Geesthacht. Eine Woche lang war der Sensor im Einsatz – und es sollen weitere folgen. Wo? Soll ein Workshop mit Bürgerbeteiligung klären.

„Ich habe den Eindruck, wenn in Geesthacht der Wochenmarkt stattfindet hinter dem Kaufhaus Nessler, ist hier oben weniger los“, meint Stephan Kühnert, der Filialleiter der örtlichen Hamburger Sparkasse. Weil sich die Besucher der Fußgängerzone dann dort unten ansammeln und nicht soweit nach oben zum Ausgang Richtung Norderstraße gehen würden, so die Vermutung.

Doch stimmt der Eindruck? Roman Spendler, der Geschäftsführer von Smart City Operations GmbH, öffnet kurzerhand auf seinem Laptop eine Spalte mit dem Wochentag „Mittwoch“ in einer Excel-Tabelle, und siehe da: Stephan Kühnert hat sich getäuscht, belegen die Zahlen. Am Markttag wurden um 11 Uhr 655 Menschen von dem im ersten Stock des Haspa-Gebäudes aufgestellten Sensor gezählt, am Montag waren es zur gleichen Zeit 636 gewesen.

Abbau des Sensors nach einer Woche Einsatz in Geesthacht

Das intelligente Zählgerät wurde am Donnerstag nach einer Woche abgebaut. Roman Spender erläuterte Jürgen Wirobski von der Geesthachter Wirtschaftlichen Vereinigung und Stephan Kühnert, dem künftigen Kassenwart der WVG, die Zahlen.

Ergebnis: Die Fußgängerzone wurde während der Beobachtungszeit seit dem 7. Oktober an jedem Tag etwa gleich oft frequentiert: Donnerstag 5672; Freitag 5921; Sonnabend 5670; Sonntag (verkaufsoffen) 5892; Montag 8313; Dienstag 5332; Mittwoch 5636. Gesamtergebnis: 42.436.

Auf zehn Fußgänger kommt dabei im Schnitt ein Fahrrad, dass – legal – durch die Bummelmeile fährt. Die WVG will die Daten in Kürze detailliert auf ihrer Webseite veröffentlichen (www.wvgeesthacht.de).

Software könnte noch mehr als Personen zählen

Wegen des Datenschutzes darf das Gerät nicht erfassen, wer möglicherweise doppelt vorbeigegangen ist. Dafür müsste es mit Gesichtserkennung arbeiten. Möglich wäre das.

Die Software ließe sich auch anlernen, wie viele Frauen und Männer das Gerät passieren, erkennt, auf welcher Seite Passanten gehen oder stehenbleiben und welche Verkehrsmittel sie benutzen, Rollstühle und Rollatoren zählen dazu.

Nun sind die Folgen, dass Stephan Kühnert mit seinem Eindruck falsch lag, nicht gravierend. Doch was ist, wenn von einem subjektiven, „gefühlten“ Eindruck schwerwiegende Entscheidungen von einiger finanzieller Tragweite abhängen? Wenn es um die Vergabe von Krediten geht oder um den millionenteuren Bau von Umgehungsstraßen?

„Subjektive Eindrücke werden mit Zahlen objektiviert“

Um Entscheidungen, mit deren Folgen Kommunen und Menschen Jahrzehnte leben müssen, getroffen aufgrund einer dünnen Faktenlage verbunden mit einem trügerischen Eindruck, der der Realität nicht standhält? „So wissen wir nicht einmal genau, wie viele Autos wirklich über die Geesthachter Elbbrücke fahren“, sagt Jürgen Wirobski. Stundenweise Zählungen mit Strichliste wären hochgerechnet.

Roman Spendler nennt ein anderes Beispiel. Anwohner einer Spielstraße forderten bauliche Maßnahmen gegen Raser. Ihr Eindruck war, dass bei ihnen fast alle Autos viel zu schnell durchfahren würden. Die Sensoren lieferten ein anderes Ergebnis. Nur ein Prozent der Autos fuhr deutlich zu schnell. „Wir haben einen subjektiven Eindruck mit Zahlen objektiviert“, meint Spendler.

„Zahlen, Daten und Fakten helfen, bessere und fundiertere Entscheidungen zu treffen“. „Die Sensoren der Smart City können Kommunen vor überflüssigen Geldausgaben und finanziellen Verlusten bewahren“, ergänzt Jürgen Wirobski. Auch eine Feinstaub- und Lärmbelastung kann ermittelt werden.

Sensor wird Verwaltung und Politik des Kreises vorgestellt

Das Gerät bei der Haspa wurde kostenlos aufgestellt, es dient als „Anschmecker“ für die große Konferenz am 25. November im Gitz auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums. Bürgermeistern und Vertretern aus Verwaltung und Politik des Kreises soll die Leistungsfähigkeit solcher Geräte vorgestellt werden.

Dann spielen auch die Zahlen aus Geesthacht eine Rolle. Bei größeren Innenstadtprojekten wie in Lübeck oder Kiel sind schon mal 50 dieser Sensoren im Einsatz, die Kosten liegen dann etwa zwischen 100.000 und 200.000 Euro – inklusive Aufbereitung der Daten.

Auch für Geesthacht soll es eine Fortsetzung geben, geht es nach Jürgen Wirobski. „Es gibt bereits Gespräche mit der Stadt“, sagt er. Ihm schwebt vor, in einem Workshop mit Bürgerbeteiligung fünf realistische Aufgabenfelder für den Einsatz von Sensoren zu identifizieren.