Lauenburg. Im Winter gut sichtbar: Wo Sünder im Mittelalter öffentlich Buße tun mussten. Lauenburger Relikt bis heute gut erhalten.

Im Sommer liegt er unauffällig im Schatten eines Baumes. Jetzt, wo der Baum keine Blätter trägt, ist er deutlich sichtbar: der walzenförmige Stein am Südportal, dem ehemaligen Haupteingang der Lauenburger Maria-Magdalenen-Kirche. Er ist ein „Andenken“ an eine Zeit, in der die Kirche als moralische Instanz über Sitten und Tugenden wachte, und war, wie eine Tafel an der Kirche informiert, bis zum Ende des Dreißigjährigen Kriegs Mitte des 17. Jahrhunderts in Gebrauch: der Schandstein.

„Auf diesem Stein wurden Menschen im wahrsten Sinne des Wortes angeprangert, die gegen bestimmte Bestimmungen des damaligen Kirchenrechts verstoßen hatten“, erläutert Historikerin Dr. Claudia Tanck. Das seien zum einen Ehebrecher und Ehebrecherinnen gewesen, wobei letztere wegen der spätestens nach neun Monaten sichtbaren Folgen entschieden häufiger verurteilt wurden.

Büßer standen auf dem Stein, mit dem Halseisen an die Mauer gefesselt

Zum anderen seien es Menschen gewesen, die den Besuch des Gottesdienstes versäumten und stattdessen Wirtshäuser aufsuchten. „Es wurden dort aber auch Menschen, die lästerlich redeten und fluchten, angebunden“, sagt Claudia Tanck. Denn was heute eher als schlechtes Verhalten verstanden wird, war im 16. Jahrhundert vor allem ein Ausdruck von Gotteslästerung und magischen Praktiken. Die Büßer mussten auf dem Stein stehen, ihr Hals wurde mit einem Halseisen an der Mauer angeschlossen. Ob einen Gottesdienst lang oder an mehreren Sonntagen ist unklar.

Kürzlich sind im Nachlass alte Aufzeichnungen entdeckt worden, die von praktizierten Kirchenstrafen teilweise bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein berichteten. Dazu gehörten neben dem Schandstein auch der Pranger auf dem Marktplatz sowie der Galgen auf dem Hasenberg. „Die Prangerstrafe war eine Ehrenstrafe, die für bestimmte gemeinschaftsschädigende Vergehen angewendet wurde“, informiert Claudia Tanck. Im Weltlichen seien es zum Beispiel ­Bäcker gewesen, die ein zu leichtes oder mit minderwertigen Zutaten gebackenes Brot verkauften, oder aber Holz- und Gartendiebe. Diese wurden an den Pranger auf dem Marktplatz zur Schau gestellt.

Auf dem Galgen am Hasenberg wurden Mörder hingerichtet

Spektakulärer sind die Geschichten die sich um den Galgen auf dem Hasenberg ranken. Nach den Aufzeichnungen seien dort Mörder hingerichtet worden, das letzte Paar soll dort noch 1840 den Tod gefunden haben. „Das ist völlig abwegig“, wendet jedoch die Historikerin ein.

Die Strafen, die erstmals in der Lauenburger Polizei-Ordnung von 1599 aufgeschrieben worden waren, wurden im Herzogtum Lauenburg 1744 abgeschafft und von einer für damalige Verhältnisse sehr empfindlichen Geldstrafe abgelöst. Was Claudia Tanck bestätigen kann, ist, dass der Hasenberg lange als ein Ort bekannt war, an dem Selbstmörder begraben worden sind. Einst hätten Kinder beim Spielen sogar Knochen gefunden.