Geesthacht. Selbst rund um die Antarktis finden sich große Mengen Mikroplastik. HZG-Wissenschaftler stemmen sich gegen die Katastrophe.

Manche Wissenschaftler sprechen von einer tickenden Zeitbombe, Umwelt- und Meeresschützer warnen, die Katastrophe sei nur unter größten Anstrengungen noch abzuwenden. Immer mehr Plastik gerät in die Weltmeere. Mancherorts tritt der Müll so geballt auf, dass er die Wasseroberfläche über Hunderttausende von Quadratkilometern bedeckt, so im Pazifik.

Die größte Gefahr geht aber von kleinen Plastikteilchen aus, die sich inzwischen überall nachweisen lassen. Das Helmholtz-Zentrum Hereon (HZG) in Geesthacht forscht nicht nur in dem Bereich Mikroplastik, es stellt anderen Wissenschaftlern und der interessierten Öffentlichkeit jetzt viele Ergebnisse im Internet bereit.

Hohe Konzentrationen von Mikroplastik in der Antarktis

Eine Nachricht machte kürzlich die Runde, die manche verstummen ließ, die vor Panikmache gewarnt haben. Wissenschaftler haben in großer Wassertiefe um die Antarktis hohe Konzentrationen von Mikroplastik im Meeresboden gefunden. Das Problem ist ein weltweites, hat auch die entferntesten Stellen weitab der menschlichen Zivilisation längst erreicht.

Doch es fällt auf die Verursacher zurück. Nach Schätzungen kanadischer Forscher nehmen Menschen 74.000 bis gut 120.000 Mikroplastik-Partikel auf – jedes Jahr. Zwischen 0,001 und 5 Millimeter groß, geraten sie über die Atemluft und die Nahrung in jeden menschlichen Organismus. Mit ihr teils schädliche Chemikalien, die für den Produktionsprozess genutzt wurden oder sich in der Natur angelagert haben.

Über Fische landet Mikroplastik auf unseren Tellern

Bevor das Plastik die Menschen erreicht, hat es in Meereslebewesen, Vögeln und vielen Landtieren bereits erhebliche Schäden angerichtet. Mikroplastik wird vom Krill aufgenommen. Die Kleinkrebse stehen am Beginn der Nahrungskette im Meer, werden von manchen Walen und Fischen in großen Mengen gefressen. Das Mikroplastik gelangt über verschiedene Zwischenwirte in die Speisefische, die auf unseren Tellern landen.

Andere Meeresbewohner verwechseln umhertreibende Plastiktüten mit Quallen. Schildkröten verhungern, weil ihre Mägen mit Plastik statt mit Nahrung gefüllt sind.

Schildkröten verhungern, weil sie Plastiktüten für Nahrung halten

Einigkeit besteht, dass das Problem nur mit globalen Anstrengungen in den Griff zu bekommen ist. Die fünfte Uno-Umweltversammlung in Nairobi erteilte jüngst den Auftrag für Verhandlungen mit dem Ziel eines globalen Plastikabkommens.

Ziel: Den gesamten Zyklus von der Produktion über die Nutzung bis zur Entsorgung zu analysieren und verbindlich zu regeln. „Mikroplastik, das bereits in der Umwelt ist, ist nicht mehr rückholbar“, sagt der HZG-Forscher Dr. Daniel Pröfrock.

Uno fordert: Von Produktion bis Entsorgung alles regeln

Unter Federführung des Geesthachter Instituts für Umweltchemie des Küstenraumes am HZG wollen Wissenschaftler verschiedener Richtungen sowohl über den Weg und die Gefahren durch Plastikmüll und Mikroplastik als auch über die Folgen informieren. Das „Microplastic Compendium“ in Englisch wendet sich an Wissenschaftler und interessierte Bürger.

Es ist online abrufbar unter www.microplastic-compendium.eu. Ein Kernteam von drei bis vier Geesthachter Wissenschaftlern befüllt den Online-Auftritt kontinuierlich mit weiteren Ergebnissen aktueller Forschungen, erläutert Dr. Lars Hildebrandt.

In Mikroplastik lauert Chemikalien-Cocktail

Zur Gefahr durch Mikroplastik selbst kommt eine weitere: Im Meer werden Chemikalien-Cocktails herausgewaschen, deren Gefahren sich nur schwer einschätzen lassen, so Forscher Dr. Daniel Pröfrock. Teils sind die Chemikalien in den Kunststoffen enthalten, andere lagern sich am Mikroplastik an.

„In beiden Fällen können es auch für den Menschen gesundheitsschädigende Stoffe sein, die wie mit einem trojanischen Pferd in den menschlichen Organismus gelangen“, warnt Professor Ralf Ebinghaus, Leiter des Instituts für Umweltchemie des Küstenraumes am HZG.

Manche Scheuermittel und Duschbäder schädigen Meere

Die Partikel kommen auf unterschiedlichen Wegen in die Umwelt. Ein Großteil entsteht durch Zerfall von Plastiktüten, Plastikflaschen und anderer Verpackungen, aber auch durch Zersetzung verloren gegangener Fischernetze. Andere Partikel werden Scheuermitteln, Duschbädern und Co. zugesetzt. Die Kleinstteile geraten dann über die Abwässer in die Umwelt.

Eine künstliche Insel aus Müll

Regierungen handeln auch in anderer Hinsicht bedenkenlos: Um Platz für einen internationalen Flugplatz zu schaffen hat die Regierung der Malediven vor Jahrzehnten eine Insel im indischen Ozean aufschütten lassen. Im Kern besteht sie aus Müll. Andernorts wird an verschiedenen Techniken geforscht und entwickelt, wie Müll aus dem Wasser geholt werden kann.