Geesthacht. Fahrschulen klagen: TÜV hat zu wenig Prüfer. Der VBZ in Geesthacht ist besonders betroffen. Gibt es nun Abhilfe?

Ein gewaltiger Rückstau zieht sich durch Deutschland: Von Flensburg bis Garmisch – im gesamten Bundesgebiet klagen Fahrschulen, ihre Verbände und Fahrschüler darüber, zurzeit übermäßig lange auf Prüftermine beim TÜV warten zu müssen. Die Zeitspanne zwischen der letzten „richtigen“ Fahrstunde der prüfungsreifen Schüler und der praktischen Fahrprüfung sei teilweise so groß, dass Schüler mehr Fahrstunden nähmen als nötig wären – nur damit sie in Übung blieben. Das wiederum erschwere die Aufnahme neuer Fahrschüler.

Besonders schwierig ist die gegenwärtige Situation für die Kunden des VBZ (Verkehrs- und Berufsbildendes Zentrum) in Geesthacht. Denn hier werden auch von Jobcenter und Agentur für Arbeit geförderte Maßnahmen durchgeführt und Fahrer für eine berufliche Zukunft auf Lkw, Bus und Rettungswagen ausgebildet. Wenn es bis zum Abschluss länger dauert als es müsste, zahlt das letzten Endes der Steuerzahler, weil der Prüfling seinen Beruf erst später antreten kann – oder die Wirtschaft, weil Waren nicht geliefert werden können. Etwa 9000 Lkw-Fahrer fehlen in Deutschland.

TÜV überlastet: Ein Vierteljahr länger warten auf den Führerschein

„Wir schieben aktuell allein im C-Bereich (Lkw) 15 fertige Fahrschüler vor uns her, weitere 30 sind bereits in Ausbildung. Bis zur Prüfung vergehen mittlerweile sechs Wochen“, berichtet Karsten Renner, Büroleiter des VBZ in Geesthacht. 28 offene Terminanfragen für eine Prüfung beim TÜV gebe es allein für den Oktober nur vom VBZ, und für den November sehe es genauso aus. Bei den privaten Pkw-Fahrschülern in Schleswig-Holstein dauere es laut Fahrlehrerverband bis zu zwei Monaten und länger, berichtete der NDR.

„Diese Woche haben wir fünf Termine bekommen“, sagt Karsten Renner. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Früher dauerte es sechs Monate, bis die Schüler den Führerschein in den Händen hielten, heute bis zu einem Vierteljahr länger. Das bleibt für die Stimmung nicht ohne Folgen: „Die Schüler sind genervt. Es gibt ja viele, die endlich in den Job wollen, wir müssen alles jedes Mal neu erklären“, berichtet Sabine Renner vom VBZ-Büro.

Leonhard Rost (TÜV-Teamleiter ) hat gute Neuigkeiten für Karsten Renner (VBZ). Ab November sollen die ersten Maßnahmen zum Abbau des Prüfungsstaus greifen.
Leonhard Rost (TÜV-Teamleiter ) hat gute Neuigkeiten für Karsten Renner (VBZ). Ab November sollen die ersten Maßnahmen zum Abbau des Prüfungsstaus greifen. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Zumal es noch mehr zermürbende Wartezeiten gebe auf dem Weg zum Führerschein: Bis zu sechs Wochen für einen Termin beim Arzt zur Bescheinigung der gesundheitlichen Eignung, bis zu sieben Wochen benötige der Fachdienst Straßenverkehr in Lanken für den Antrag, zählt Karsten Renner auf.

Nach Krisensitzung bei der Landesregierung: TÜV verspricht Abhilfe

Wie es ausschaut, kommt nun immerhin Bewegung in den Rückstau bei den Prüfungen. Leonard Rost, Teamleiter Fahrerlaubniswesen beim TÜV Nord für die Region Hamburg, verspricht baldige Abhilfe. Er war zu Gast bei der Landesregierung in Kiel, als Vertreter des Verkehrsministeriums, des Landesbetriebs Verkehr, des Fahrlehrerverbandes und des TÜV Nord die Situation erörterten. Der TÜV ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, an das die Länder zahlreiche technische Überwachungen delegiert haben, auch Führerscheinprüfungen. In den ostdeutschen Bundesländern ist dafür die Dekra zuständig, ebenso in Berlin. Auch dort wird über lange Wartezeiten geklagt.

Flächendeckend fehlten zurzeit gelernte Fahrlehrer, aus der Lockdown-Zeit gebe es noch immer einen Überhang an Prüfungen, der am Rückstau etwa sieben Prozent pro Jahr ausmache, beziffert Leonard Rost ihn für seine Region – und nun kämen seit dem Frühsommer viele Ausfälle von Prüfern wegen Krankheit hinzu. Rost: „Wir haben einen dreifach erhöhten Krankenstand, eine Mitarbeiterin meinte, das habe sie in der ganzen TÜV-Zeit noch nie erlebt. Das ist schwer zu kompensieren.“

Der TÜV will nun Ruheständler für Prüfungen zurückholen

Im Prinzip sei man personell gut aufgestellt, meint Leonard Rost. Seit 2019 sei der Bestand an Fahrprüfern beim TÜV Nord Region Hamburg kontinuierlich um 30 Prozent gewachsen. Der Teamleiter verspricht eine weitere „lineare Steigerung“ des Prüfungspersonals bis April. Ruheständler würden zurückgeholt, die bis zu 85 Minuten (bei Lkw und Bus) dauernden Fahrprüfungen zum Teil auch am Sonnabend abgenommen. Wo es gehe, würden Mitarbeiter aus dem Außendienst abgezogen, um mehr Kapazitäten für den Abbau des Rückstaus einsetzen zu können. Es gebe interne Weiterbildungen, und es werde länger gearbeitet.

Die erste Maßnahme zum Abbau der Überhänge läuft in dieser Woche an mit einer Anrufaktion bei den Fahrschulen zur genauen Datenerhebung, „um zu ermitteln, wo es am meisten brennt“, so Leonard Rost. Denn die Zahlen der Anmeldungen zu Prüfungen stimmten häufig nicht mit der wirklichen Lage überein, weil es Fahrschulen gebe, die mehr Termine buchten, als sie dann benötigten. Speziell geschulte Mitarbeiter sollen nun die genaue Situation erfragen. Zudem wurde hierfür eine gesonderte E-Mail-Adresse eingerichtet.

Die ersten Maßnahmen sollen im November greifen, Leonard Rost erwartet, dass bis Anfang nächsten Jahres ein Großteil der Überhänge abgebaut sind. „Wir ziehen alle Register“, verspricht er.