 nach Hamburg.
Von 1919 bis 1935 fuhr die „Minister“ für die Gebrüder Burmester in Lauenburg, wechselt dann bis 1953 nach Hamburg. © BGZ / Elke Richel | Elke Richel

Hermann Molge war begeistert über den reichen Fundus im Lauenburger Elbschifffahrtsarchiv. Und obwohl er selbst mit der Schifffahrt beruflich nichts zu tun hatte, bot er seine Mitarbeit im Archiv an. Seine Verbindung nach Lauenburg riss bis zu seinem Tod im Dezember ­vergangenen Jahres nicht ab. Sicher auch ein Grund, weshalb der Ber­gedorfer sein Schiffsmodell im ­Bestand des Museums wissen wollte.

Dessen Leiter Dr. Björm Bohlmann freut sich besonders über neue Exponate, hinter denen eine Geschichte steckt. „Wieder einmal sehen wir, dass unsere Geschichte und unsere Geschichten doch auf viele Arten miteinander verbunden und verwoben sind. Vielmehr als wir denken“, sagt er.

Ende des 19. Jahrhunderts setzten sich die Radschleppdampfer durch

Seit 40 Jahren veröffentlicht das Elbschifffahrtsarchiv die Lauenburger Hefte zur Elbschifffahrtsgeschichte. Im Heft „Die Lauenburger Dampf- und Motorschlepper“ erwähnt Autor Theodor Grötschel auch die „Minister“. Vor allem erfährt der Leser aber, wie die Dampfkraft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Fortbewegung der Schiffe revolutionierte.

Infolge des noch unvollkommenen technischen Zustandes der Maschinen sowie der dazugehörigen Dampfkessel waren diese Dampfer sehr unwirtschaftlich. Dieses hatte zur Folge, dass sich die Dampfschleppschifffahrt anfangs nur sehr langsam entwickelte. Doch die fortschreitende Industrialisierung in Deutschland ließ den Güterverkehr anwachsen. Der Hamburger Hafen war zur Drehscheibe des Welthandels geworden. Dies brachte zahlreiche Gesellschaften für die Dampfschleppschifffahrt hervor. Auch in der Schifferstadt Lauenburg gab es um die Jahrhundert­wende wagemutige Männer, die sich der Dampfschleppschifffahrt zuwandten. Allen voran die Gebrüder Burmester.

Auch wenn Frank Rauschmeyer in den Unterlagen des Elbschifffahrtsarchivs nichts Konkretes über seinen Großvater Paul Molge gefunden hat, kann er sich jetzt dessen Leben viel besser vorstellen. Und er ahnt auch, warum sich sein Onkel als Kind so dafür begeisterte. Der 53-Jährige hofft, dass er im weiteren Nachlass noch Fotos seines Großvaters an Bord der „Minister“ finden werde und an das Lauenburger Archiv übergeben könne. „Mein Großvater und mein Onkel hätten es so gewollt“, ist er sich sicher.