Geesthacht. Seine Erbsensuppe ist legendär, das frische Fleisch geschätzt. Trotzdem schließt Jens Voß die Stadtschlachterei. Die Gründe.

Je nach Nachfrage wird Jens Voß wohl nur noch einmal seine in Geesthacht legendäre Erbsensuppe kochen. Auch der beliebte Mittagstisch in der Stadtschlachterei Voß ist bald Geschichte und damit auch der Verkauf von frischem Fleisch. Am Sonnabend, 24. September, öffnet das Traditionsgeschäft in der Fußgängerzone gegenüber dem Sparkassen-Center zum letzten Mal.

Der 63-Jährige, der den Betrieb 1990 zusammen mit Frau Barbara von seinem Vater Günther übernommen hatte, geht in den Ruhestand. Und weil er trotz langer Suche keinen Nachfolger für sich und seine acht Angestellten gefunden hat, endet damit nicht nur eine Familientradition, die vier Generationen überdauert hat, sondern schließt auch der letzte Fleischereibetrieb in der Stadt.

Die Stadtschlachterei Geesthacht hat Jens Voß 1990 übernommen

Als meine Eltern 1965 die Schlachterei Giermann in der Hafenstraße übernommen haben, gab es acht oder neun Schlachtereien, von denen einige mehrere Filialen hatten. Aber die Entwicklung ist von der Gesellschaft gewollt. Ich habe seit fünf Jahren vergeblich geschaut“, sagt Voß ohne Groll.

Angefangen hatte alles um 1910, als Urgroßvater Adolf Voß an der Halskestraße in Hamburg-Rothenburgsort eine Schlachterei öffnete. Vater Günther machte sich 1955 erst in Wilhelmsburg selbstständig, in Geesthacht betrieb er später zwischenzeitlich drei Filialen.

In Rothenburgsort fing alles an: Urgroßvater Adolf Voß eröffnete um 1910 ein Geschäft in der Halskestraße.
In Rothenburgsort fing alles an: Urgroßvater Adolf Voß eröffnete um 1910 ein Geschäft in der Halskestraße. © Jens Voß | Jens Voß

Als Jens Voß 1990 übernahm, gab es nur noch das Geschäft in der Bergedorfer Straße. Auch hat er nicht mehr selbst geschlachtet. Dafür betrieb er zusätzlich einen Partyservice, der die Erbsensuppe ihren Ruf verdankt. „Die Suppe läuft seit 30 Jahren“, weiß Jens Voß.

Und sein Geschäft lief auch. Während des Pressegesprächs vor dem Laden wird „Herr Metzger“ ständig von Stammkunden gegrüßt. Voß: „Viele kommen täglich.“ Das können sie jetzt nur noch eine Woche täglich bis 13.30 Uhr, am 24. September ist um 12.30 Uhr Schluss.

„Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, nicht mehr permanent die ganzen Salate zu machen“, räumt Barbara Voß ein, die immer im Hintergrund bleiben wollte. Die viele ungewohnte freie Zeit will Jens Voß nutzen, um seinem Hobby nachzugehen: Er ist Jagdpächter in Geesthacht-Besenhorst. „Da werde ich ab und an wohl auch noch Fleisch über haben. Wer etwas haben möchte, kann seine Kontaktdaten im Laden hinterlassen“, sagt Voß.

Das Haus an der Bergedorfer Straße soll Neubau weichen

Derweil gerät das Rezept für seine Erbsensuppe wohl langsam in Vergessenheit. „Die werde ich nicht mehr kochen. So einen großen Topf wie die 100 Liter im Laden habe ich zu Hause nicht“, sagt er.

Das Haus in der Fußgängerzone ist verkauft und soll einem Neubau weichen.
Das Haus in der Fußgängerzone ist verkauft und soll einem Neubau weichen. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Für das Haus an der Bergedorfer Straße fand sich ganz schnell ein Käufer. Ein Geesthachter möchte dort ein neues Wohn- und Geschäftshaus bauen. Doch warum ist die Suche nach einem Nachfolger so schwierig? Antwort: Es fehlt – wie an so vielen Stellen – an Fachkräften. „Möchten Sie 70 Stunden in der Woche arbeiten? Und dass es jede Woche so ist“, mahnt Voß.

Die Erbsensuppe von Jens Voß ist legendär – doch er wird sie nicht mehr kochen

In den vergangenen 24 Jahren hat sich die Zahl der Fleischereien mehr als halbiert. Laut Zentralverband des deutschen Handwerks waren es Ende 1998 noch 25.492 Betriebe, Ende 2021 nur noch 12.586 Betriebe. Dabei gibt es große regionale Unterschiede. Wer schon einmal in Süddeutschland unterwegs war, weiß, dass es dort häufig noch in jedem Dorf einen Fleischer gibt.

Jens Voß  rührt an seiner legendären Erbsensuppe.
Jens Voß rührt an seiner legendären Erbsensuppe. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Für den Kreis Herzogtum Lauenburg zählte die Handwerkskammer (HWK) Lübeck Ende Juni 30 Betriebe. Die Zahl hat sich in zwölf Jahren (2010: 31 Betriebe) kaum verändert. Die HWK unterscheidet allerdings nicht zwischen Fleischereibetrieben und Supermärkten mit Frischfleischabteilungen.

Wer nach der Aufgabe von Jens Voß in Geesthacht frisches Fleisch kaufen möchte, muss entweder zum Wochenmarkt oder zu Schlachter Harms nach Tesperhude gehen. „Ich mache das nur noch aus Enthusiasmus“, betont Bernd Harms, der mit 65 Jahren zwei Jahre älter als Jens Voß ist und ausschließlich auf Tiere aus Freilandhaltung setzt. Geöffnet hat er an maximal vier Tagen und für wenige Stunden im Monat (Tesperhuder Straße 29). Vorbestellungen unter schlachter-harms.de.