Lauenburg. Das Elbehochwasser in Lauenburg hat seinen höchsten Stand überschritten. In der Nacht zum Donnerstag fiel es um rund sechs Zentimeter. Derzeit sinkt das Wasser mit gut einem Zentimeter pro Stunde. Ab einem Pegel von 9,30 Meter soll in de Elbstraße wieder gepumpt werden.

Am Vormittag lag der Pegel in Lauenburg bei 9,50 Meter. Gegen Mitternacht hatte er noch bei 9,56 Meter gelegen. Der Krisenstab geht davon aus, dass der Wasserstand im Laufe des Tages auch weiter zurückgehen wird. Am Vormittag sank er ungefähr um einen Zentimeter pro Stunde. Dennoch gab der Krisenstab noch keine Entwarnung. „Der Pegelstand nach wie vor hoch und liegt immer noch deutlich über dem Höchststand von 2011, als 9,22 Meter erreicht wurden“, sagte Sprecher Peter Schütt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Torsten Albig hatten am Mittwochnachmittag das Überschwemmungsgebiet in Lauenburg besucht und den zahlreichen Helfern für ihren unermüdlichen Einsatz gedankt. Sie versprachen den betroffenen Bürgern schnelle und unbürokratische Hilfe.

Eine konkrete Summe, die sich Bund und Länder zu je 50 Prozent teilen sollen, mochte die Kanzlerin gegenüber unserer Zeitung noch nicht nennen: „Wir müssen das Ablaufen des Hochwassers abwarten und die Schäden bilanzieren. Es wird aber mit Sicherheit eine Größenordnung sein, wie nach dem Hochwasser im Jahr 2002, eher mehr“, sagte sie. Damals stellten Bund und Länder sieben Milliarden Euro zur Verfügung. Erste Schritte werden heute mit den 16 Ministerpräsidenten bei einem Treffen in Berlin besprochen. Dabei soll es neben den Soforthilfen von 100 Millionen Euro auch um eine faire Lastenverteilung bei zusätzlichen Finanzspritzen gehen.

Kanzlerin und Pressetross von den Bürgern abgeschirmt

„Es ist noch unendlich viel Arbeit, wenn das Wasser erst zurückgegangen ist“, sagte die Bundeskanzlerin, die sich bereits in anderen Hochwasserregionen ein Bild der Lage gemacht hatte und das Elend für die Betroffenen kennt. Ein Ohr hatte sie für die Altstadtbewohner unterdessen nicht. Ihr Hubschrauber landete auf dem Sportplatz am Hasenberg und fuhr durch von der Polizei abgeriegelte Straßen direkt zur Hafenstraße. In dem für Anwohner abgesperrten Gebiet war sie dann mit den Verantwortlichen des Katastrophenschutzstabs zusammengekommen.

„Ich freue mich, dass die Kanzlerin meinen Ruf gehört hat“, sagte Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), der Angela Merkel eingeladen hatte. Die Schleswig-Holsteins Situation scheint im Vergleich zu den Katastrophengebieten in Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt harmlos zu sein. Albig möchte die Lage dennoch ernst genommen wissen. Das Land hat bereits eine Million Euro an Soforthilfe zugesagt. Wie weit das Geld reichen wird, ist noch nicht absehbar.

Lauenburger Bürger warteten vergeblich auf die Kanzlerin

Unterdessen sind zahlreiche Bewohner der Altstadt massiv enttäuscht: „Die Kanzlerin hat die Altstadt doch gar nicht gesehen“, beklagt sich der Lauenburger Mario Scheuermann. Die verbliebene Altstadtbevölkerung sei vom Besuch Merkels ausgeschlossen gewesen. „Wir hatten keine Möglichkeit überhaupt nur einen Blick auf Frau Merkel zu werfen oder mit ihr gar zwei Worte zu wechseln.“ Die Politiker und der Pressetross seien in einem für die Anwohner gesperrten Bereich am östlichen Ende der Altstadt von den Lauenburgern abgeschirmt worden. Etwa 80 Lauenburger, darunter auch viele von der Evakuierung betroffene Bewohner der Elbstraße hatten sich gemeinsamen mit den Pastoren an der Altstadt-Absperrung versammelt. „So wie der Besuch der Kanzlerin abgelaufen ist, war das reiner Gummistiefel-Wahlkampf“, wettert Scheuermann. Der Besuch der Kanzlerin auch in Hittfeld wird bei Facebook kontrovers diskutiert.

Bausachverständige müssen jedes einzelne Haus kontrollieren

Unterdessen haben die Planungen für eine Rückkehr der evakuierten Altstadtbewohner begonnen. Ab einem Wasserstand von 9,30 Meter werde die Feuerwehr wieder pumpen, erklärte der Sprecher des Katastrophenstabs, Karsten Steffen, am Abend. Etwa zehn bis zwölf Stunden werde dieser Einsatz dauern, dann könne die Stromversorgung bis zu den Häusern wieder hergestellt werden.

Bevor die Menschen in ihre Wohnungen zurückkehren können, müssen aber Bausachverständige die Standfestigkeit der Gebäude begutachten. Sie werden von der Stadt eingesetzt und bei der Begehung von Polizisten begleitet. „Hauseigentümer sollten ihre Schlüssel abgeben, das würde den Vorgang beschleunigen“, erklärte Steffen. Da der Wasserstand bislang nur langsam sinkt, rechnen die Einsatzkräfte nicht damit, vor dem Wochenende mit dem Leerpumpen beginnen zu können.

Entspannt hat sich die Lage in Geesthacht, wo der Pegel gestern Morgen nur noch wenige Zentimeter gestiegen war. In Altengamme hatten in der Nacht zu gestern Einsatzkräfte am Leitdamm Sandsäcke stapeln müssen.

Hubschrauber kontrollieren Deiche aus der Luft

Teilweise gibt es Durchsickerungen an den Deichen. „Das ist aber bei der Wasserhöhe normal“,sagte Feuerwehrsprecher Thomas Grimm. Nach seinen Angaben wird die Situation an den Deichen sorgfältig im Auge behalten. Die Deiche werden inzwischen nicht nur von Deichläufern, sondern auch mit Wärmebildkameras aus der Luft überwacht. So sollen undichte Stellen und von unten durchsickerndes sogenanntes Qualmwasser früh erkannt werden. "Und wenn was passiert, sind wir vorbereitet."