Geesthacht. Nach 114 Jahren Firmengeschichte schließt der fast 60-Jährige seinen Salon in Geesthacht zum Jahresende – ohne Nachfolger.
Eine Geschäftsaufgabe nach 114 Jahren Firmengeschichte, die sicherlich einige Kunden traurig stimmen wird. Denn Frank Steffen ist einer jener Herrenfriseure, die nicht nur wissen, wie es auf der Kopfhaut ihrer Kunden aussieht, sondern oft auch im Kopf darunter. Bekannt für seine lockeren Sprüche spürt bei ihm fast jeder, dass hier ein großes Herz am Werk ist.
„Meinen Job kann man nicht zum Feierabend einfach ablegen wie einen nervigen alten Mantel“, sagt der mittlerweile fast 60-Jährige. „Neben dem Frisieren geht es bei mir vor allem um den Menschen. Und das immer geradeheraus, ohne um den heißen Brei herum zu reden. Da werden alle gleich behandelt, egal ob Professor oder gerade wohnungslos.“
Sowas kommt an bei der Kundschaft eines Herrenfriseurs, zumindest wenn er Frank Steffen heißt. Bei ihm gibt es keine Öffnungs- ,sondern „Haarschneidezeiten“, da wird die lange Liste der Corona-Regeln mit einem „Diskussion zwecklos“ beendet – und jetzt ein kleiner Zettel überreicht mit dem Satz „Es gibt Dinge, die sind, wie sie sind...“
Geesthacht: Kult-Friseur verabschiedet sich von Kunden
Denn der Meister gibt sein Geschäft in Geesthacht zum Jahresende auf. „Ich hatte immer gedacht, dass ich noch mit über 80 hier an Schere, Kamm und Föhn stehe. Schließlich mache ich das sehr gern.
Aber im Fokus auf die nächsten Jahrzehnte sind mein Kopf und mein Körper leider unterschiedlicher Meinung“, blickt Frank Steffen auf fast 40 aktive Jahre zurück. Wann genau er schließt, lässt er offen. Nur so viel wird verraten: „Ich verabschiede mich von jedem meiner Kunden persönlich.“ Sprüche wie „Kannst noch ein Selfie mit mir machen“ oder „Du musst jetzt schnell deiner Frau beibringen, wie sie den Rasierer führt“ bei Glatzköpfen sind dabei natürlich inklusive.
Tradition begründete der Urgroßvater 1907
Frank Steffen stieg 1984 in den Frisiersalon seines Vaters Heinz († 2017) ein. Von ihm hat er auch die Schlagfertigkeit geerbt. Beide setzten das Werk von Urgroßvater August Steffen fort. Der hatte sich 1907 mit einem Friseursalon in Neumünster selbstständig gemacht, war von Schwiegervater Heinrich Schulte vom Umzug nach Geesthacht überzeugt worden und gründete gegenüber von „Zigarren Schulte“ auf dem heutigen Gelände der Hamburger Volksbank seinen Herrensalon neu.
Vermutlich bestand eine Kooperation mit dem Schwiegervater, gehörten für Herren mit Stil damals beim Friseurbesuch doch Zigarre und oft auch Schnaps oder Wein dazu. Diese Idee griff Heinz Steffen Anfang der 1980er-Jahre wieder auf. Da war der Salon längst an seinen heutigen Standort Ecke Lauenburger Straße/Rathausstraße umgezogen und vom jungen Meister gerettet worden. Denn von August Steffens Söhnen hatte keiner Friseur werden wollen.
1982 zum Herrensalon alter Schule umgebaut
Enkel Heinz ergriff 1957 mit erst 23 Jahren die Chance und setzte die Friseurtradition fort. Neben dem Salon war der kleine A&O-Krämerladen von Olaf Svensson als Mieter im Haus. Als der 1982 aufgab, ließ Heinz Steffen diese Räume zum Herrensalon alter Schule umbauen: Hinten wurden die Haare geschnitten, vorn gab es erlesene Spirituosen und Tabak.
Doch das Konzept lief nicht richtig rund. Und es gab mit Frank Steffen die nächste Generation im Unternehmen. Der setzte sich durch, baute den Laden zum Wartezimmer um, durchbrach die Wand dahinter und machte alles zu seinem neuen Herrensalon. Vater Heinz führte bis zu seinem Ruhestand 2006 den Damensalon, übergab ihn dann an Mitarbeiterin Birgit Schiefelbein.
Heute ist auch sie im Ruhestand und die Immobilie nicht mehr in Familienbesitz. Ein Grund mehr für Frank Steffen, selbst keinen Nachfolger zu suchen: „Meine Kinder sind in anderen Branchen tätig, und auf Enkel zu hoffen dauert eindeutig zu lange.“
Kult-Friseur schließt – mehr Zeit für die Familie
Er wird auch die Einrichtung aus dem Haus entfernen: „Ich möchte nicht, dass bald irgendjemand anderes in meinem Laden steht und vielleicht sogar noch so tut, als gebe es einen Nachfolger.“
Was er selbst vom kommenden Jahr an tut, wird nach außen kurz gehalten: Seine HSV-Dauerkarte wolle er behalten und sich mehr um Frau und Familie kümmern. Ob man sich dort schon darauf freut, seine Schlagfertigkeit rund um die Uhr genießen zu dürfen, lässt er offen. Im Gegenteil zu dem, was er nicht tun will: „Ganz bestimmt bin ich nicht der Rentner, der um 18 Uhr im Supermarkt als Anfang der Schlange von der Kassiererin sein Kleingeld aus dem Portemonnaie zählen lässt.“