Das Reptil ist 38 Jahre alt und wohnt seit 22 Jahren bei Karin Hilger Schroeder in Geesthacht. Sie kann einige Anekdoten erzählen.

Geesthacht. Schildkröte machte Sonntagsausflug“, lautete die Überschrift über einer Polizeimeldung in unserer Zeitung. Aufgegriffen wurde der wegen der Hitze sehr agile Ausreißer in der Friedrich-Friesen-Straße in Grünhof-Tesperhude, nachdem Passanten das unternehmungslustige Reptil auf dem Gehweg entdeckt hatten. Noch am selben Tag konnte es von den Polizisten des Geesthachter Revieres an sein Frauchen übergeben werden.

„Sonst geht er eher runter zum Teich“, sagt Karin Hilger-Schroeder nur wenig überrascht. Sie wohnt am Teichweg, gleich um die Ecke von der Friedrich-Friesen-Straße. Denn Fridolin, wie das flinke Kriechtier heißt, schafft es immer wieder mal, eine neue Lücke für die Flucht aus dem großen Garten zu entdecken. Früher war es der Spalt zwischen Gartenpforte und Fliesen. Aber dafür ist Fridolin nun zu groß. „Vermutlich ist ein Loch im Draht des Jägerzaunes“, meint Karin Hilger-Schroeder zur Fluchtgelegenheit.

Schildkröte Fridolin aus Geesthacht geht gern zu den Rosen – da platzt der Luftballon

Sie führte gerade ein Telefongespräch, als er verschwand – offenbar hat Fridolin die Chance beim Schopfe ergriffen. Denn ansonsten passt das Frauchen gut auf. Wenn er draußen ist, bekommt er eine Schnur mit einem fliegenden roten Ballon dran übergestreift. Aber völlig sicher ist die Methode nicht. Die Schildkröte hat gelernt, sich die nicht besonders fest sitzende Schlinge – sie soll nicht einschnüren – mit Hilfe der Beeteinfassungen abzustreifen. „Außerdem geht er gern zu den Rosen“, hat Karin Hilger-Schroeder beobachtet. Da platzt der Ballon natürlich.

Der Luftballon zeigt an, wo Fridolin gerade steckt.
Der Luftballon zeigt an, wo Fridolin gerade steckt. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Zwar muffelt Fridolin täglich seine vier Blatt Salat weg, aber er kann auch anders. Draußen wird er schon mal zum Raubtier. „Wenn er einen Regenwurm sieht, wird darauf herum gebissen“, hat das Frauchen beobachtet, „genauso auf Nacktschnecken“. Und die Hunde und Katzen schlagen einen Bogen um ihn, er zwickt sie in die Beine.

Einmal blieb Fridolin ein halbes Jahr lang verschwunden. „Er hatte sich im Herbst zum Winterschlaf irgendwo eingegraben und tauchte erst im Frühjahr wieder auf“, erzählt Karin Hilger-Schroeder.

Fridolin lebt seit 22 Jahre bei ihr. Er ist 38 Jahre alt, seine Lebenserwartung liegt bei 90 Jahren. Fridolin ist eine Scheidungsschildkröte. Vom Paar, das auseinanderging, wollte niemand das Reptil mitnehmen, also zog sie bei Karin Hilger-Schroeder ein.

„Hier hinten ist das Sonnengeflecht“, erklärt Karin Hilger-Schroeder und zeigt auf eine Stelle am hinteren Panzer der Griechischen Breitrandschildkröte. Sie streichelt darüber, und Fridolin reckt wohlig den Po in die Höhe wie ein Hund, dem man an der Schwanzwurzel krault. Aber er kann auch anders: „Wenn er sauer ist oder sich erschreckt, wird gefaucht“, weiß das Frauchen.

Fridolin ist ein Racker und kratzt wie ein Katze an der Tür

Fridolin ist die zweite Schildkröte von Karin Hilger-Schroeder. Ihre erste kaufte sie als Siebenjährige 1952 am Winterhuder Marktplatz in einem Tierfachgeschäft, wie sie damals üblich waren. Zum Bürgersteig hin war ein Schaufenster, und dahinter krabbelten Babys der Griechischen Landschildkröte in einem Terrarium herum. Sie fand die Tiere niedlich, und so legte sie fünf Mark für Fips auf die Ladentheke. Fips legte wenige Jahre später drei Eier hinter den Kachelofen. „Plötzlich war klar, Fips ist eine Fipsin“, erzählt Karin Hilger-Schroeder. Zum Eierlegen benötigen die weiblichen Schildkröten, ähnlich wie Hühner, keinen Partner.

Fipsin verstarb Ende der 1980er-Jahre durch einen Fehltritt. Sie purzelte den Hang des Gartens hinab und blieb zunächst unentdeckt in Rückenlage in der Sonne liegen – für Schildkröten das Todesurteil. Zum Gedenken ruht ihr Panzer in der linken Sofaecke. „Sie war immer artig, hat nie gebissen“, sagt Karin Hilger-Schroeder.

Im Gegensatz zu Fridolin, der ein Racker ist. Eigentlich sind Schildkröten Einzelgänger. Diese eher nicht. Wenn Fridolin genug hat vom Herumstromern, kratzt er wie eine Katze an der Tür mit dem Fliegendraht. Und wo sich Gäste zusammenfinden, will auch Fridolin sein. „Er kommt hin und ist sehr kontaktfreudig“, berichtet das Frauchen.

Dann läuft er unter dem Tisch herum und zwickt gern in die Schuhe. Ein Verhalten, das unter Schildkrötenexperten kontrovers diskutiert wird. Sexualtrieb, sagen die einen, Dominanzverhalten die anderen. „Die Gerüche an den Sohlen findet er interessant“, meint Karin Hilger-Schroeder. Der Geruchssinn ist bei Schildkröten extrem gut ausgeprägt. Sie erzählen ihm von der großen, weiten Welt. Die ihm erst mal wieder verschlossen ist – bis zum nächsten Fluchtversuch.