Geesthacht. Klingt profan, ist es nicht: Die frühere Quarzschmelze, heute Momentive Technologies, stellt Tiegel her. Was es damit auf sich hat.

Bei Momentive Technologies an der Borsigstraße in Geesthacht wird ein Produkt hergestellt, das eine große Bedeutung für den Weltmarkt hat. „Ohne unsere Tiegel würde es die komplette Elektronik nicht geben. Keine Computer, keine Handys, keine E-Autos“, sagt Geschäftsführer Christian Nasarow.

Über 25.000 Tiegel aus Quarzsand in einer Größe zwischen 20 und 32 Zoll (etwa 50 bis 70 Zentimeter) stellen die 90 Mitarbeiter auf dem 45.000 Quadratmeter großen Grundstück her. Es handelt sich zusammen mit den Standorten in den USA, Japan und China um die größte unabhängige Tiegelfertigung der Welt. Vielen alteingesessenen Geesthachtern ist die Firma besser unter dem alten Namen Quarzschmelze bekannt, obwohl es ihn seit 1995 nicht mehr gibt.

Momentive Technologies: Ohne diese Firma gäbe es kein Smartphone

So sehen die Tiegel aus Quarzsand aus, die in Geesthacht hergestellt werden.
So sehen die Tiegel aus Quarzsand aus, die in Geesthacht hergestellt werden. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Die im Industriepark Grüner Jäger beheimateten Schwesterunternehmen Momentive und Won IK haben jüngst mit Mitarbeitern und deren Angehörigen das 100-jährige Bestehen gefeiert. Gegründet 1922 von Kurt Baer als Berliner Quarzschmelze, siedelte die Firma 1949 aus der DDR in ein Gebäude der ehemaligen Dynamitfabrik Krümmel um und hieß fortan bis 1995 Westdeutsche Quarzschmelze.

„Früher ist man in Geesthacht zur Quarzschmelze gegangen, so wie du in Stuttgart zum Daimler gehst“, zieht Nasarow einen vielleicht etwas zu gewagten Vergleich. Trotz diverser Namensänderungen und Umfirmierungen – das Produkt ist das gleiche geblieben. Momentive Technologies fertigt Schmelztöpfe. Diese werden mit einem 7000 Grad heißem Lichtbogen aus Quarzsand geschmolzen.

Strenge Geheimhaltung wegen Industriespionage

In den fertigen Tiegeln werden Siliziumbrocken erhitzt und zu einem einzigen Stück geschmolzen, aus dem dann dünne Platten geschnitten werden, auf die wiederum Schaltkreise angebracht werden. In Europa gibt es dafür nur zwei Firmen in Freiburg und Burghausen.

Eine alte Maschine, in der Tiegel geschmolzen wurden.
Eine alte Maschine, in der Tiegel geschmolzen wurden. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Die Geesthachter Fabrikationsstätten unterliegen strenger Geheimhaltung. Es besteht die Gefahr der Industriespionage, der Zugang zu Momentive ist daher reglementiert. Der Reporter durfte daher auch nur eine alte Schmelzkabine aus dem Jahr 1980 fotografieren. Die neuen Maschinen sind tabu.

„Unsere Tiegel sind schon ein cooles Produkt“, meint Christian Nasarow. „Wenn man sich einmal vorstellt, dass bei VW 600.000 Leute allein bei einem Autobauer beschäftigt sind und im gesamten Quarzsektor auf der Welt sind es 1000 bis 1500 Leute. Nimmt man noch alle Arbeitsschritte mit Minen und so dazu, sind es 20.000 Menschen, von denen die ganze Welt abhängig ist“, sagt Nasarow, der selbst ein Kind der Quarzschmelze ist.

Geschäftsführer hat als Dreher vor Ort angefangen

Im Oktober 1984 begann er eine Ausbildung als Dreher und schob noch ein Maschinenbau-Studium hinterher. Über Stationen in Bitterfeld, wo er 2014 in die Geschäftsleitung aufstieg, und in Zwiesel kehrte er zum 1. Januar 2021 nach Geesthacht zurück. In der Zwischenzeit hat er feststellt: „Uns kennt man in Geesthacht nicht mehr so richtig.“

In dieser Maschine werden die Tiegel mit Wasser gereinigt.
In dieser Maschine werden die Tiegel mit Wasser gereinigt. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Ein Problem, das sich auch auf die Personalsuche durchschlägt. „Wir sind ein absolutes Traditionsunternehmen, arbeiten vollkommen autark, bei uns arbeiten also viele verschiedene Berufsgruppen, und unsere wirtschaftlichen Aussichten sind mehr als erfreulich – aber wir finden kaum Personal“, sagt Christian Nasarow. 30 oder gar 40 Jahre Betriebszugehörigkeit seien keine Seltenheit.

Mitarbeiter händeringend gesucht

Controller, Buchhalter, Einkäufer, Prozessingenieure, Produktionsplaner, Maschinenführer, Elektriker, Industriemechaniker, Arbeitssicherheitsingenieur – einige der vielen Berufe bei Momentive. Bei der Schwesterfirma „Won IK“, bei der aus Quarzplatten, Blöcken und Rohren filigrane Apparate für die Halbleitertechnik, die deutlich über 20.000 Euro kosten können, entstehen, kommen dazu: Glas-Apparatebauer, CNC-Fräser und -Dreher und Konstrukteure.

Nur in der Produktion wird im Wechselschichtsystem an sieben Tagen in der Woche gearbeitet. Und hier liegt trotz zahlreicher anderer Vergünstigungen und Angebote ein Kernproblem. „Zu unserem Schichtbeginn (6 Uhr, die Red.) fahren hier leider noch keine Busse“, sagt Nasarow.