Lauenburg. Es ist zuweilen „tierisch interessant“, in alten Dokumenten zu blättern. Eine freundliche Leserin schickte mir eine vergilbte Seite des Amtlichen Kreisblattes für den Kreis Herzogtum Lauenburg aus dem Jahr 1918.
Unter Bekanntmachungen ruft der General der Infanterie von Falk zur Bekämpfung von „Raubzeug“ auf; speziell gemeint Wanderfalke, Sperber und Habicht. Für Fang oder Abschuss setzte das Militär Belohnungen von drei bis fünf Mark aus. Einzusenden waren die Vögel, „unter Stehenlassen eines kleinen Federkranzes“, an die Nachrichten-Ersatzabteilung Nr. 9 in Alt-Strelitz. Begründung der Aktion: Die Raubvögel schädigen die Nachrichtenübermittlung durch Brieftauben.
Mildernde Umstände für eine strategisch bedingte Ausnahme? Bleibt zu prüfen, was die Schüler in der „guten alten Zeit“ über die Vogelwelt lernten. Nun, es bietet sich die Gelegenheit (durch Quellenstudium), am Naturkunde-Unterricht vor etwa hundert Jahren teilzunehmen. Der Lehrer fragt: „Karl, was weißt du über den Habicht?“ Karl: „Der muss vernichtet werden!“ Der Lehrer nickt. Er bezieht sich dabei auf die „Tierkunde für Deutsche Lehrerbildungsanstalten“ aus dem Jahr 1898. Dort steht schwarz auf weiß: „Der Habicht mordet mit Feuereifer alle Tiere, die er bezwingen kann. Er ist rücksichtslos zu vertilgen!“
Den heute vom Aussterben bedrohten Wanderfalken traf ebenfalls der pädagogische Bannstrahl: „Er ernährt sich überwiegend von Vögeln und ist rücksichtslos zu vertilgen!“ War im Unterricht vom Sperber oder vom Eisvogel die Rede, lag Karl mit der Antwort immer richtig: „Schädlich, Herr Lehrer!“ Heute ist der Eisvogel ein Schmuckstück an vielen heimischen Gewässern. Das Wohlwollen für die amselgroße Wachtel war damals „Geschmackssache“: Sie nütze „durch ihr Fleisch und durch ihren wohlklingenden Wachtelschlag“. Für den Grünen Wasserfrosch, der heute in heimischen Gewässern paddelt, war die Zuordnung eindeutig: „Nützlich durch seine essbaren Schenkel.“ Ist „Tierliebe“, die durch den Magen geht, nicht auch „Vertilgung?“ Eindeutig: Es war früher tierisch nicht alles besser als heute.